Dienstag, 20. August 2013

"Die Struktur vergangener Sprachen entschlüsseln": Dr. Martin Joachim Kümmel ist neuer Professor für Indogermanistik an der FSU Jena


(lsn / fsu) - In die Vergangenheit der europäischen und vorderasiatischen Sprachen taucht Prof. Dr. Martin Joachim Kümmel von der Friedrich-Schiller-Universität Jena / FSU (Foto) tagtäglich ab. Kümmel ist jüngst zum neuen Lehrstuhlinhaber für Indogermanistik ernannt worden und beschäftigt sich mit historisch-vergleichender Sprachwissenschaft.

Dabei entwickelt der vielsprachige Wissenschaftler „detektivisches“ Gespür, um den Details der jahrtausendealten Sprachen, ihren Veränderungen und Verwandtschaften auf die Spur zu kommen. So hat der gebürtige Tübinger beispielsweise in seiner Habilitation, die er 2005 in Freiburg/Brsg. abschloss, die grundlegenden Tendenzen in den Lautveränderungen der Konsonanten in den indogermanischen und benachbarten Sprachen untersucht. „Das Ziel der Untersuchung war, eine Übersicht und Klassifikation der gesicherten Lautgesetze zu erarbeiten, die als Grundlage für die weitere Erforschung auch anderer Sprachgruppen dienen kann“, erläutert der musische Wissenschaftler. Dabei ist die indogermanische Sprachfamilie bereits recht umfangreich: Zu ihr gehören die meisten Sprachen Europas, des Irans sowie Nord- und Mittelindiens. Diese Sprachen gehen auf eine gemeinsame „Grundsprache“ zurück: das „Urindogermanische“, das vor 5.000 bis 7.000 Jahren gesprochen wurde.

„Durch Vergleich der einander in den Einzelsprachen entsprechenden Wortformen und anderen sprachlichen Erscheinungen lassen sich Aussagen über den grundsprachlichen Zustand gewinnen, mit deren Hilfe dann wiederum die Geschichte der Einzelsprachen besser verstanden werden kann“, erläutert Kümmel seine Leidenschaft, der er - auch auf Grund familiärer Prägung - bereits seit seiner Schulzeit frönt. „Durch die Rekonstruktion der Grundsprache erhalten wir auch einen Zugang zur Kultur ihrer Sprecher“, ordnet Kümmel, der bereits nach Jena umgezogen ist, seine Forschungen in den großen Zusammenhang ein.

Der 43-jährige Sprachwissenschaftler hat sich unter zwei Rufen bewusst für die Jenaer FSU entschieden, da hier der Lehrstuhl „gut aufgestellt und vernetzt“ ist und weil die Universität eine „positive Einstellung zu kleinen Fächern“ hat. Um das kleine, aber bedeutende Fach der Indogermanistik nicht nur einer kleinen Gruppe von Linguisten zu erschließen, setzt Prof. Kümmel auch auf moderne Technik. So arbeitet er an einem Online-Wörterbuch der indogermanischen Verben, ein weiteres Online-Projekt zum Lautwandel ist in Planung.

Eine urindoiranische Grammatik ist das aktuelle Projekt des Neu-Jenaers, der bereits in seiner 1999 abgeschlossenen Dissertation "Das Perfekt im Indoiranischen" analysiert hat. Kümmel untersucht darin die Entwicklung des indoiranischen „Perfekts“, das sprachhistorisch dem griechischen, teilweise auch dem lateinischen „Perfekt“ entspricht und formal dem germanischen „Präteritum“ gleicht. „Und es geht mit diesen auf eine entsprechende urindogermanische Bildung zurück“, betont der ausgezeichnete Indogermanist, der seinen Studierenden neben den notwendigen Fakten und Methoden vor allem Kritikfähigkeit vermitteln will. Denn nur permanentes Hinterfragen helfe beim Entschlüsseln des uralten Sprachpuzzles in der Indogermanistik.

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