Von Annett Szabo zusammengestellt u.a. aus Pressemitteilungen:
15.04.2014 = Der 106. Verhandlungstag
EIn leitender Beamter der Polizeiinspektion Gera war am 106. Verhandlungstag im Zeugenstand. Der Zeuge, seinerzeit als Entschärfer beim Landeskriminalamt Thüringen tätig, hatte die 1998 in einer Jenaer Garage gefundenen sechs Rohrbomben zu untersuchen gehabt,
Dieser seien "im Ernstfall entweder gar nicht explodiert oder hätten nur geringen Schaden verursacht", sagte er aus. Es seien "Stücke von Metall- und Wasserleitungsrohren" gewesen, die in Teilen mit TNT und Schwarzpulver gefüllt waren. In einem Rohr seien, so der Zeuge, außerdem Sechs-Kant-Muttern gewesen, die im Fall einer Explosion als herumfliegende Geschosse Wirkung gezeigt hätten, allerdings "keine gute", wie der Entschärfer sagte, denn sie seien "schlecht platziert" gewesen.
Für sich betrachtet wäre jedoch vermutlich keine der 1998er Rohrbomben tatsächlich explodiert, wie der Zeuge sagte, da entweder ein Zündmechanismus fehlte oder nur teilweise funktionsfähig gewesen sei. Im Prozess war bereits vor einem dreiviertel Jahr bekannt geworden, dass 1999 in einer von einem Türken geführten Gaststätte in Nürnberg ein "NSU"-Sprengsatz, der in einer Taschenlampe versteckt gewesen war, zündete, aber nicht richtig zur Explosion kam, hierduch trotzdem ein Mann leicht verletzungen wurde. Im Dezember 2000 soll es Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt aber schließlich gelungen sein, in einem iranischen Lebensmittelgeschäft in Köln eine präparierte Christstollendose zu deponieren, welche die Tochter des Geschäftsinhaber schwer verletzte.
16.04.2014 = Der 107. Verhandlungstag
Eine frühere Freundin des Mitangeklagten Ralf Wohlleben sowie dessen Kumpels Andre Kapke, Jana J., wurde zum zweiten Mal gehört. An vieles aus ihrer Zeit in der Nazi-Szene konnte sich die Zeugin dabei nicht mehr erinnern, wie sie sagte; einige Episoden seien ihr jedoch "im Gedächtnis geblieben". J. kannte neben Wohlleben und Kapke auch die Hauptangeklagte Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt. Das spätere "NSU"-Trio sei damals aus ihrer Sicht durchaus "eine verschworene Gemeinschaft” gwesen, wie sie sagte.
In der Jenaer Neonazi-Szene habe eine Atmosphäre der "Nächstenhilfe" geherrscht, im grunde eine "gute Sache". Ob sie damals auch beklemmende Beobachtungen gemacht habe, wollte der Vorsitzende Richter Martin Götzl von der Zeugin wissen. Zum Beispiel habe sie vor der Polizei ausgesagt, dass Beate Zschäpe eine Frau an einer Straßenbahnhaltestelle verletzt habe. Hierzu fehle ihr "die Erinnerung" gab Jana J. vor der Münchner Kammer an. Auch daran, dass Mundlos und Böhnhardt einst in selbstgefertigten Uniformen im Jugendtreff "Winzerclub" aufgetreten waren - J. hatte dies ebenfalls zu Protikoll gegeben - fehlte ihr im München die Erinnerung. Die Zeugin erzählte allerdings, sie schäme sich für ihre Zeit in der Jenaer Szene. Als Alternative für die demokratische Ordnung haben man sich "ein nationalsozialistisches System" gewünscht und das sei falsch gewesen, wie J. aussagte.
28.04.2014 = Der 108. Verhandlungstag
Bei der Vernehmung von Enrico T., eines mutmaßlichen Waffenbeschaffers des "Nationalsozialistischen Untergrunds" / "NSU", gab der Zeuge vor dem Oberlandesgericht München zu, Uwe Böhnhardt aus seiner Schulzeit gekannt zu haben. Er habe mit dem "NSU"-Terroristen aber nicht länger als vielleicht ein halbes Jahr zu tun gehabt, sagte er aus.
