Samstag, 28. September 2013

"Sex und Informatik - Es wächst zusammen, was zusammen gehört": FSU beteiligt sich an einem 1,6 Mio. Euro teuren Forschungsvorhaben


(lsn / fsu) - Die Natur produziert die besten Lösungen: Keine Maschine klettert so wendig engste Rohre hinauf wie eine Ratte. Und eine effektivere Schmutzabwehr als bei der Lotusblüte gibt es kaum. Den Erfolg der Evolution in der Natur auf die Informatik übertragen, will nun ein internationales Team, an dem auch Prof. Dr. Tobias Friedrich (Foto) von der Friedrich-Schiller-Universität Jena beteiligt ist.

Die EU fördert das jüngst bewilligte Forschungsvorhaben SAGE (Speed of Adaption in Population Genetics and Evolutionary Computation) ab 2014 für drei Jahre mit fast 1,6 Mio. Euro. In diesem EU-Programm für zukünftige Technologien sind „nur drei von 96 Projektanträgen bewilligt worden“, freut sich Prof. Friedrich über den Erfolg des Teams aus Nottingham, Sheffield, Wien und Jena.

„Evolution ist ein faszinierendes Konzept“, sagt Prof. Friedrich. „Prinzipien, die man aus der Evolution kennt, versucht man mathematisch nachzubilden, um besonders schwierige Optimierungsprobleme zu lösen“, erläutert der jüngste Lehrstuhlinhaber der Friedrich-Schiller-Universität ein Ziel des Projekts. Das wird zwar bereits seit längerem versucht, etwa in der Bioinformatik, aber im Idealfall soll nun ein allgemeiner "Algorithmus des Lebens" entwickelt werden - der dann in der Informatik und bei biologischen Fragestellungen eingesetzt werden könnte. Dazu arbeiten hier Informatiker eng mit Evolutionsbiologen zusammen.

Das Forscherteam will mit Blick auf die Entwicklung des Lebens einen optimalen Algorithmus entwickeln, um sehr komplexe Probleme in Zukunft besser lösen zu können. Prof. Friedrich untersucht dazu beispielsweise die Sexualität - aus Informatikperspektive. Denn obwohl Partner benötigt werden - und diese zu finden einen beträchtlichen Aufwand bedeutet -, scheint sich Sex zu lohnen, wie die Evolution beweist. Das Ergebnis der sexuellen Fortpflanzung - „die Lösung“ - ist robuster, selbst bei veränderter Umgebung. Ob und wie sich dieser evolutionäre Prozess auf Algorithmen, die anders als in der Natur z. B. auch mehr als zwei „Partner“ rekombinieren können, übertragen lässt, das wird Prof. Friedrich gemeinsam mit einem neuen Postdoktoranden in Jena untersuchen. Dabei ist ihm durchaus bewusst, dass die Natur viel zu komplex ist, um sie 1:1 zu übertragen. „Wir werden auf abstrakte Modelle in der Informatik zurückgreifen müssen, weil im Leben zu viele Faktoren eine Rolle spielen“.

Auch wenn es dem internationalen Team zunächst um die Theorie des Lebens und ihre Übertragung auf die Informatik geht, so stecken dahinter praktische Anwendungsmöglichkeiten. So hält Prof. Friedrich den Einsatz beispielsweise in der Tierzucht, etwa bei modernen Hochleistungsmilchkühen, für kommerziell sinnvoll - wenn es dem Team denn bis Ende 2016 überhaupt gelingt, einen "Algorithmus des Lebens" zu entwickeln.

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