Dienstag, 2. Juli 2013

"NSU" - Der Prozess # 18: Am 17. Prozesstag wurden Zschäpe-Ermittler als Zeugen gehört - "Sie sprach über den Freitod und ihre Katzen"



(tim schwarz) - Dienstag, der 02.07.2013, der 17. Tag im "NSU"-Prozess vor dem Oberlandesgericht München, war geprägt von Aussagen mehrerer, mit dem Fall befasster, Kriminalbeamten.

Zunächst wurde ein Zwickauer Polizist als Zeuge befragt, der für die ersten Ermittlungen zuständig war, nachdem die Hauptangeklagte Beate Zschäpe sich am 08.11.2011 in Jena der Polizei gestellt hatte. Außerdem wurde ein Beamter des Bundeskriminalamts als Zeuge gehört, der Zschäpe zum Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof begleitet hatte. Er gab Auskunft darüber, welche Bemerkungen Beate Zschäpe dabei über ihr Leben im Untergrund gemacht haben soll.

Der Polizist P. von der Kriminalpolizei der Polizeidirektion Zwickau überreichte zu Anfang seine Aussagegenehmigung an Richter Manfred Götzl, der diese vortrug. Demnach gilt sie nicht für Angaben zu Zeugenschutzprogrammen und zu verdeckten Ermittlern.

P. erzählt anschließend, wie sich Beate Zschäpe am Dienstag, den 08.11.2011, bei der Polizei in Jena gestellt hatte. Nach der erkennungsdienstlichen Behandlung wurde sie dann nach Zwickau überführt und wurde anschließend von P. vernommen. Gegen 18 Uhr sei sie am 08.11 in Zwickau eingetroffen, eine viertel Stunde später habe die Vernehmung begonnen. Doch die Hauptangeklagte im "NSU"-Prozess habe nach der Belehrung ihrer Rechte erklärt, dass sie keine Angaben machen möchte.

Allerdings konnte führte P. mit Zschäpe in seinem Dienstzimmer ein kurzes Gespräch führen, über das er später einen Vermerk in den Akten anfertigt hatte. "Eine Unterhaltung, kein Verhör", wie er betonte. Offensichtlich hatte Zschäpe um Zigaretten gebeten und auch geraucht. Danach habe sie ihm gegenüber erklärt, es sei ihr unangenehm, in der von der Polizei gestellten Kleidung - einem Sportanzug - aufzutreten.


Obwohl der Polizist sie darauf aufmerksam machte, dass er über das Gespräch später einen Vermerk schreiben würde, kam es zu einem "lockeren Gespräch", wie es der Beamte vor Gericht ausdrückte. Zschäpe habe ihm gesagt, dass die beiden verstorbenen Mundlos und Böhnhardt "ihre Familie" gewesen seien. Sie habe eine engere Beziehung zu ihrer Großmutter als zu ihrer Mutter gehabt, bis "die Uwes" in ihr Leben getreten seien, die daraufhin zu ihrer Familie wurden. Sich selbst bezeichnete Beate Zschäpe, so der Beamtem, als "Oma-Kind" und bedauerte es, dass sie nicht noch ihre Großmutter besucht habe.

Richter Götzl fragte P. auch danach, ob es noch etwas gegeben habe, was er nicht schriftlich vermerkt hat. P. benannte daraufhin den folgenden Dialog: Er habe Zschäpe gefragt, ob noch eine Straftat zu verhindern sei, die geplant worden wäre? Nein, habe Zschäpe ihm geantwortet. Götzl wollte daraufhin den Grund für die Frage der Zwickauer Kripo wissen und fragte auch nach, ob Zschäpe auf die Frage gesagt habe, sie wisse es nicht, oder ob sie tatsächlich mit "Nein" geantwortet habe.

P. erklärte daraufhin, die Polizei habe sicherstellen wollen, dass nicht noch irgendwo ein Brandsatz "hoch geht". Zschäpe habe auf seine Frage mit einem "Nein" geantwortet, sagte er. Im Dienstzimmer von P. war neben ihm eine weitere Kollegin anwesend, es wurde geraucht und "etwas zu essen gereicht", sagt er dann und fügte an: "Man hat ihr schon angemerkt, dass sie ein paar Tage unterwegs war und dass sie rkannt hatte, dass die Sache nun vorbei ist".

Auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters sagte der Polizist, Beate Zschäpe habe auf ihn gestresst gewirkt. Außerdem habe sie ihm gegenüber angemerkt, dass sie "heute das erste Mal seit Jahren wieder mit ihm richtigen Namen unterschrieben habe". Im Münchner Gerichtssaal sitzt Zschäpe während der Aussage des Beamten regungslos und mit verschränkten Armen auf ihrem Stuhl, blickt dabei an die Wand und zeigt keine Regung.

Im dem Aktenvermerk, hatte P. auch von Suizidabsichten Zschäpes berichtet. Im Zeugenstand erklärte er hierzu, dass die Hauptangeklagte erwähnt habe, dass sie in den letzten Tagen vor ihrer Festnahme mehrfach den Gedanken gehegt habe, sich das Leben zu nehmen. Doch habe sie, so Zschäpe zu P., nicht "die Kraft dazu gefunden". Der Polizist gab weiter an, dass Beate Zschäpe gesagt habe, die "beiden Uwes hätten ein gutes Zuhause gehabt". Der Polizist sagte zudem aus, dass Beate Zschäpe im Gespräch gesagt hätte, sie sei von den Uwes "zu nichts gezwungen worden", habe sozusagen freiwillig mit ihnen zusammen gelebt.

Kurz danach korrigiert sich der Beamte, nachdem er in sein Notizbuch gesehen hatte, und sagt, Zschäpe hätte erklärt, sie sei "nie" zu etwas gezwungen worden. Als er nachgehakt habe, hätte sich Beate Zschäpe aber wohl wieder daran erinnert, dass sie nicht aussagen wollte und ihm gegenüber dazu nichts weiter erzählt.

Auch ihre beiden Katzen wären "mehrfach", so P. zu Götzl, ein Thema im Gespräch gewesen. So habe Beate Zschäpe wissen wollen, wie es ihren Katzen gehe. "Ich sagte, die Tiere seien am Leben und in einem Tierheim untergebracht", habe er ihr gegenüber erklärt und sie sei erleichtert gewesen, denn, so habe Zschäpe ihm berichtet, sie habe "die Katzen nämlich noch nach unten gebracht", damit den Tieren nichts passiere.

Hier schaltete sich Zschäpes Verteidiger Wolfgang Heer ein und monierte, dass der Polizist nicht deutlich genug mache, an was er sich heute erinnere und was er damals aufschrieb. "Bitte machen Sie dem Zeugen klar, dass er unterscheiden möge zwischen heutiger Erinnerung und dem Vermerk", forderte Heer Richter Götzl auf.

Bundesanwalt Herbert Diemer meldete sich daraufhin zu Wort und sagte zu Götzl: "Ich bitte Sie, Herrn Rechtsanwalt Heer zu verbieten zu reden". Er habe nicht das Wort, jetzt müsse die Befragung fortgesetzt werden. Daraufin fing Zschäpe-Anwältin Anja Sturm an, in das Wortgefecht einzusteigen, worauf Götzl sie maßregelte und sagte: "Sie sind jetzt nicht dran". Als Sturm protestierte, unterbrach er die Sitzung für zehn Minuten. Danach begann die Befragung durch die Anwälte der Nebenkläger.

Anwältin Gül Pinar (= vertritt die Familie des Hamburger NSU-Opfers Süleyman Tasköprü) möchte von P. wissen, welche Kollegin im Zimmer bei der Vernehmung von Beate Zschäpe mit anwesend war. P. antwortete ihr, dies sei eine Kollegin der Kriminalpolizei Baden-Württemberg gewesen, für den Fall, dass Beate Zschäpe eine Aussage zum Polizistenmord von Heilbronn gemacht hätte. Fragen anderer Anwälte zielten auf das Verhalten des Polizisten ab, der zwar eine Unterhaltung mit Zschäpe führte, aber möglicherweise nicht tief genug nachfragte, obwohl Zschäpe damals offenbar gesprächig war. Auch die Rolle der Polizistin bei der Vernehmung wurde weiter hinterfragt.

