Mittwoch, 11. Juli 2012

"Die V-Affäre XVI": Der dritte oberste Verfassungsschützer muss seinen Hut nehmen - Auch Sachsens Behördenchef wurde entlassen!

(lsn) - Die Affäre um den Verfassungsschutzin der Bundesrepublik im Zusammenhang mit der rechten Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" / "NSU" - sie sog. "V-Affäre" - weitet sich täglich aus. Nachdem in der vorletzten Woche Heinz Fromm, der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, auf eigenen Wunsch durch Innenminister Hans-Peter Friedrich in den Ruhestand versetzt worden war und vergangene Woche mit Thomas Sippel der Präsident des Thüringer Verfassungsschutzes in den einstweiligen Ruhestand versetzt wurde, traf es heute den Leiter des sächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz, Reinhard Boos. Boos habe Sachsens Innenminister Markus Ulbig im seine Versetzung gebeten, wie Ulbig heute im Sächsischen Landtag bekannt gab.

Während Fromm über eine Aktenvernichtungsaktion im eigenen Hause stolperte und sich für nicht verfolgte Hinweise des italienische Staatsschutzes "AISI" über die (Zitat) "...Existenz eines Netzwerks militanter Neonazis" im Zusammenhang mit dem in Haft sitzenden "NSU"-Unterstützer Ralf Wohlleben verantworten musste, traf es seinen Thüringer Kollegen Sippel nach monatelanger massiver Kritik zur Nicht-Aufdeckung der Neonazi-Terrorzelle, nachdem Thüringens Innenministers Jörg Geibert erklärt hatte, dass "der Verfassungsschutzpräsident nicht mehr das Vertrauen des Parlaments" habe. Ob auch der kürzlich erfolgte Rücktritt "aus persönlichen Gründen" von Nordrhein-Westfalens Verfassungsschutz-Chefin Mathilde Koller etwas mit der "V-Affäre" zu tun hat, ist nicht bekannt. Spekuliert wird laut dem Magazin FOCUS, Koller sei wegen Unstimmigkeiten mit NRW-Innenstaatssekretär Krüger gegangen.

In Sachsen war es, so Innenminister Ulbig, das "eklatante Fehlverhalten einzelner Mitarbeiter des sächsischen Verfassungsschutzes", das den Leiter des sächsischen Landesamtes  zu Fall brachte. Nach Ulbigs Worten seien erst jetzt Protokolle einer Telefonüberwachung zu den untergetauchten Neonazis Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe von Ende 1998 aufgetaucht. Bislang hatte der Minister beteuert, dass Sachsen alle Dokumente veröffentlicht habe. Was genau in den Protokollen festgehalten wurde, ließ Ulbig allerdings offen. Es sei für ihn jedoch unglaublich gewesen, so der Innenminister, dass im Landesamt noch weitere Protokolle dieser Überwachung existierten.

Gegen Mitarbeiter des sächsischen Verfassungsschutzes seien, so Ulbig heute vor dem sächsischen Landtag, unverzüglich disziplinarische Schritte eingeleitet worden. Boos bedaure diesen Vorfall zutiefst und sei tief enttäuscht, berichtete der Minister. Der Behördenleiter habe ihm daraufhin erklärt, unter diesen Umständen könne er das Amt nicht mehr mit dem gebotenen Vertrauen weiter führen.

Mehrere sächsische Oppositionspolitiker halten allerdings diese Begründung des Minsters für (Zitat) "zu schwach" um alleine die sofortige Entlassung des Leiters des sächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz zu erklären. Es müsse wohl noch andere Gründe gegeben haben, die der Öffentlichkeit erst zukünftig bekannt werden würden, sagte eine Landtagsabgeordnete der Linkspartei. Im Zusammenhang mit der heutigen Entlassung war sogar von einem "Bauernopfer Ulbigs" die Rede.

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