In der Schule kennt man ja das "Sitzenbleiben", das Wiederholen einer Klasse, das "Nachsitzen": gerade zum Schuljahresende wieder hochaktuell. Und nun kennen es auch die Koalitionäre im Jenaer Stadtrat, also: SPD, CDU und Bündnis 90/Grüne. Nachsitzen dürfen sie nämlich schon heute Abend (wie alle anderen Stadtratsmitglieder), da die gestrige Sitzung des Stadtrates in ihre Verlängerung geht. Sitzen geblieben ist die Koalition aber auf ihrem Projekt "Hausbergviertel" - jedenfalls fürs erste.
Dass ein Stadtratsbeschluss, der keine Mehrheit findet, erst nach einem halben Jahr wieder eingebracht werden kann, dass wusste auch der Obebürgermeister am gestrigen Abend. Also schlug er zunächst vor, seine Beschlussvorlage zum "Hausbergviertel" wieder von der Tagesordnung zu nehmen, nachdem es im Stadtrat eine Mehrheit für den Änderungsantrag der FDP-Fraktion gegeben hatte, die Vorzugsvariante der Stadtverwaltung (= zweistreifiger Ausbau des "Burgwegs") zu stoppen und statt dessen das Erdbebeninstitut durch den Bau einer neuen Straße ("Margaretenweg") zu einer Insel werden zu lassen. Auch der FDP-Antrag, neue Dachformen und -höhen zuzulassen wurde mehrheitlich angenommen, wobei es Stimmen der CDU-Fraktion waren, die beide Änderungsanträge erfolgreich unterstützten.
Vorab hatte man lange darum gestritten, ob es Sinn macht (wie von einer Bürgerinitiative gefordert) den "Margaretenweg" zu bauen. Dafür sprach die verkehrliche Entlastung für das Viertel. Dagegen, neben straßenbautechnischen Gründen, auch die Situation, dass sich in einem solchen Falle bislang ahnungslose Grundstückseigentümer, z. B. solche an der "Hausbergstraße", nach den Regelungen des Baugesetzbuches mit 90 % an den Straßenneubaukosten zu beteiligen hätten. Für Privatleute könnten, wie Beispiele in Thüringen gezeigt haben, so schnell bis zu 50.000 Euro zusammen kommen. Wer da zukünftig keine BI gegen den Bau des "Margaretenweges" gründet, wäre selber schuld.
Faktum ist nun, nachdem die Vorlage vom Stadtrat nicht von der Tagesordnung genommen wurde und sodann keine Mehrheit für den B-Plan "Hausbergviertel" zustande kam, dass das Ganze Projekt (inkl. der Entwicklung des neuen Baugebietes) mindestens bis zum Jahresende auf Eis liegen wird. Mit unabsehbaren Folgen für die Anlieger, die nun einen vermeintlichen Erfolg für sich verbuchen. Denn letzte Woche erst hatten der städtische EIgenbetrieb KIJ und die Firma Wohnbaukonzept Gierke im Stadtentwicklungsausschuss bekannt gegeben, dass sie sich an der Senkung der Anliegergebühren beteiligen wollten, wenn der Stadtrat die Auslegung der Änderungen im B-Plan beschließt. Eine solche Kostensenkung steht nun wohl kaum noch auf der Agenda.
Fazit: Wer nun wen gestern Abend in die Knie gerungen hat, steht noch nicht fest. Klar dürfte aber sein, dass ein Straßenneubau (mit seinen 90% Anliegerbeteiligung nach dem Baugesetzbuch) allemal mehr Kosten für Grundstückseigentümer verursachen würde, als eine grundhafte Erneuerung (mit nur 50% Kostenbeteiligung für die Anlieger nach dem neuen Landesgesetz). Außerdem muss der "Burgweg", wenn auch nur einstreifig, trotzdem beitragspflichtig ausgebaut werden. Und es gibt möglicherweise keine "Sponsorengelder" von Dritten. Wer also nun zu früh jubelt, den bestraft möglicherweise später das Leben. Da war es nur verständlich, dass der Oberbürgermeister erklärte, solcherart geändert mache die komplette Änderung des B-Planes "Hausbergviertel" keinen Sinn mehr. Deshalb fand sich am Ende auch keine Mehrheit für die Vorlage.
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