Laut der Bundesanwaltschaft sollen er und Böhnhardt Anfang der neunziger Jahre in Jena derselben Jugendbande angehört haben. Der Zeuge beantwortete diesbezügliche Fragen des Vorsitzenden Richters allerdings meist ausweichend. Ebenso Fragen der Bundesanwaltschaft zur Mordwaffe vom Typ Ceska, die seinerzeit ihren Weg von der Schweiz aus nach Deutschland gekommen war und über einen Zwischenhändler unter der Vermittlung des Mitangellagten Ralf Wohlleben an den "NSU" weitergereicht worden ist.
An Einzelheiten hierzu konnte sich der Zeuge nach eigenen Angaben aber nicht erinnern. Den Schweizer, de die Waffe nach Deutschland gebracht habe, kenne er zwar und auch besuche er ihn ein- bis zweimal jährlich. In den 1990er-Jahren habe dieser, so Enrico T., in der Nähe von Jena eine Autoverwertung betrieben, wo man sich kennengelernt habe. Dass dieser allerdings ein Waffenbeschaffer sei, das könne er sich nicht vorstellen, sagte der Zeuge aus und fügte an: "Ich kann mich auch gar nicht daran erinnern, mich mit ihm über Waffen unterhalten zu haben."
Das OLG München beschäftigte sich am 109. Verhandlungstag mit möglichen "NSU"-Kontakten in die Neonazi-Szene Sachsens. Ein BKA-Ermittler berichtete hierbei über seine Vernehmung des Neonazis Thomas S., außerdem stand nochmals Friseurin Mandy Struck als Zeugin vor Gericht.
Der Zeuge berichtete von einer Vernehmung des wegen Körperverletzung und Volksverhetzung verurteilten S., der ausgesagt habe, Beate Zschäpe hätte ihn 1995 im Gefängnis besucht und bei einer Party 1996 habe es dann zwischen ihm und ihr "gefunkt". An Zschäpe habe Thomas S. gefallen, dass sie "anders" gewesen sei, "nicht die typische Szenebraut." Aus der Vernehmung ergab sich auch, so der Ermittler, dass Zschäpe wegen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt an einer langfristigen Beziehung nicht interessiert gewesen sei und mit S. nur ein kurzes "Techtelmechtel" gehabt habe, das die Hauptangeklagte im "NSU"-Prozess im April 1997 beendet hätte.
Struck wiederum soll das Trio nach dem Untertauchen unterstützt haben, so die Anklageschrift - über viele Jahre hatte Beate Zschäpe ihr Leben auch unter der Identität "Mandy Struck" geführt. Ja, betonte Struck nochmals, sie habe in der damaligen Szene im Umfeld der "Blood and Honour"-Bewwgung gelebt und auch die "Weiße Bruderschaft Erzgebirge" unterstützt. Inzwischen sei sie aber aus der Szene ausgestiegen, so Struck vor Gericht.
06.05.2014 = Der 110. Verhandlungstag
Der 110. Prozesstag war zuglcih der "Jahrestag" des Prozesses und geriet zu einer besonderen Geduldsprobe. Eigentlich sollte es um den Mordfall Mehmet Kubaşık gehen, wozu ein Dortmunder Polizist befragte wurde. Kurz nach Beginn der Befragung ließ Beate Zschäpe jedoch durch ihre Verteidiger mitteilen, Zschäpe fühle sich nicht gut und benötige ärztlichen Beistand. Die Folge: Eine fast sechs Stunden lange Unterbrechung, die Immer wieder verlängert werden musste, beleitet von juristischen Spitzfindigkeiten zwischen Verteidigung, Anklage und den Richtern über die Frage, ob man über den gesundheitlichen Zustand von Beate Zschäpe ohne Zschäpes Anwesenheit überhaupt im Gerichtssaal reden dürfe.
Um 16 Uhr beantragte die Bundesanwaltschaft schließlich die zwangsweise Vorführung Zschäpes, was die Beate Zschäpe-Verteidigung ablehnte, worauf Richter Manfred Götzl den 110.Prozesstag abbrach. Hiervon besonders enttäuscht waren rund 50 Nordrhein-Westfalen, unter ihnen Anwohner der Kölner "Keupstraße", wo der "NSU" 2004 seinen folgenschweren Nagelbombenanschlag verübt hatte, denn u.a. hätte es am 110. Verhandlungstag auch um diesen Bombenanschlag gehen sollen. In der türkischen Gemeinschaft, das wurde gerade am diesem Tag vor dem Münchner Oberlabdesgericht mehr als deutlich, sind Misstrauen und Unmut gegenüber der deutschen Justiz weiterhin groß.
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