Donnerstag, 12. Dezember 2013

"Der 'NSU'-Prozess - 66. bis 68. Tag": Richter Götzl bringt einer Zeugin "Benimm" vor Gericht bei - Erkenntnisse über "das fleißige Lieschen"


(schwarz und szabo) -
Vor dem Müncher Oberlandesgericht ging es am 66., 67. und 68. Verhandlungstag u. a. um eine Polizeivernehmung in Zwickau, bei der sich die Hauptangeklagte Beate Zschäpe mit dem Falschnamen "Susanne Em*ng*r" ausgegeben haben soll. Außerdem waren Urlaube auf Fehmarn ein Thema.

Der 66. Verhandlungstag am 09.12.2013:

Polizist Rocco R. aus Zwickau wurde vernommen. Er war 2006 zu einem Wasserschaden in die "Polenzstraße 2" gerufen worden. Direkt unter der Wohnung mit dem Wasserschaden befand sich das "NSU"-Versteck von Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt. Ermittler R. : "Eine Frau Liese Dienelt soll gehört haben, wie sich jemand oben in der Wohnung kurz vor dem Wasserschaden bewegt habe. Ich lud die Frau ins Revcier vor, sie erschien aber nicht."

Bekannt ist, dass Zschäpe oft Alias-Namen nutzte, darunter auch "Lisa Dienelt". Der Beamte suchte daraufhin erneut in die Wohnung in der "Polenzstraße" auf, um mit "Frau Dienelt" zu reden. Rocco R.: "Eine Frau öffnete, sie sagte mir, sie hieße Susanne Em*ng*r und nicht Frau Dienelt." Susanne Em*ng*r, so heißt die Ehefrau von André Em*ng*r. R. vernimmt deshalb am 11.01.2007 die mutmaßliche Susanne Em*ng*r. "Bei der Vernehmung war auch Herr Eminger dabei. Er sagte sinngemäß das gleiche wie seine Frau: Er wäre ab und zu in der Wohnung und kümmere sich, weil der Herr Dienelt Fernfahrer sei. Er und seine Frau würden sich auch um die Katzen kümmern", so der Ermittler zum Vorsitzenden Richter Manfred Götzl.

Laut dem seinerzeiteigen Polizei-Protokoll sagte "Frau Em*ng*r", dass ihr Spitzname "Lise" sei und sie oft mit "Lisa Dienelt" verwechselt werde. Mittlerweile geht die Bundesanwaltschaft davon aus, dass am 11.012007 nicht Susanne Em*ng*r, sondern Beate Zschäpe selbst, bei der Polizei in Zwickau erschienen ist, was jedoch von den ermittelnden Beamten nicht bemerkt worden war. Auch am 66. Prozesstag erkannte Rocco R. keinen der Angeklagten wieder.

Der 67. Verhandlungstag am 10.12.2013:

Zeugin Heike K. wurde in den Zeugenstand gebeten; sie wohnte von 2006 bis 2012 in der Zwickauer "Polenzstraße" und war zwei Jahre lang (von 2006 bis 2008) direkte Nachbarin des "NSU" Terror-Trios. Schon mit Beginn der Befragung durch den Vorsitzenden Richter macht die zeugin keinen Hehl daraus, dass ihr dieser Termin vor Gericht lästig erscheint und antwortet auf Fragen von Manfred Götzl äußerst genervt, fast schon widerwillig.

Die Dame sagte  Sätze wie: "Das weiß ich doch nicht.", "Die Sache ist für mich lange her und erledigt." oder "Ich habe gerade andere Sachen im Kopf.“ Bei Götzl stieß sie mit diesem Verhalten allerdings schnell auf Unverständnis, er griff schon nach einer halben Stunde energisch ein und sagte zu ihr: "Ich bitte sie, einen anderen Ton zu verwenden. Nehmen sie sich ein wenig zurück und gehen sie auf meine Fragen ein.“

Zur Eskalation kommt es, als ein Anwalt der Nebenklage sie nach einem Treffen mit Beate Zschäpe befragt und Frau K. diese Frage nicht beantworten will. "Da war ich doch gar nicht dabei, das war ich nicht", brüllte sie sie den Anwalt unvermittelt an. Danach schrie Nebenkläger-Anwältin Pinar zurück und warf der Zeugin vor, nicht die Wahrheit zu sagen. Was schließlich dazuführte, dass auch Richter Götzl laut werden musste, um die Verhandlung kurz zu unterbrechen.

