(tim schwarz) - Heute geht der "NSU"-Prozess in München in eine neue Runde. So soll erstmals einer der Angeklagten zu Wort kommen und aussagen: Carsten Sch*ltz*. Dieser belastet vor allem Ex-NPD-Funktionär Ralf Wohlleben schwer.
Wie das Nachrichtenmagazin FOCUS in seiner jüngsten Ausgabe berichtet, hat Sch*ltzE Wohlleben sogar erheblich schwerer belastet, als bisher inder Öffentlichkeit bekannt sein soll. Unter Berufung auf Aussagen gegenüber der Bundesanwaltschaft, berichtet das magazin, der aus Jena stammende 33-Jährige habe bereits kurz nach seiner Verhaftung im Februar 2012 zugegeben, den untergetauchten Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe eine Schusswaffe besorgt zu haben und zwar jene Ceska-Pistole, mit der zwischen 2000 und 2006 bundesweit acht Türken und ein Grieche ermordet wurden.
Laut FOCUS war der ANgeklagte ab Ende 1998 Mittelsmann zwischen Wohlleben und dem Trio. U. a. hat Sch*ltz* zu Protokoll gegeben: "Wohlleben führte mich ein, wie ich telefonischen Kontakt mit den drei Untergetauchten aufnehmen konnte." Und sämtliche Wünsche des Trios habe er immer nur an Wohlleben weitergegeben. "Jeder Auftrag des Trios hat die Einbindung und Entscheidung des Ralf Wohlleben bedingt", so Schu*ltz* vor dem BKA.
Das gelte "selbstverständlich" auch für die Beschaffung der Ceska-Schusswaffe gegolten, so die Aussage des Mannes, der zudem erklärte, er sei damals "stolz" darauf gewesen, den untergetauchten Kameraden helfen zu dürfen. Dass ihn "hochrangige" Rechtsextremisten wie Wohlleben für die heikle Mission auserwählt hatten, habe er als Ehre empfunden. "Ich habe überhaupt nicht darüber nachgedacht, wofür die Waffe bestimmt war", wird Carsten Sch*ltz* im FOCUS zitiert.
Dass die Waffe ausschließlich dazu gedient habe, Menschen zu töten, sei ihm erst heute klar, so der 33-Jährige im Februar 2012. Beim Überbringen der Waffe an die Neonazis habe er allerdings darauf vertraut, "dass die damit keinen Unsinn machen."
Die Anklagebehöre im "NSU"-Prozess glaubt ihm die letzte Aüßerung wohgl nicht, denn Sch*ltz* ist schließlich, obwohl seit 2001 nachweißlich aus der rechtsextremen Szene ausgestiege, wegen Beihilfe zum Mord in neun Fällen angeklagt. Derweil fordert die Verteidigung von Beate Zschäpe in einem 30-seitigen Antrag, dessen Verlesung eine Stunde udn zehn Minuten dauerte (!), eine Einstellung des Verfahrens wegen angeblicher Vorverurteilung.
Zschäpe sei von Vertretern staatlicher Stellen breits als "Mitglied einer Mörderbande" bezeichnet worden, sagte ihre Verteidigerin Anja Sturm. "Aufgrund der gezielten, von den Strafverfolgungsbehörden selbst gesteuerten und betriebenen Vorverurteilung unserer Mandantin, ist ein rechtsstaatlicher, fairer Prozess nicht mehr durchführbar", fügte sie an bevor die Verhandlung für eine Mittagspause unterbrochen wurde.
Nach der Mittagspause soll Carsten Sch*ltz* in den Zeugenstand gerufen werden. Nun wird bekannt, dass dieser, wie auch an den Verhandlungstagen zuvor, sein Gesicht unter einer großen Kapuze verbergen wird. Er tue dies nicht, weil er den Blicken der Nebenkläger ausweichen will, heißt es, sondern weil er im Zeugenschutzprogramm des Bundeskriminalamtes ist und es deshalb von ihm keine Fotos geben soll.
Erst einmal berät das Gericht über mehrere Anträge, dass zum Prozess keine behördlichen Beobachter zugelassen werden sollen. Um 15 Uhr 30 vermeldet der vorsitzende Richter, dass die Anträge zurückgewiesen worden sind. Es bestehe kein Grund für eine Beschränkung der Öffentlichkeit. Auch den Antrag von Zschäpes Anwalt Wolfgang Heer auf Protokollierung der Vernehmungen lehnt der Vorsitzende Richter ab. Dann ruft er Carsten Sch*ltz* in den Zeugenstand. Die Befragung durch Götzl beginnt.
Sch*ltz* zieht seine Jacke aus und beginnt zu reden, spricht über sein Leben: die Geburt 1980 in Neu Dehli, seine Ausbildung zum Kfz-Lackierer. Ohne auf seinem Wegzug aus Jena im Jahre 2001 einzugehen erklärt er, 2009 sein Diplom als Sozialpädagoge gemacht zu haben und wie er ein schwul-lesbisches Jugendzentrum aufbaute, in dem er bis zu seiner Festnahme 2011 gearbeitet hat. Mit 13 habe er bemerkte, dass mit ihm "etwas nicht stimmt", mit 20 habe er sich seiner Schwester gegenüber als homosexuell geoutet, sagt Sch*ultz*.
In einem Lehrlingswohnheim in Eisenach lernte er die ersten Rechtsradikalen kennen, teilte sich mit einem das Zimmer. Da habe "sich das entwickelt", sagt Sch*ltz*. Er hörte rechte Musik, zum Beispiel von den "Zillertaler Türkenjägern". 1996 begann er dann, sich "wie die Rechten" anzuziehen. Im März 1997 schließlich nahm er an einer NPD-Demo in München gegen die Wehrmachtsausstellung teil, das habe ihm "sehr imponiert".
Sch*ltz* vor dem OLG zu Richter Götzl: "Ich bin dann in der Szene geblieben und aufgestiegen. Ende 1999 kamen Zweifel auf." Er habe "unterdrückte homosexuelle Bedürfnisse" bekommen und wusste, so kann er in der Neonazi-Szene nicht weitermachen. Dann sah er einen "Coming Out"-Film im Fernsehen und damit "stand für mich fest: Ich muss hier raus", sagte der Angeklagte aus.
Damals ging er zu Ralf Wohlleben, der damals sein Nachbar gewesen wäre; Sch*ltz*: "Ich wurde ausgelacht." deshalb sei er von Jena weggezogen und nach Düsseldorf gegangen -sein Ziel: "Etwas Soziales machen." 2002 kam er ehrenamtlich zur Aids-Hilfe in Düsseldorf und hatte 2007 seine erste längere Beziehung mit einem Mann.
Wie rechtsradikal war Carsten Sch*ltz*? Richter Götzl berichtete er, seine rechte Jugendclique habe an mindestens zwei Dönerbuden Scheiben eingeschlagen und eine andere Bude umgeworfen. Auf weitere Fragen des Richters sagte er: "Wenn da eine Bockwurstbude gestanden hätte, hätten wir das nicht gemacht." Es sei gegen die multikulturelle Gesellschaft gegangen, und gegen das Finanzkapital. Sch*ltz* zu Götzl: "Das war ein einfaches Weltbild, schwarz-weiß. Dass wir unsere Heimat einbüßen, dass wir regiert werden vom Finanzjudentum, in gewisser Weise habe ich daran auch geglaubt."
Mit der ersten Vernehmung von Carsten Sch*ltz* durch Richter Götzl endete der fünfte Prozesstag.
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