Freitag, 29. Juni 2012

DIE "V"-AFFÄRE (XIV): Die bisher bekannten Taten der Terrorzelle "NSU" in der Analyse (1. Update)

(lsn) - "Was ist bisher über die Taten des 'NSU' bekannt?", das fragten wir bereits am 17. November 2011 hier im "Lichtstadt.Netz".  Banküberfälle, Morde und Bombenanschläge werden der Terrorzelle zur Last gelegt: insgesamt 26 Taten. Verdichten sich diese Taten bzw. ihre Termine zu einem Schema? Dieser Frage gingen im Auftrag von Lichtstadt.Netz mehrere Studierende der FSU und der Fachhochschule Jena nach mit folgendem Ergebnis, das auch Fragen aufwirft.

Nun konnte diese Liste vom November 2011 um einen Punkt ergänzt werden: das sächsische Innenministerium datiert den ersten Überfall von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos nun auf den 18.12.1998. Damals hatte zwei Täter einen EDEKA-Markt in Chemnitz überfallen, zwei Schüsse abgegeben und danach rund 30.000 DM geraubt. Böhnhardt und Mundlos kam man auf die Spur durch die beiden Patronenhülsen, die 1998 am Tatort zurück blieben und nun einer Waffe, die in der ausgebrannten Wohnung in Zwickau gefunden worden war, zugeordnet werden konnten.

Die zur Last gelegten MORDE und BOMBENANSCHLÄGE:

Die ersten beiden Morde geschahen beide in Nürnberg: am 09.09.2000 und (neun Monate später) am 13.06.2001. In die Zeitunterbrechung zwischen Mord Nummer 1 und Mord Nummer 2 fiel der Sprengstoffanschlag auf ein Kölner Lebensmittelgeschäft am 19.01.2001; die Sprengfalle wurde dort allerdings bereits kurz vor dem Jahresende 2000 hinterlassen.

Der dritte Mord wurde nur 14 Tage nach dem zweiten Mord verübt, und zwar am 27.06.2001 in einem völlig anderen Teil Deutschlands: er geschah 460 km von Nürnberg entfernt in Hamburg. Der darauf folgende vierte Mord wurde dann zweieinhalb Monate später, am 29.08.2001, in München verübt (wiederum 610 km von Hamburg entfernt). - Dann erlebte die Welt die Anschläge des 11. Septembers 2001 und in dessen Zuge auch eine verstärkte Polizeipräsenz in Deutschland.

Die, dem "NSU" zur Last gelegte, Mordserie wurde 30 Monate nach dem vierten Mord fortgesetzt mit Mord Nummer 5 und zwar am 25.02.2004 in Rostock, einem Tatort, der rund 660 Kilometer von München entfernt ist. In die Zeitunterbrechung zwischen Mord Nummer 5 und Mord Nummer 6 fiel die Explosion einer Nagelbombe in der Kölner Keupstraße am 09.06.2004.

Exakt ein Jahr nach dem Nagelbombenanschlag in Köln (bzw. 16 Monate nach Mord Nummer 5) folgte am 09.06.2005 Mord Nummer 6, erneut in Nürnberg, sechs Tage später, am 15.06.2005, der siebente Mord, erneut in München. Nach einer Pause von zehn Monaten folgten die Morde Nummer 8 und 9 in kurzem Zeitabstand: am 04.04.2006 in Dortmund und am 06.04.2006 in Kassel. Interessant ist, dass
die Fahrtrichtung von Dortmund über Kassel relativdirekt zurück in Richtung Zwickau führt.

Etwa ein Jahr später, am 25.04.2007, geschah der Polizistinnen-Mord in Heilbronn, wobei die Täter im Grunde von einem Doppelmord ausgehen mussten, denn sie nahmen wohl an, der damals angeschossene Polizist sei tödlich verletzt worden.

Hier noch einmal alle Daten der bislang zur Last gelegten Morde und Bombenattentate in der Übersicht:
´(Legende: blau = ohne festen Wohnsitz in Chemnitz / rot = Wohnung in der Polenzstraße 2 in Zwickau):

09.09.2000
19.01.2001

13.06.2001
27.06.2001
29.08.2001
 

------------------------------ 2 1/2 Jahre Pause
25.02.2004
09.06.2004
09.06.2005
15.06.2005
04.04.2006
06.04.2006
25.04.2007


In der Analyse fällt 1.) auf, dass oft zwei Taten kurz hintereinander begangen wurden; eine Vorgehensweise, wie sie sich bei der noch folgenden Analyse der Banküberfälle bestätigen wird. 2.) geschahen alle dieser Taten seit 2004 jeweils in der ersten Jahreshälfte. 3.) Es gibt kein Jahr der Aktivität, in dem "nur" ein mal Terror ausgeübt wurde, außer 2000 (aber hier wurde die Sprengbombe noch im Dezember 2000 deponiert) und 2007.

Die zur Last gelegten ÜBERFÄLLE auf Banken, Sparkassen und einen Supermarkt:

Der erste Überfall wurde am 18.12.1998 durchgeführt, die nächsten beiden Überfälle auf Geldinstitute, die dem "NSU" vorgeworfen werden, geschahen im Herbst 1999 kurz hintereinander in Chemnitz: am 06.10. und am 27.10.1999. Erneut in Chemnitz ereignete sich Banküberfall Nummer 4 und zwar am 30.11.2000. Am 05.07.2001 folgte der erste Banküberfall in Zwickau, am 25.09.2002 ein Überfall erneut in Chemnitz und am 23.09.2003 ein weiterer Überfall in Zwickau.