Rechtsanwalt Stephan Lucas (= einer der Anwälte der Angehörigen des ermordeten Enver Simsek) fragt nach den beiden Katzen. Weshalb hat Zschäpe sie aus der Wohnung entfernt, fragt er den Zeugen, doch der kann hierzu keine Angaben machen. Dann kommen die Anwälte der Angeklagten zu Wort. Wolfgang Heer fragt danach, ob Zschäpe eine Frage an die baden-württembergische Kollegin gerichtet hat. Ja, sagt P., sie habe die schwäbelnde Kollegin gefragt, "woher sie komme und was sie hier mache".

Anschließend wollte Heer vom Polizeibeamten wissen, ob man seiner Mandantin die Gelegenheit gegeben habe, vor der Vernehmung zu duschen odersich zu  waschen. P. sagte, dass es dass nich wisse, ebenso, ob sie nach Tagen rastloser Bahnfahrt durch Deutschland schlafen konnte, bevor sie vernommen wurde. Es entspannt sich dann ein kurzer Schlagabtausch zwischen Heer und Staatsanwalt Jochen Weingarten. Grund: Der Verteidiger fragte den Polizisten, ob der wisse, welche Rechte ein Beschuldigter im Strafverfahren habe. Weingarten konterte, dass es "nicht um die Examinierung des Zeugen" gehen würde. Götzl unterbracht daraufhin die Sitzung für zehn Minuten.

Danach wiederholte Heer seine Frage an P.: "Kennen Sie die Rechte der Beschuldigten?", will er wissen. P. schildert ihm die Rechte. Dann wollte Heer wissen, weshalb die Beamten mit Beate Zschäpe ihr gesprochen hatten, obwohl diese keine Angaben machen wollte. Der Beamte sagt, das Gespräch habe sich "so ergeben". Anwältin Anja Sturm fragte dann nach, ob Zschäpe ihre Einverständniserklärung zur Abgabe einer Speichelprobe abgegeben habe und P. bejahte dies. Weitere Fragen hatten Zschäpes Anwälte nicht, ebenso die Anwälte der anderen Angeklagten.

In der Folge befragte der vom Gericht für die Angeklagte bestellte Sachverständige Professor Dr. Henning Saß den zeugen und will wissen, wie wach Zschäpe bei der Vernehmung auf P. wirkte. "Sie war übernächtigt und wirkte gestresst", antwortete P. ihm, fügte aber an, sie wäre nicht schläfrig oder unkonzentriert gewesen, nur "etwas hibbelig". "Gab es Tränen oder ein zitternde Stimme?", fragte Saß nach, doch daran konnte sich der Kripo-Beamte nicht erinnern. Eine Unterscheidung zwischen den beiden Uwes habe es nicht gegeben im Gespräch, sagte der Polizist auf Rückfrage, doch der Tod der beiden sei durchaus thematisiert worden, als Zschäpe berichtet habe, dass sie die Mütter der beiden telefonisch benachrichtigt hatte.

Danach sollte der Zeuge entlassen werden. Aber Rechtsanwältin Pinar stellte den Antrtag, dass der Polizist P. sein Notizbuch zur Verfügung stellen soll. Dagegen stellt Anwalt Heer den Antrag, die Ausagen des Zeugen "nicht zu verwerten", da Götzl dem Zeugen nicht klar gemacht habe, dass er unterscheiden möge zwischen heutiger Erinnerung und dem Vermerk vom November 2011. Götzl nahm dies zur Kenntnis und rief dann den nächsten Zeugen auf. Es handelte sich um den BKA-Kriminalpolizeibeamten L., der Beate Zschäpe zwei Mal begleitet hatte.

Das erste Mal, so sagte er, war dies am 13.11.2011 beim Transport von Zschäpes JVA nach Karlsruhe zur Vorführung beim Bundesgerichtshof gewesen, als Zschäpe der erweiterte Haftbefehl verkündet worden ist. L. fragte sie dabei, ob sie weiter Suizidabsichten hege, doch Beate Zschäpe habe dies verneint. Er habe der Angeklagten, sagte L. aus, klar gemacht habe, dass alles, was sie sage, später in den Akten stehen würde und sie habe genickt. Nach der Landung auf dem Flughafen Baden-Baden habe eine etwa 20 Minuten lange Fahrt angestanden, bei der beide miteinander reden konnten; im Hubschrauber zuvor sei es hierzu zu laut gewesen.