Aber auch nach der Pause gibt sich die Zeugin bezüglich eines angemessenen Verhaltens vor Geircht uneinsichtig und schreit auf die Frage, ob sie Geld für ein TV-Interview bekommen habe: "Jetzt ist Schluss mit meinem Privatleben. Ich hatte einen Herzinfarkt, meine Tochter wurde missbraucht." Dann begann Heike K, zu weinen, musste aber nach einer Belehrung von Götzl antworten. "250 Euro waren es", sagte sie und fügte an, die habe sie für Lebensmittel ausgegeben. Als im Saal wieder Ruhe eingekehrt war, sagte die Zeugin unvermittelt zu Götzl: "Herr Richter, ich will nach Hause, meine Tochter hat heute Geburtstag." Der schüttelte hierzu nur den Kopf.

Später wiurde Heike K. noch ausgiebig über ihre Beziehung zu Beate Zschäpe ausgefragt und antwortete: "Sie war für mich da die Hauptperson in meinem Leben, eine der ich alles anvertrauen kann." Zschäpe sei damals ihre "beste Freundin" gewesen, so die Zeugin. Nun hakte der Vorsitzende Richter nach. Was man denn so besprochen habe und ob Heike K. auch mal Menschen aus Zschäpes Umfeld kennengelernt habe. Man habe immer nur über ihre, Heike. K.s, Probleme geredet, antwortet sie.

Konkret fragte Götzl nach, ob K, irgendwann einmal Susann Em*ng*r, Ehefrau des Mitangeklagten André Em*ng*r und eine Bekannten von Zschäpe, begegnet sei. Das bestritt K. zuerst, musste später jedoch zugeben, diese Frau doch mindestens einmal gesehen und getroffen zu haben. Heike K. berichtete abschließend, dass Zschäpe sie noch am 01.11.2011 besucht habe - das war drei Tage vor dem gescheiterten Bankraub in Eisenach und dem anschließenden Tod von Zschäpes Freunden Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos. An diesem Tag sei Zschäpe unruhiger gewesen als üblich, habe nicht so viel geredet wie sonst. "Mir war es so, als ob sie mir irgendwas sagen wollte - und hat sie dann doch nicht getan“, sagt die Zeugin vor Gericht aus.

Der 68. Verhandlungstag am 11.12.2013:

Am 68. Prozesstag ging es wieder einmal um Campingurlaube auf Fehmarn; ein Mal sogar nur drei Monate vor dem Tod von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt. Im August 2011 waren Beate "Liese" Zschäpe und die beiden "NSU"-Männer Mundlos und Böhnhardt alias "Max" und "Gerry" schon auf dem Campingplatz auf der Ostseeinsel gewesen, als die erste Zeugin des Tages, eine Dame aus Neumünster, mit ihrer Familie ankam. Man kannte sich aus dem Vorjahr und begrüßte sich herzlich. Dann sei "das Übliche" gefolgt, wie es die Zeugin ausdrückte: gemeinsame Ausflüge, Spielabende, Radtouren, Einkaufsbummel.

"Wir Frauen haben uns morgens immer zum Sport getroffen, mein Mann ging oft mit Max surfen. Und Gerry nahm die Kinder im Schlauchboot mit", berichtete die Zeugin. Abends wurde dann oft zusammen gegrillt und teilweise ausgelassen gefeiert. Ferien auf dem Fehmarner Campingplatz, das bedeutete für das sich seit Anfang 1998 in der Illegalität befindliche Trio eine Lebensqualität, wie sie sonst offenbar das ganze Jahr über so nicht möglich war.

