Dienstag, 8. April 2014

Der 96. bis 100. Verhandlungstag im Münchner "NSU"-Prozess


Annett Szabo fasst zusammen 96.-98 Tag / Tim Schwarz erläutert Tag 99 und 100:

20.03.2014 = Der 96. Verhandlungstag

Das, was der Jenaer André Kapke am 96. Tag Im "NSU"-Prozess am Oberlandesgericht München im ZUeugenstand als Kommentar abgab, ist entlarvend für die mutmaßlichen Beweggründe der "NSU"-Terrors; möglicherweise ließ der Vorsitzende Richter Martin Götzl ihn deshalb kommentarlos seine "Thesen" verbreiten. Hier einige Auszüge im O-Ton Kapke:

Als ihm ein Nebenklägeranwalt die einstige Parole des Thüringer Heimatschutzes / THS vorhielt "Die Errichtung einer multikulturellen Gesellschaft ist eines der größten Verbrechen, was an der Menschheit verübt wurde und wird", sagte der Zeuge lakonisch, "Die Frage ist doch, was daran falsch ist".

Vorgehalten wurde Kapke auch dessen Aussage in einem Interview über Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos "...wenn die etwas verändern wollten, was ja laut dem angeblichen Bekennervideo der Fall war, dann erschieße ich doch keine unschuldigen Gemüsehändler. Dann hätten sie sich eher Presseleute, Staatsanwälte, Richter und Politiker vornehmen müssen.“ Der Zeuge gab als Antwort, es sei völliger Unsinn, rechtschaffene Leute umzubringen, anstatt "an die Wurzel zu gehen".

Es war bereits das dritte Mal, das André Kapke in den Zuegenstand muste, denn der Fragebedarf der Richter und der Nebenklage-Anwälte ist bei ihm immens, stellt er dioch das langjährige Verbindungsglied zu Uwe Mundlos und Uwe Wöhnhardt (beide ) sowie beate Zschäpe udn Ralf Wohlleben dar. Bereits im November 2013 hatte er vor Gericht mit einer zynischen Äußerung Aufsehen erregt; Kapke sagte damals, "nicht der Ausländer als solches ist ein Feindbild", das sei wie bei "Unkraut, da fängt man nicht oben an und zupft ein, zwei Blätter, man geht an die Wurzel“.

25.03.2014 = Der 97. Verhandlungstag

Die Hauptperson des Verhandlungstages fehlte, Max-Florian Bu., was allerdings nicht wirklich problematiscfh war, denn so konnte Richter Götzl stundenlang zwei andere Zeugen des BKA über den fehlenden Bu. befragen, weshalb der 97. Verhandlungstag zu einem guten für  Tag für die Anklage wurde.

Max-Florian Bu. war es, dessen Identität Uwe Mundlos im Untergrund bis zu seinem Tod im November 2011 annahm udn zu "Max" wurde. Der Grund hierfür lag, nach Aussage der Zeugen wohl darin, dass der gelernte Steinmetz Bu. ab Februar 1998 das aus Jena geflohene Neonazi-Trio Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt mehrere Monate in seiner Chemnitzer Wohnung untergebracht hatte. Dies hatte auch schon eine andere Zeugin, Mandy Struck, angedeutet (deren Identität Beate Zschäpe angenommenhatte); Struck war die damalige Freundin von Max-Florian Bu., der für Mundlos einen falschen Reisepass auf seinen Namen ausstellen ließ.

Selbst JAhre danach hielt der Chemnitzer noch per Telefon Kontakt zu den Dreien, und zwar, wenn ihn Mundlos anrief um Dinge abzuklären, die ihm wichtig waren, wenn er sich als Bu. ausgab; der Kontakt soll bis ins Jahr 2011 bestanden haben, wie Bu. vor Ermittlungsbeamten des BKA aussagte. Der heute in Dresden mit seiner Frau und Kindern lebende Bu. war nach eigenen Angaben bereits 2001 aus der Neonazi-Szene ausgestiegen, weshalb er stets (Zitat Bu.) "schockiert" reagierte, wenn Mundlos ihn anrief.

Ein 40-jähriger Kriminalhauptkommissar erinnerte sich an viele der Aussagen von Bu. und betonte mehrfach, dass Max-Florian Bu. "sehr kooperativ und aussagewillig" gewesen sei. Seitenwiese sind dessen Angaben in den Gerichtsakten nachzulesen, doch der Beamte sprach frei und ohne auf Notizen zurückgreifen zu müssen, was die Authentizität seiner Aussagen unterstützte. Interessantes Detail der Aussage des BKA-Beamte: Bu. habe es "unglaublich empfunden, dass sein Vater für diese Verbrecher noch die Wohnungsnebenkosten mit bezahlt habe", so der Kriminalbeamte.

Weiter habe Max-Florian Bu. ihm gegenüber ausgesagt, die jetzt in München Hauptangeklagte Beate Zschäpe sie nicht "das Mäuschen gewesen sei, dass nur essen gekocht habe". So habe Zschäpe ihm einmal erzählt hat, dass sie zwar nicht an der Aktion, 1997 an einer Autobahnbrücke bei Jena einen Puppentorso mit einer Bombenattrappe aufzuhängen, beteiligt gewesen sei. Gleichwohl habe die Hauptangeklagte ihm gegenüber erklärt, sie habe diese Aktion unterstützt.

26.03.2014 = Der 98. Verhandlungstag

Im MIttelpunkt des 98l. Tages stand Juliane W., eine heute 32-jährige Verkäuferin aus Jena, die zu einem ganz bestimmten Tag in ihrem Leben Auskunft gab. Es ging um den 26. Januar 1998. An diesem Tag seien zwei Bekannte, Uwe Böhnhardt und Volker H., zu ihr in die Berufsschule gelkommen und hätten ihr gesagt, dass sie mit nach Erfurt fahren soll. Daraufhin sei sie mit "dem Volker" im Auto von Uwe Mundlos nach Erfurt zu Ralf Wohlleben, ihrem damaligen Freund, gefahren.

Was genau dort besprochen worden sei, daran konnte sich die Zeugin nicht erinnern. Nur, dass sie anschließend mit Volker H. wieder zurück nach Jena gefahren sei und Wohlleben mit seinem eigenen Auto gefolgt wäre. Dann wäre sie alleine in die Wohnung von Uwe Mundlos gegangen, weil ihr das "so gesagt worden" sei. Wer ihr dies gesagt habe, daran hatte die Zeugin keinerlei Erinnerung mehr.

In der Wohnung hätte sie dann Polizisten angetroffen. Auf die Frage, was sie dort zu suchen habe, habe Juliane W. den Polizeibeamten gesagt, sie sei gekommen, weil sie "fernsehen" wolle. W. betonte vor Gericht, dass sie an diese Situation heute kaum noch erinnern könne. Richter Manfred Götzl ermahnte die Zeugin mehrmals, dass sie alles, was sie wisse vor Gericht auch sagen müsse. Daraufhin räumte Juliane W. ein, dass sie am gleichen Tag auch in der Wohnung von Beate Zschäpe gewesen sei, hatte daran aber hierzu ebenso große Erinnerungslücken wie zur Mundlos-Wohnung.

Sie erinnere sich nur noch daran, so W. vor dem OLG München, mit einer blauen Mülltüte aus der Wohnung gekommen zu sein. Da sei wahrscheinlich Kleidung drin gewesen, räumte sie ein, doch wer ihr dafür den Auftrag gegeben habe und woher sie den Schlüssel hatte, konnte sie nicht mehr sagen.

27.03.2014 = Der 99. Verhandlungstag

An Tag 99. war der Mann als Zeuge geladen, der den Chef des Thüringer Heimatschutzes, Tino Brandt, als "Quelle" führte. Brandt stieg seinerzeit rasant auf in der rechten Thüringer Szene. Mit Billigung des Verfassungschutzes, wie sich vor dem OLG München herausstellte, denn der Verfassungschutz (also der Staat) stattete den Heimatschutz in Persona Tino Brandt mit so viel Geld aus, dass dieser die rechtsradikale Szene nähren und ausbauen konnte, statt ihr Treiben zu verhindern.

Weshalb geschah das alles? Der Zeuge vom Verfassungsschutz gab zu, man habe Brandt "mit Geld verführt" um ihn in der Szene "glaubwürdig" zu machen - was immer das bedeuten mag. Bis zu 400 Euro pro Woche habe er erhalten plus "Prämien", zum Beispiel, wenn Brandt aktiv an Aufmärschen für Rudolf Heß mitgewirkt habe. Der Vorsitzende Richter fragte an, ob die denn nicht hätten verhindert werden sollten. "Doch, aber wir wollten da ganz nah dran sein." 

Geklappt hat das bekanntlich nicht, denn auch die "Topquelle" Brandt konnnte oder wollte nicht den entscheidenden Hinweis auf das Versteck der drei verschwundenen Neonazis geben. Aber nicht nur der Plan des Thüringer Verfassungsschutzes ging nicht auf, auch wo das Geld blieb, ist bis heute nicht geklärt.

01.04.2014 = Der 100. Verhandlungstag

Was wußte die rechte Szene tatsächlich über die drei Untergetauchten Uwe Mundlos, Beate Zschäpe und Uwe Böhnhardt? - Geklärt ist diese Frage auch nach 100 Tagen vor dem OLG München nicht. Aber an Tag 100 wurde erneut klar: In jenem Milieu, in dem die mörderischen Pläne der Hauptangeklagten und ihrer Helfer entstanden, gibt es einen starkenZusammenhalt - Gleichgesinnte können sich aufeinander verlassen in Bezug auf die beschworene Kameradschaft. Wenn es im Zeugenstand hart auf hart kam, herrschen angeblichen Gedächtnislücken vor und es gibt Versicherungen, man habe "damals" nicht begriffen, worum es ging und man hätte sich längst aus der Szene gelöst.

Am 100. Verhgandlungstag hieß er Zeuge Thomas R. und enstammte wieder einmal der rechten Szene. Gekonnt ahnungslos bis latent frech trat er vor Richter Götzl auf.  Sein Beruf? Antwort: "Nix". Wohnten Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos einmal bei ihm, will Götzl wissen. Die Antwort: "Möglich, weiß ich nicht mehr so genau". Warm das, fragt der Richter. "Bei mir kamen damals öfter mal Leute zum pennen." 

Wie lange lebten siein R.s Wohnung? "Kann sein zwei, drei Wochen. Was soll ich da erzählen?" Hat er sie gekannt. "Nee." Was habe man die drei Wochen lang gemacht, möchte Martrin Götzl wissen? "Computerspiele, DVDs angesehen. Wir haben uns gut verstanden." Inwiefern? "Gemeinsame Interessen." Welche Interessen waren das, hakt Götzl nach. "Computerspiele und Fahrradfahren."

Nach 100 Verhandlungstagen scheint eine gewisse Routine eingekehrt zu sein in den "NSU"-Prozess, vor allem dann, wenn Zeugen der rechte Szene aussagen sollen: Es gibt viele Fragen, aber nur wenige Antworten.

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http://mediathek.tagsucht.de/?tag=nsu-prozess

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