Während dieses Gespräches sei der Satz gefallen: "Ich habe mich nicht gestellt, damit ich nicht aussagen werde": Zschäpe habe jedoch auf seine Frage, ob sie sich einen so genannten "Szene"-Anwalt aussuchen würde, geäußert, einen solchen wollte sie nicht haben. Wie es ihr derzeit gehen würde, wollte L. von Beate Zschäpe wissen und sie habe ihm geantwortet, ihr, Zschäpe, sei klar gewesen, dass "wir Drei" irgendwann auffliegen würden. Jetzt sei das passiert und nun könne sie ruhiger schlafen.

L. weiter: Zschäpe habe auch betont, dass sie Katzenliebhaberin sei. Auch einen Hund hätte sie gerne gehabt, aber das hätte in Sachsen Hundesteuer gekostet und das wäre ihnen zu gefährlich gewesen. "Ich dachte mir, das sind ja weit fortgeschrittene Gedanken zum Leben im Untergrund", sagte der BKA-Mann. Dann habe sich Zschäpe über den geplanten Freitod der "beiden Uwes", wie sie sie genannt habe, geäußert, sagte L. zu Götzl. Es sei abgemacht gewesen, dass die beiden sich nie festnehmen lassen wollten. Danach sei man angekommen und anschließend wäre Zschäpe dem Richter vorgeführt worden.

Dorthabe die Angeklagte keine Aussage machen wollen, doch habe sic sich alles angehört, was man ihr vorwarf. "Sie bezeichnete sich selbst als Faktenmensch", sagte L. zum Vorsitzenden Richter. Als der Haftrichter ihr alle zehn Mordtaten vorlgelesen habe, hätte er, L., sie intensiv angeschaut, wie er sagte. Aber Überraschung oder Aufregung sei bei Zschäpe nicht festzustellen gewesen. Eher habe sie sich damals alles emotionslos angehört, auch die Berichte zum Tod von Böhnhardt und Mundlos. "Keine Tränen, sie hat nicht einmal geschluckt", so der BKA-Beamte über diesen Moment.

Das zweite Treffen mit der Angeklagten habe am 26.11.2011 in der JVA stattgefunden. Zschäpe habe von ihm wissen wollen, wie ihre beiden Katzen untergebracht worden sind, sagte L. zu Götzl. Außerdem habe sie darauf bestanden, ihre Brille, die bei ihrer Festnahme konfisziert worden war, zurück zu bekommen. L. habe ihr dann Fragen bezüglich der Katzen gestellt, die Zschäpe aber nicht beantwortet habe, weil sich sich dann zu dem Feuer im Haus in Zwickau äußern müsste, was sie aber nciht wolle, wie sie gesagt hätte.

Es habe dann noch ein wenig "small talk" gegeben, wie L. aussagte, Beate Zschäpe habe sich bei hm über die kalte Zelle beklagt, aber angefügt, sie würde ansonsten gut behandelt und hätte einen Fernseher beantragt. Immer, wenn er sie konkret nach den Tatvorwürfen befragt habe, hätte Zschäpe das Gespräch verweigert und nur noch gelächelt, sagte L. Wann sie das gespräch nicht abgeblockthabe, wollte Richter Götzl dann vom zeugen wissen.

Dies sei bei familiären oder persönlichen Zusammenhängen gewesen, sagte er. So habe die Angeklagte ihm erzählt, dass sie über das Telefonbuch und das Internet herausgefunden habe, wo ihre Mutter und Großmutter wohnten. Der BKA-Beamte sagte dann aus, dass Zschäpe während der Gespräche mit ihm ruhig und interessiert war und nicht mehr unter dem Eindruck der Flucht stand. Der Bundesrichter am BGH habe ihr zudem das Angebot gemacht, von der Kronzeugenregelung Gebrauch zu machen und so einen Strafnachlass zu erhalten, sofern sie umfassend zur Aufklärung der Taten beitragen würde, doch Beate Zschäpe habe dies abgelehnt., so der BKA-Beamte.

Um 16 Uhr 30 unterbrach der Vorsitzende Richter dann die Vernehmung des Zeugen und erklärte, dass er sie am morgigen Mittwoch, den 03.07.2013 um 13 Uhr 30 fortsetzen will. Die Verhandlung selbst beginnt jedoch bereits um 9 Uhr 30.

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