Dienstag, 22. November 2011

Bundestagsdebatte zur Mordserie der Terrorzelle "NSU": "Nicht alles auf den Staat verlagern" - Dr. Peter Röhlinger sprach zu den Abgeordneten

(lsn / debuta) - Der Deutsche Bundestag hat sich zu Beginn seiner heutigen Plenarsitzung zu Ehren der Opfer der Neonazi-Mordserie des "NSI" erhoben und gedachte den Opfern. Bundestagspräsident Norbert Lammert brachte Trauer, Betroffenheit und Bestürzung "im Namen des ganzen Hauses" zum Ausdruck.

Danach debattierte der Deutsche Bundestag zum Thema "Mordserie der Neonazi-Bande und die Arbeit der Sicherheitsbehörden". Hierbei sprach auch der FDP-Bundestagsabgeordnete und ehemalige Oberbürgermeister der Stadt Jena, Dr. Peter Röhlinger.

Röhlinger erklärte sich im Deutschen Bundestag wie folgt:

"Die Stadt Jena ist in den vergangenen Wochen wiederholt zitiert worden als Ausgangspunkt des Terrorismus der rechten Szene. Ich bin in der Zeit von 1990 bis zum Jahr 2006 in dieser Stadt Oberbürgermeister gewesen. Und kann folgendes sagen: Ja wir hatten in den 90er Jahren, eigentlich von Beginn an auch Ausländerfeindlichkeit. Und wir hatten in zunehmenden Maße auch mit Rechtsextremismus zu tun. Aber wir haben versucht auf Grundlage des Rechtsstaates Versammlungen und Demonstrationen von Rechts zu verhindern.

Häufig durch eine Gegendemonstration, wo wir gesagt haben: Die Straße gehört uns. Den Bürgern, den Familien, der Universität der Wirtschaft und so weiter. Das ist uns gelungen. Aber womit wir nicht gerechnet haben, dass wir mit Mördern und Terroristen zu tun haben. Die auch nicht scheuen das Leben anderer in Frage zu stellen. Ich habe in der vergangenen Woche mit einem der Verhandlungsführer gesprochen, der mir folgendes gesagt hat:

Ich bin manchmal mit großer Sorge nach Hause gegangen. Unter anderem hat einer von denjenigen, die zu dieser Szene gehörten und heute noch leben gesagt: 'Herr Pfeiffer*, warum quälen Sie uns? Sie haben doch zwei nette kleine Kinder'. Ich will damit deutlich machen unter welchem Druck auch die Kommunen stehen. Wir haben uns mit der Polizei und mit der Justiz gemeinsam auf den Weg gemacht und haben, so glauben wir, Schlimmeres verhindert. Und tatsächlich sind ja diese Bombenleger aus Jena weg. Vielleicht auch vor dem Hintergrund, dass sie sich beobachtet fühlten und das Netzwerk in Jena nicht spannen konnten.

Aber wir waren damit nicht zufrieden und haben auch in den Nachbarstädten, zum Beispiel in Gera, in Rudolstadt und anderen dann an den Demonstrationen teilgenommen, wenn es gegen Rechts ging. Ich will damit sagen: Unter den Städten, zum Beispiel auch Dresden, gibt es auch eine Solidarität in diesen Dingen. Deswegen unterstütze ich diese Erklärung, die wir heute gehört haben, zur Stärkung der Zivilgesellschaft.

Wir können nicht alles auf den Staat verlagern. Wichtig ist die Zivilgesellschaft zu stärken und sie sensibel zu halten und nicht die Gleichgültigkeit des Wegsehens auf dieser Basis zu unterstützen, sondern Sensibilität weiter zu unterstützen, damit die Gesellschaft mit Unterstützung des Staates zukünftig vor solchen Dingen bewahrt werden kann."

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* = gemeint war der ehemalige Rechtsamtsleiter der Stadt Jena und heutige Leiter des Fachbereichs Recht und Personal

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