Außerdemn funktionierte die Legende, die man gegenüber den Campingfreunden aufgebaut hatte: man duzte sich, legte keinen Wert auf Nachnamen, unterhielt sich zwanglos. Wer "die Drei" waren, schien klar: "Meines Wissens arbeitete Liese bei ihren Eltern in deren Boutique, Max war in der Computerbranche und Gerry als Kurierfahrer tätig", berichtet die Zeugin. "Max"/Mundlos sei sehr belesen gewesen und ein richtiger "Frauenversteher"; habe sich auf allen Gebieten ausgekannt, sagt sie. Beziehungen, so habe er erzählt, seien oft an seiner extremen Sportbegeisterung gescheitert.

"Natürlich haben wir uns gefragt, ob Liese mit einem der beiden Männer ein Verhältnis hat", sagte die Zeugin aus. Aber alle drei seien stets nur freundschaftlich und nett miteinander umgegangen, die Männer seien "sehr lieb" zu "Liese" gewesen, hätten gerne ihre Freundiin als "fleißig" gerühmt, gesagt "Ja, so ist eben unser Lieschen", z. B. wenn Zschäpe einen besonders leckeren Salat angerichtet hatte. Die Zeugin zu Richter Götzl: "Wir fanden es bewundernswert, wie viel Mühe sich Liese mit dem Essen gab. Sie hat die Männer regelrecht bemuttert." 

Ein anderer Zeuge berichtete ebenfalls über "Liese" und "Max", die einmal den Motor des Schlauchboots zur Reparatur vorbei brachten. Der Firmenmitarbeiter erinnerte sich gut daran, dass Zschäpe dabei "die Hosen anhatte", wie er es ausdrückte. Dass sie, obwohl sich "Gerry" mit Motoren auszukennen schien und ihm offensichtlich das Boot gehörte habe, die Verhandlungen geführt hatte und später die Raparatur in bar bezahlte, sei schon aufgefallen, sagte der Zeuge aus und fügte an: "Ich habe ihr Auftreten als sehr dominant in Erinnerung." Und er sagte vor Gericht auch, dass er sich mit einem Kollegen darüber einig war, dass beide Mitarbeiter "nicht mit ihr verheiratet" sein wollten.

Damit verfestigte sich das Bild des "NSU"-Trios als Einheit, gleichberechtigtem Team mit festgelegten Aufgaben für jeden Mitglied. Böhnhardt, der Technikfachmann, nicht gern mit Fremden sprach; Mundlos, der Eloquente, der zumindest in den Ferien die Gesellschaft anderer Leute suchte; Liese, die die Urlaubskasse verwaltete. Eine weitere Urlauberin vom Campingplatz sagte als Zeugin aus, sie habe den Eindruck, die drei seien "wie eine Familie" aufgetreten: Zschäpe dabei "wie eine Mutter", die nach dem Rechten schaute und sich um Essen, Wäsche und Einkauf kümmerte.

Am Ende dieses 68. Verhandlungstags wurde es aber noch einmal grundsätzlich. Die Verteidigung Zschäpes warf der Bundesanwaltschaft vor, Aussagen eines Zeugen sowie dessen Mutter Heike K. (die am 67. Tag ausgesagt hatte) in der Anklage "unterschlagen" zu haben. Der junge Mann hatte dabei berichtet, Zschäpe habe ihn vor einem Abrutschen in die rechte Szene gewarnt. "Angesichts der wenigen vorhandenen Quellen zur politischen Haltung unserer Mandantin" sei damit offensichtlich, dass die These einer Mittäterschaft bei den zehn "NSU"-Morden nicht stimmen könne, argumentierte die Verteidigung.

Der Prozess wird am 18.12.2013 fortgesetzt; ab dem 21.12.2013 ist dann Gerichtspause bis zum Januar 2014.

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