Freitag, 10. Januar 2014

"Nicht immer auf den 'Schleichweg' setzen!": Über politische Ambitionen und vergessene Bürger in Jena-Nord


(lsn / nowak / otz) - Gerade beklagte sich Siegfried Ferge, parteiloser Ortsteilbürgermeister von Jena-Nord, wieder einmal öffentlich darüber, dass "sein" Ortsteil von der Stadtverwaltung nicht fair behandelt wird.

Es ging um einen Tunnel der Deutschen Bahn, der als matschiger Schleichweg in den Saalepark genutzt wird (Ferge in der OTZ: "Die Stadt sagt, das sei Sache der Bahn, das geht uns nichts an. Was heißt Bahn? Unsere Leute nutzen doch den Tunnel, wenn er nun schon mal da ist."), um nicht abgesenkte Bordsteinkanten, um die Verschiebung des Turnhallenbaus an der Montessori-Schule aufgrund von finanziellen Problemen und eine geplante Verlängerung der "Wiesenstraße" nach Norden, die noch immer nicht in Sicht sie, wie Ferge monierte.

Was er vergisst ist, dass ihm erstens, seit er die Fraktion "Bürger für Jena" verlassen hat (Anm.: der er einst angehörte, als er zum Ortsteilbürgermeister gewählt worden war) die politische Durchsetzungskraft im Stadtrat fehlt (die zum Beispiel ein Jens Thomas hat, der gerade erneut zum Fraktionsvorsitzenden der Partei Die Linke gewählt wurde und seinerzeit die Ortsteilbürgermeisterwahl nur knapp gegen Ferge verlor), andererseits, dass er als Ortsteilbürgermeister durchaus ein unglückliches "Händchen" im Umgang mit seinen Bürgern in Jena-Nord hat.

Da wäre zum Beispiel www.jenanord.de, die einst erfolgreiche Webseite des Ortsteilrates, die Ferge Anfang 2012 in seine Verantwortung geführt hatte und die seither - so die Meinung nicht weniger Bürger aus der Stadtteil - mit nicht aktuellen oder fehlenden Informationen unattraktiv vor sich hin dümpelt und in den letzten 20 Monaten nur etwa 1900 Klicks bekam: das sind drei Besucher pro Tag. Und da wären "die vergessenen Bürger" seines Stadtteils, denn auch die knapp 500 Menschen zwischen der Bahn und der Saale sind Einwohner von Jena-Nord. Aber sie und ihre Interessen werden im Ortsteilrat selten vertreten, bleiben sogar seit Jahren ausgeschlossen von der hauseigenen Postille "Nordlicht", wissen teilweise gar nicht, dass es diese Ortsteilzeitschrift gibt.

Anna W. zum Beispiel beschwert sich bitter über Ferge. Die gebürtige Bulgarin muss im Sommer aus ihrer Wohnung ausziehen, da die Gebäude nach der Schlachthof-Insolvenz von der Fleischerinnung an eine Immobilienfirma verkauft wurden, die sie luxussaniert. Ihr Noch-Vermieter, der Verein "Ein Dach für alle", lässt sie nach ihren Angaben im Regen stehen und auch "kein Ortschaftsrat und kein Bürgermeister" hilft ihr, wie sie es ausdrückte.

Und auch die Menschen der "Löbstedter Straße" von "Wiesenstraße" bis "Fritz-Winkler-Straße" sehen sich allein auf weiter Flur. Derzeit liegen bei der Stadt die Pläne zum Umbau ihrer Straße aus. Auch Ferge und der Ortsteilrat sind daüber informiert, dass dort zukünftig rund dreißig Parkplätze wegfallen. Weder gab es hierzu einen Punkt auf der letzten OTR-Tagesordnung noch war Ferge vor Ort um sich zu beschweren.

"Im Februar ist es zu spät. Da ist alles schon gelaufen," sagte gestern resignierend ein Anwohner. Er hofft, dass Siegfried Ferge endlich den Erwartungen seiner Bürger nachkommt, "ansonsten wähle ich im Mai jemanden anderen", wie er es aussdrückte. Ihm missfalle auch, dass sich der Ortsteilbürgermeister viel lieber auf anderer Ebene engagiere und als Aktivist der Initiative "Bürgermacht" im Mai in den Stadtrat einziehen wolle, weshalb er sich in letzter Zeit mehr mit den Themen Eichplatz und Inselplatz befasst habe, als mit Jena-Nord, wie er berichtete. "Immer wieder gibt es im Ortsteilbüro Zusammenkünfte für Bürgerintiativen. Uns hat noch niemals jemand dorthin eingeladen", sagte er den "Lichtstadt.News".

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