Montag, 20. August 2012

Vom "Feinmess" zur eigenen Straße: Dr. Otto Eppenstein und seine Bedeutung für die Lichtstadt

(lsn) - Kaum zu glauben aber wahr: es gab einen Zeissianer, der Dutzende von Erfindungen machte und etwa 100 davon zum Patent brachte. Seine Name: Dr. Otto Eppenstein. Doch wer war dieser innovative Physiker, nach dem vor Kurzem sogar eine Straße im neuen Gewerbegebiet "Jena21" benannt wurde?

Eppenstein wurde 1876 in Breslau geboren und lebte viele Jahre in Jena. Weshalb man ihn in der Lichtstadt im Oktober 1942 fast heimlich beisetzte, darüber berichtete am Samstag Lambert Grolle (Foto rechts) im Rahmen einer Vortragsveranstaltung der Reihe "Schöner Ort" unter einem schattigen Baum vor dem Gärtnerhaus des Johannisfriedhofs.

Nahezu 100 Zuhörer waren trotz der Hitze gekommen und erfuhren, dass Eppenstein im Jahre 1907 bei Zeiss die wissenschaftliche Leitung der soeben gegründeten Entfernungsmess-Abteilung übernahm. Bereits seit 1901 war er beruflich in Jena tätig gewesen, hatte dank seines Lehrers Ernst Abbe eine Anstellung am Institut für Erdbebenforschung der Universität erhalten.

Bis zu seinem Tode im Jahre 1942 war Eppenstein für die Feinmessgeräte bei Carl Zeiss zuständig und es gehen zwischen 80 und 100 Patente direkt auf ihn zurück. So entwickelte er immer wieder neuartige Geräte, wie etwa das sog. "Werkzeug-Mikroskop", das Lambert Grolle zur Veranstaltung mitgebracht hatte und vorführen konnte. Die von ihm erarbeiteten Prinzipien waren ihrer Zeit teilweise so weit voraus, dass einige seiner Gerätekonstruktionen mit unwesentlichen Änderungen noch bis zum Ende der 60er Jahre gebaut wurden (links ein Zeiss Feinmessmikroskop von 1923). Auch mit dem nach ihm benannten "Eppensteinschen Entfernungsmess-Verfahren" hat sich der Wissenschaftler weltweit Verdienste erworben, berichtet Grolle.

"Eppenstein wird als sehr geistreicher und liebenswürdiger Mensch beschrieben", erzählte Grolle seinen Zuhörern. So pflegte er viele Freundschaften in der Lichtstadt, so zum Beispiel mit Ernst Wandersleb, Felix Auerbach, August Kotthaus und dem Gerichtsmediziner Dr. Ernst Giese. Der damalige Zeiss-Chef Kotthaus und Giese seien es auch gewesen, die Eppenstein beistanden und wahrscheinlich vor der Verschleppung durch die Nazis in ein Konzentrationslager gerettet haben, denn Eppenstein war Jude.

Obwohl er zum Christentum übergetreten war und sich sogar durch den Jenaer Pfarrer César in der Schillerkirche hatte taufen lassen, galten für ihn die Restriktionen der sog. "Judengesetze". 1931 hatte Eppenstein die frühere Ehefrau von Peter Petersen, Gertrud Zoder, geheiratet; Zoder brachte in die Ehe ihre drei Kinder der Petersen-Ehe ein. Auch für Dr. Otto Eppenstein war dies die zweite Ehe. Eppensteins erste Ehefrau, eine Dänin, hatte sich 1929 von ihm getrennt und drei der vier gemeinsamen Kinder in Jena zurückgelassen. So lebte Eppenstein danach mit sechs Kindern in der Saalestadt.

Im Dritten Reich musste Otto Eppenstein alle Stationen der gesetzlichen Repression wie der alltäglichen Demütigung durch die Nazis erleiden. Seine Familie litt kaum weniger: Otto Eppensteins Schwester wurde ins KZ verschleppt und dort ermordet; er selbst starb im Oktober 1942 in Jena nach langer Krankheit, was ihn davor bewahrt hatte, das Schicksal seiner Schwester zu erleiden. Als er in kleinem Kreis beigesetzt wurde hielt "Tessar"-Pionier Dr. Ernst Wandersleb die Trauerrede, wie Lambert Grolle berichtete.

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