


Wie sich Tucholsky damals entschieden hat, ist bis heute nicht bekannt. Weder hat er es niedergeschreiben, noch irgendwem so berichtet, dass es weitererzählt wurde. Ein Ausflug nach Erfurt zur Gruft der Dichterfürsten, den er am Freitag Vormittag sicherlich hätte einplanen können, ist von ihm nie erwähnt worden, hätte aber bestimmt Erwähnung gefunden, wenn er denn stattgefunden hätte; schließlich steht auf Kurt Tucholskys Grabplatte in Schweden das von ihm selbst gewählte Schlußwort aus Goethes "Faust II": "Alles Vergängliche Ist Nur Ein Gleichnis".

Erst mit dieser hat der Kandidat auf den Doktortitel, sofern er die Promotionsprüfung bestanden hat, das Recht gedruckte Exemplare der Dissertation als Pflichtstücke an das Dekanat der Fakultät abzuliefern. Die Pflichtstücke wurden in Jena seinerzeit wie folgt verteilt: ein Exemplar verblieb im Dekanatsarchiv, zwei Exemplare gingen an die zentrale Universitätsbibliothek zur Ausleihe.
Es wurde Dezember und dann brach sogar der Januar 1915 an, ohne dass ihm die Druckerlaubnis zugestellt wurde. Tucholsky wollte es nun genauer wissen

Jedenfalls kam man in Jena sofort dem Wunsch des Kandidaten nach, erteilte die Erlaubnis zum Druck seiner Dissertation, die dieser umgehend an den Verlag Robert Noske in Borna-Leipzig (einen Großverlag für Dissertationen) sandte und schon vierzehn Tage später konnte er die Pflichtexemplare der Promotion mit der Post nach Jena schicken. Von nun ab stand K. T. das Recht zu, den Doktortitel (Dr. jur.) zu führen. Die Erstellung der Urkunde dauerte dann noch einmal bis zum 12. Februar 1915 und ab da war es endlich offiziell: aus Kurt Tucholsky war ein "Dr. jur." geworden.

Jahrzehntelang wurde davon ausgegangen, dass der Schriftsteller Suizid beging; als Indiz wurde ein letzter Brief an seine frühere Ehefrau Mary Gerold-Tucholsky angesehen - einen Abschiedsbrief im klassischen Sinne gibt es allerdings nicht. Inzwischen wird ein gezielter Siuzid durchaus angezweifelt, denn eine Selbsttötung aus Versehen scheint zumindest im Bereich des Möglichen.
Das Leben von Kurt Tucholsky - Dr. jur. Kurt Tucholsky - war aber nicht umsonst. Ganz im Gegenteil: auch wenn Carl von Ossietzky die Nazi-Haft nicht überlebte (er starb 1938), wurde an diesen - u. a. auf Anregung Tucholskys - 1936 der Friedensnobelpreis verliehen. Und auch Kurt Tucholskys Werk ist ein dreiviertel Jahrhundert nach seinem Tode noch immer aktuell (erst vor wenigen Jahren wurde z. B. "Schloß Gripsholm" neu für's Kino verfilmt) und wird von den Menschen nach wie vor gelesen, geliebt und geschätzt.
Dies auch, weil er über alle Grenzen, Parteien und Auffassungen hinweg immer und stets ur-deutsch war. Oder wie es Tucholsky in einem seiner berühmtesten Bücher ausdrückte: "Deutschland ist ein gespaltenes Land. Ein Teil von ihm sind wir. Und in allen Gegensätzen steht - unerschütterlich, ohne Fahne, ohne Leierkasten, ohne Sentimentalität und ohne gezücktes Schwert - die stille Liebe zu unserer Heimat."

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