Chemnitz war auch weiter das Ziel der "NSU" und zwar mit Überfall Nummer 8 am 14.05.2004, mit Nummer 9 am 18.05.2004 und Nummer 10 am 22.11.2005. Am 05.10.2006 folgte erneut ein Banküberfall in Zwickau (= Nummer 11) und am 07.11.2006 sowie am 18.01.2007 zwei Überfälle in Stralsund an der Ostseeküste (= Nummern 12 und 13).

Danach fogten mehr als viereinhalb Jahre ohne einen zuzuordnenden Banküberfall, bevor die Täter am 07.09.2011 in Arnstadt (= Nummer 13) und am 04.11.2011 in Eisenach (= Nummer 14) Sparkassen überfielen.

Hier noch einmal alle Daten der zur Last gelegten Bank- und Sparkassenüberfälle in der Übersicht (Legende: blau = ohne festen Wohnsitz in Chemnitz / rot = Wohnung in der Polenzstraße 2 in Zwickau / schwarz = Wohnung in der Frühlingsstraße 26 in Zwickau):


18.12.1998 Chemnitz I
06.10.1999 Chemnitz II
27.10.1999 Chemnitz III
30.11.2000 Chemnitz IV

05.07.2001 Zwickau I
25.09.2002 Chemnitz V
23.09.2003 Zwickau II
14.05.2004 Chemnitz VI
18.05.2004 Chemnitz VII
22.11.2005 Chemnitz VIII
05.10.2006 Zwickau III
07.11.2006 Stralsund I
18.01.2007 Stralsund II

------------------------------ 4 1/2 Jahre Pause
07.09.2011 Arnstadt
04.11.2011 Eisenach


Hierbei fällt als erstes die Häufung von Überfällen in bestimmmten Städten auf: 8 in Chemnitz, 3 in Zwickau und 2 in Stralsund.

Arnstadt und Eisenach sind hiervon völlig losgelöst - auch wegen der mehr als dreieinhalbjährigen Unterbrechung zwischen Überfall Nummer 13 und Überfall Nummer 14.

Ebenfalls auf dem System der Täter brechen die Überfälle in Stralsund aus, die rund 400 Kilometer nördlicher als alle anderen überfallenen Orte liegen.

In der Analyse fällt aber auf, dass auch hier oft zwei Taten kurz hintereinander begangen wurden: Überfall 2 und 3, Überfall 8 und 9, Überfall 11 und 12 und Uberfall 14 und 15.

Zusammenfassung der Daten der bislang 27 Taten in der Übersicht:


(Legende: blau = ohne festen Wohnsitz in Chemnitz / rot = Wohnung in der Polenzstraße 2 in Zwickau / schwarz = Wohnung in der Frühlingsstraße 26 in Zwickau):

----------------------------- Die Mitglieder des "NSU" tauchen am 27.01.2998 unter
18.12.1998 Chemnitz I

06.10.1999 Chemnitz II
27.10.1999 Chemnitz III
09.09.2000 NÜRNBERG
30.11.2000 Chemnitz IV
19.01.2001 KÖLN (Bombe)

-------------------------- Mai 2001: Anmietung der ersten Wohnung in Zwickau
05.07.2001 Zwickau I
13.06.2001 NÜRNBERG
27.06.2001 HAMBURG
29.08.2001 MÜNCHEN

------------------------------ Anfang 2002: "Der weiße Wolf" erwähnt erstmals den "NSU"
25.09.2002 Chemnitz V
------------------------------ Haftbefehl aus Thüringen erlischt
23.09.2003 Zwickau II
25.02.2004 ROSTOCK
14.05.2004 Chemnitz VI
18.05.2004 Chemnitz VII
09.06.2004 KÖLN (Bombe)
09.06.2005 NÜRNBERG
15.06.2005 MÜNCHEN
22.11.2005 Chemnitz VIII
04.04.2006 DORTMUND
06.04.2006 KASSEL
05.10.2006 Zwickau III
07.11.2006 Stralsund I
18.01.2007 Stralsund II
25.04.2007 HEILBRONN

------------------------------ Mai 2008: Anmietung der neuen Wohnung in Zwickau
07.09.2011 Arnstadt
04.11.2011 Eisenach


Was auffällt sind die zeitlichen Lücken im Ablauf der Taten:


1.) jeweils knapp ein Jahr zwischen dem Mord in München am 29.08.2001 und dem Raubüberfall in Chemnitz am 25.09.2002 sowie dem darauf folgenden Raubüberfall in Zwickau am 23.09.2003

2.) zwischen dem Nagelbombenanschlag am 09.06.2004 und dem Mord in Nürnberg am 09.06.2005 (= exakt ein Jahr!)

3.) zwischen dem Mord an der Polizistin am 25.04.2007 und den Banküberfällen im September und November 2011. Offensichtlich hatten die Terroristen 2007 so viel Geld geraubt, dass sie sich nach einer größeren Wohnung umsahen, diese 2008 bezogen, umbauten und dort finanziell sorgenfrei leben konnten. Ab dieser Zeit machten sie auch regelmäßig Urlaube auf Fehmarn. In der Wohnung in der "Frühlingsstraße" entstand offenbar auch das DVD-Video "Frühling". Erst im Sommer 2011 überlegten sich Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe dann die nächsten Geldbeschaffungsmaßnahmen.

Keine Kommentare: