Jede Stadt hat ihre Geheimnisse, Geschichten hinter den Geschichten, die unbekannten Talente hinter bekannten Gesichtern - auch in Jena ist dies nicht anders.
Ein solcher Mensch ist Rainer Sauer, der seit bald zwei Jahrzehnten in der Lichstadt lebt und beruflich bei der Stadt Jena mit dem heiklen Thema der Erhebung von Beiträgen für den Straßenbau zu tun hat. So kennen ihn Bürger aus vielen Informationsveranstaltungen der Stadtverwaltung, Stadtratsmitglieder aus den Ausschusssitzungen zum Thema, Radiohörer aus der Sendung "Stadtrat Live". Aber abseits seiner beruflichen Wege ist sein Name ganz anderen Menschen wohlbekannt, die diesen aber überhaupt nicht mit Beitragserhebung und ähnlichen Dingen verbinden. Sauer ist nämlich in Radio- wie Musikkreisen über die Jahrzehnte so etwas wie eine Legende geworden.
In den Achtziger Jahren war Rainer Sauer Moderator der, inzwischen von Rundfunkhörern zu Kult-Status erhobenen, hr 3-Sendung "Sounds vom Synthesizer", machte u. a. Reinhard Lakomy im Westen als Elektronik-Musiker bekannt (der ihm ein Kapitel seiner Biografie "Es war doch nicht das letzte Mal" widmete), entdeckte in seinem Nachwuchswettbewerb "Neue Leute braucht das Land" die Band Camouflage ("Love is a shield") und interviewte Stars wie Mike Oldfield, die Musiker von Kraftwerk oder Jean Michel Jarre. Sauer erzählt wie es dazu kam: "1979 gründete ich die Synthesizer-Rockband Velvet Universe und veröffentlichte mehrere Schallplatten, die vor allem im Großbritannien, Italien und den USA erfolgreich waren, arbeitete zudem für verschiedene Musikmagazine als Redakteur. Das war dann schon hilfreich, als der Hessische Rundfunk 1984 einen Moderator für eine Sendung über Synthesizermusik suchte. Nach einer Probesendung bekam ich den Job. Dass diese Sendung dann bei hr 3 'Top Time' weniger elitäre elektronische Musik á la Karlheinz Stockhausen, Edgar Varese und Pierre Schaeffer und mehr elektronische Trend- und Tanzmusik enthielt, war angesichts der Achtziger Jahre mit Synthi-Pop und Elektro-Wave zwar logisch, wurde aber ein damals nicht leichter Kampf mit meinem Redakteur Jörg Eckrich, der allerdings am Ende zum Erfolg der Sendung führte. Dass die "Sounds vom Synthesizer" dann ein wenig mithalfen, am Ende der Achtziger Jahre im Rhein-Main-Gebiet die Techno-Musikszene anzuschieben, war eher Zufall als Planung. Aber es freut einen schon, dass Leute wie Sven Väth, Jam & Spoon oder Snap! später berichtet haben, dass sie meine Sendung regelmäßig gehört haben und u. a. durch meine Serie 'We are Producers' Lust bekamen, ihre eigenen Sachen zu machen." Auch heute noch werden seine alten Sendungen zur Freude der Fans wiederholt und erfreuen sich großer Beliebtheit. "Es ist eben ein authentisches Bild der Zeitgeschichte, das so nie wieder vorkommen wird, mit Interviewgästen, die man so heute gar nicht mehr hören kann." Durch den Briefkontakt mit Synthesizer-Musikfans aus der damaligen DDR erfuhr Sauer vieles Interessante, besuchte nach der Wende Thüringen und verfiel dem Charme Jenas.
