Dienstag, 27. August 2013

"Günstiges Wohnbauland in Isserstedt (Teil 4)": Faktencheck zu naturschutzrechtlichen Dingen und der Erschließungsqualität des Baulands


(lsn / thomas hölke) - Das brachliegende, günstige Bauland in Jena-Isserstedt (wir berichteten) erhielt letzte Woche Besuch aus verschiedenen Himmelsrichtungen.

Während sich am Wochenende zwei "Sielmann Naturranger" von der "European Batnight" aus Jena in das Wäldchen an der Ortsverbindungsstraße nach Lützeroda begaben, um Flora und Fauna zu erkunden, machten am Mittwoch Vertreter eines bundesweit tätigen Bauerschließungsträgers aus Köln, die zu einer Tagung in Weimar weilten, auf Einladung der "Lichtstadt.News" einen Abstecher nach Isserstedt und schauten sich die Situation dort vor Ort an.


Der Grund für die Besuche sind die Bestrebungen der Stadt Jena, im September 2013 den seit zwanzig Jahren bestehenden, jedoch bis heute nicht umgesetzten Bebauungsplan "Am Krippendorfer Wege" aufzuheben sowie die massiven Proteste eines Grundstückseigentümer und der Immobilienfirma JENAPLUS / Arne Petrich hiergegen. Zusätzlich Zündstoff bekam die Angelegenheit, als die Stadt Jena vor einiger Zeit eine Warnung an potentielle Grundstückskäufer herausgab, dort keine "erschlossenen" Grundstücke zu erwerben, da es hierfür keine Baugenehmigungen geben würde.


Der Ansicht, dass es schwierig sein wird, hier Baugenehmigungen zu erlangen, waren auch die Erschließungsexperten aus Köln. Die Begutachtung des Geländes ergab nach deren Worten ein klares Bild: auf dem gesamten B-Plan Gelände ist ein massiver kleiner Wald entstanden, was bei einer Fällung der teilweise bis zu 16 Meter hohen Bäüme zu erheblichen und damit teuren Ausgleichsmaßnahmen an anderer Stelle führen würde, wie man uns mitteilte. Einer der Experten bezeichnete es sogar als fragwürdig, ob die zuständige Naturschutzbehörde heutzutage einer solch massiven Rodung des Terrains zustimmen darf, zumal sich direkt gegenüber ein ausgewiesenes Naturschutzgebiet erstreckt. Im Kölner Raum sowie im Ruhrgebiet wäre so etwas schwierig, sagte er.


Auf dem Gelände soll laut dem bestehenden B-Plan neben 21 zwei- und dreigeschossigen Ketten- und Einzelhäusern (sowie deren zugehörigen Stellplätzen und Erschließungsstraßen bzw. -wegen) auch eine etwa 8.000 qm große Sportanlage mit Sporthalle, Beherbergungseinrichtung und Tennisplätzen errichtet werden. Ohne Änderung des B-Plans könnten auf diesem Teil des Areals selbstverständlich keine Wohnhäuser gebaut werden, so die Kölner, also müsse man zusätzlich einen Investor finden, der die Sportanlagen zusammen mit der Beherbergungsienrichtung baut.


Eine Begehung des Geländes habe zudem ergeben, dass sich auf ihm Erdhügel von mehreren Metern Höhe befinden würden, die von den Grundstückskäufern vor dem Hausbau auf eigene Kosten erst einmal abgetragen werden müssten und anschließend zu entsorgen sind. "Erschlossen zu kaufen heißt nicht, dass der Baugrund auch flach zu sein hat", kommentierte einer der Experten aus Köln die Situation. Man kaufe ja schließlich Grund und Boden und sei deshalb als Käufer auch für alles verantwortlich, was sich darauf befinde. Überhaupt müsse geklärt werden, ob es dort kontaminierten Boden gibt. Nicht nur wegen der ungeklärten Erdablagerungen sondern auch aufgrund der Tatsache, dass sich dort - wie der Stadtratsbeschluss zur Aufhebung des B-Plans ausweise - zu DDR-Zeiten eine mehrere Tausend qm große Schweinemastanlage befunden hatte und der Boden deshalb erst einmal auf Schadstoffe und Güllereste zu untersuchen sei, bevor man ihn abtransportieren lassen kann. Wäre er belastet, dann könnten die Erdmassen nur noch auf einer Deponie abgelagert werden, sagte er.


Vor allem wegen des massiven Baumbewuchses und der Tatsache, dass es noch keinerlei innere Erschließung gibt und auch fast alle Komponenten der äußeren Erschließung noch anzulegen seien, halten es die Kölner Bauerschließungsträger für problematisch, dieses Gelände als "erschlossen" anzubieten, können aber verstehen, dass man es Käufern als "günstiges" Bauland anbiete, da auf die einzelnen Bauherren noch einiges an Kosten zukommen könnte (siehe hierzu unseren früheren Artikel zumThema).

Nach einer überschlägigen Berechnung kam einer der Experten auf Erschließungskosten von rund 50 bis 60 Euro pro qm Grundstücksfläche, wenn der Boden unbelastet sei. Ansonsten könne sich dieser Wert noch einmal um 20 bis 30 Euro pro qm erhöhen, sagte er den "Lichtstadt.News".


Die "Sielmann Naturranger" erzählten gestern von ihrem Besuch und von drei seltenen Tierarten, die sie bei ihrer Suche auf dem Areal entdeckt haben, darunter jedoch keine Fledermäuse. Allerdings seien dort im "Krippenwald" (wie sie das Wälchen getauft haben) schon mehrere Vogelarten heimisch geworden und es sei nicht auszuschließen, dass es Tiere vom Naturschutzgebiet bis an den "Krippenwald" geschafft haben und jetzt dort ihren Lebensraum hätten, berichteten die beiden erfahrenen Naturexperten. Beeindruckend seien die vielen Pflanzenarten, die sich dort entwickelt hätten, sagten sie uns (siehe die Fotos oben).

Beide Naturranger halten ein aktuelles naturschutzrechtliches Gutachten für überfällig und mahnen für den Fall, das dort gebaut werden sollte, eine Artenzählung in dem Wäldchen als unerlässlich an. Außerdem zeigten sie sich traurig darüber, dass der in den letzten zwei Jahrzehnten neu entstandene "Krippenwald" bald dem Bau von Häusern weichen soll.

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