Seit 1991 lebt Sauer nun in der Lichtstadt und widmet sich in seiner Freizeit weiterhin den kulturellen Dingen. So gründete er den Förderverein der "Alfred-Brehm-Schule" in Lobeda, dessen Vorsitzender er seit mehr als zehn Jahren ist, war lange im Vorstand des Offenen Hörfunkkanals Jena, macht weiterhin Radiosendungen und Interviews (jüngst mit Ulla Meinecke oder Erich von Däniken), stand mehrfach zusammen mit Heinz Rudolf Kunze auf der Bühne, ist Autor der "Rocklegende", gewann mehrere Hörfunkpreise für das Dokumentarhörspiel "9. November 1989" und macht in unregelmäßigen Abständen literarisches Kabarett, das er mit eigenen Elektromusikklängen mixt, in die er seine Anekdoten und skurrilen Texte einbaut. "Hanns Dieter Hüsch war als Kabarettist mein großes Vorbild und ich stand auch zu seinen Lebzeiten in Kontakt mit ihm. Leider ist er 2005 verstorben, aber ich habe die große Ehre, für seine Witwe Chris Rasche-Hüsch, dessen Internetseite www.hüsch.org betreiben zu dürfen", verrät Sauer im Gespräch.
Literarisches Kabarett mit Elektromusikklängen ist es dann auch, das Sauer 2011 Monat für Monat in Jena live präsentieren wird. "Was hier an elektronischen Kangwelten zu Gehör gebracht wird, ist allein schon den Konzertbesuch wert", empfiehlt KultMünchen und schreibt weiter über ihn: "Sauer lässt die goldenen Zeiten von Tangerine Dream, Brian Eno und Jean Michel Jarre wieder aufleben, bringt Sounderlebnisse zurück, die fast schon verloren schienen, und serviert dazu literarische Kabarett-Texte." Die Offenbach Post wiederum spannt der Bogen hin zu seinem Idol und schreibt: "Wie soll man das, was Rainer Sauer bei seinen Live-Auftritten macht, beschreiben? Vielleicht so: 21st Century Hanns Dieter Hüsch."
Aufgetreten ist er in den vergangenen Jahren schon oft, jedoch meist außerhalb der Saalestadt. "Einer meiner schönsten Auftritte war in Schloß Pillnitz", erinnert sich der 52-jährige Wahl-Jenaer. "Aber nun ist es Zeit, auch wieder in Jena präsent zu sein. Das letzte Mal war 2006 in der Aula der FSU am Abend der Napoleon-Schlacht zusammen mit Heinz Rudolf Kunze, der meine Texte laß." Mit Kunze verbindet ihn darüber hinaus mehr, als man allgemein denkt. Der Grund ist eine Frau: Konfliktmanagerin Gabriele Krause, die bis 2003 bei Radio Jena gemeinsam mit Rainer Sauer an verschiedensten Projekten arbeitete, heißt inzwischen Gabriele Kunze und ist die zweite Ehefrau des Deutsch-Rockers ("Dein ist mein ganzes Herz").
Was erwartet die Jenaer im nächsten Jahr bei Sauers Gastspielen? "Zum einen literarische Kabarett-Texte, wahre und erfundene Geschichten über den Irrwitz unserer Welt, aus dem Zusammenleben der Menschen, vielleicht auch aus unserer Stadt. Und natürlich Elektromusik, angefangen bei Klangfilmen, die mehr aus Improvisation statt Komposition bestehen, über Musik, wie man sie von Klaus Schulze oder den Electronics-Zeiten von Reinhard Lakomy und Pond her kennt, bis hin zu aktuellen Soundsets der 2000er-Jahre. Ich habe sowohl alte analoge ARP- und ROLAND-Synthesizer und ein Mellotron dabei, und neue, digitale Soundmaschinen von KURZWEIL und SYNCLAVIER bis hin zu Sachen, die aktuell von KRAFTWERK für Liveauftritte genutzt werden. Glanzstück ist mein MOOG Modularsystem, das ich mit einem Beamer auf Leinwand übertrage, damit alle sehen können was man mit so einem Gerät alles machen kann."
Ende Januar geht es los und Elektromusikfans dürften bei Sauers Programm "Switched-On Kabarett" ebenso nicht zu kurz kommen, wie Kabarettfreunde. Wenn alles klappt wird Rainer Sauer dann jeden Monat ein Mal mit unterschiedlichen Gästen in Jena auftreten, an den verschiedensten Orten, wie er sagt, und mit jeweils überarbeitetem Programm, damit jeder Abend ein neues Erlebnis wird. - Man darf gespannt sein.
Die Infos zu "Switched-On Kabarett" gibt es HIER.
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