Dienstag, 24. Januar 2012

Theaterhaus im "Kraftwerk"-Sound: Rainer Sauer ist heute Abend mit seiner "A-U-T-O-B-A-H-N"-Elektromusik zu Gast bei "Zorniger Engel kocht"

(lsn) - Nachdem er als Radiomoderator bekannt und 2001 mit dem Thüringer Hörfuinkpreis für die beste Radiosendung ausgezeichnet wurde, 2005 und 2006 auf der Bühne zusammen mit Künstlern wie Heinz Rudolf Kunze auftrat, im letzten Jahr bei "Switched-On Kabarett" seine literarische Ader unter Beweis stellte (und sozusagen ganz nebenbei Kurt Tucholskys Doktorarbeit im Archiv der Jenaer Friedrich-Schiller-Universität wiederentdeckte), widmet sich Rainer Sauer in diesem Jahr seiner früheren Profession, der Synthesizermusik, die er vor zwei Jahrzehnten, nach seinem Umzug in die Saalestadt, aufgab.

Die Auszeit hat ihm nicht geschadet, wie sich nun bei einem Testauftritt in der Nähe von Erlangen zeigte - im Gegenteil: Sauer kombiniert inzwischen geschickt seine Electronic-Rock-Musik der Achtziger und Neunziger Jahre mit dem musikalischen Zeitgeist von Heute.

Was kaum jemand weiß: zwischen 1981 und 1989 veröffentlichte Rainer Sauer mit seiner damaligen Band Velvet Universe verschiedene, international erfolgreiche Alben und pflegte Kontakte zu Bands wie Tangerine Dream, Ash Ra oder Camouflage und Musikern wie Mike Oldfield, Jean Michel Jarre oder Klaus Schulze. Das alles hat seine Musik beeinflusst, wie er nun im Interview verriet und eine Band hat es ihm dabei bis heute angetan.


Lichtstadt.Netz: Heute Abend stellen Sie im Theaterhaus Jena ihr neues Programm zum ersten Mal vor. Was kann man da erwarten?

Sauer: Es ist nicht das neue Programm an sich. Es ist wie ein Hineinschnuppern, ein Vorgeschmack sozusagen. Man kann sich auf sechs kürze Ausschnitte aus meinem "4-Klang A-U-T-O-B-A-H-N"-Projekt freuen, die ich live spielen werde um so die Bandbreite der Musik zu zeigen. Das alles in lockerer Atmosphäre, der "zornige Engel" kocht und alle Gäste sind dazu eingeladen die Musik zu genießen und die Leckereien, die es wieder zu essen gibt.

L: In einem Interview vor kurzem sagten Sie, ihre Musik sein gereift, gegenüber dem, was sie noch vor zwanzig Jahren live gespielt haben. Wie darf man das verstehen?

S: Gereift heißt, sie ist besser geworden, vielseitiger. Ich war noch nie der Künstler, der nur eine Sache, eine Stilrichtung konsequent durchgezogen hat. Auch das hat ja durchaus seine Berechtigung, wenn man seinem Stil treu bleibt über Jahre hinweg, aber die Weiterentwicklung von Ideen und Konzepten ist im Grunde das, was den Reiz von künstlerischer Arbeit ausmacht. Nun habe ich das große Glück, die Entwicklung der Elektromusik seit Mitte der 1970er-Jahre miterlebt zu haben, in bestimmten Segmenten sogar aktiv mitgestalten konnte. Also war es für mich eine logische Konsequenz, die Verbindung zwischen diesen Einzelteilen herzustellen, die Gemeinsamkeiten und die Unterschiede einmal live auf die Bühne zu bringen. Eine Autobahn voller Elektronik-Klänge sozusagen, auf der man sich fortbewegt. Das war die Idee hinter dem Konzept..

L: Es war die Gruppe Kraftwerk, die vor etwa vierzig Jahren ein Synthesizermusikalbum mit dem Titel "Autobahn" veröffentlicht hat. Wieviel von Kraftwerk ist in ihrem aktuellen Liveprogramm?

S: Das Programm hat ja den Untertitel "4-Klang" und besteht auch aus vier unterschiedlichen musikalischen Teilen. In zweien davon kommt Musik vor, die in die Kraftwerk-Richtung geht.

L: Wie muss man sich das vorstellen? Sicher ist das ja auch technisch aufwendig, "so wie Kraftwerk" zu klingen.

S: Das stimmt. Aber ich hatte ja schon viele Jahre Kontakte zu Musikern aus dem Düsseldorfer Umfeld der Band. Die originalen Kraftwerk-Musiker selbst sind bekanntlich recht verschlossen und schotten sich vor Kontakten zur Öffentlichkeit weitgehend ab. Aber es gibt ja auch Ex-Musiker von Kraftwerk, wie etwa Michael Rother oder Karl Bartos und Wolfgang Flür, oder Tontechniker der Band, die einem auch schon mal den einen oder anderen Tipp geben können und so konnte ich mir die Klangkomponenten wie ein Puzzle zusammensetzen. Ich besitze sogar Mischpulte und Musikinstrumente, die einst von Kraftwerk benutzt wurden, Sequenzer und Soundexpander, und so ist es für mich kein Problem, den Klang nachzuvollziehen. Bei der Musik ist das natürlich etwas ganz anderes, den Musik ist eine Fülle von Ideen und die hat jeder Mensch auf eine andere Weise-

L: Sie nutzen auch Musiksoftware, die von Kraftwerk mitentwickelt wurde.

S: Das stimmt. Die "Kling Klang Machine" zum Beispiel wurde von Kraftwerk Chef Ralf Hütter zusammen mit seinem Assistenten Fritz Hilpert und dem amerikanischen Konzeptsound-Künstler Norman Fairbanks entwickelt und kommt bei mir zum Einsatz. Und dann nutze ich natürlich auch die "Synth-Werk" Sounds und Klänge, wie die des Orchestrons oder des E-MU Audity Synthesizers. Für die Entwickler des "Synth-Werks" habe ich im letzten Jahr auch einen kleinen Soundclip gemacht, der zeigt, was in der Software steckt. Hinzu kommen noch verscheidene Sprechcomputer, die ich über die Jahre aber zum Teil selbst habe entwickelt und programmiert habe.


L: Mich hat bei Ihrem Testauftritt vor allem das viereckige Tablett mit den vielen Leuchtdioden fasziniert, mit dem Sie live gespielt haben und komplette Songs kreieren konnten. Sie sagten, dem Pulikum, das Gerät käme aus Japan. Was ist das für ein Instrument?

S: Das Gerät nennt sich "Tenori-On", ist ein vollwertiges elektronisches Musikinstrument, das von dem japanischen Medienkünstler Toshio Iwai entwickelt wurde. Ich kam auf den "Tenori-On" über Norman Fairbanks, der für Kraftwerk die "Kling Klang Machine" mitentwickelt hat und großer Fan des "Tenori-On" ist. Ich habe mir das direkt aus Japan schicken lassen und musste es in Jena erst noch durch das Zollamt bringen und dort gleich vorführen und da zeigte sich bereits, dass es einen Riesenspaß macht, auf dem "Tenori.On" zu spielen, als auch, dabei zuzusehen. Deshalb gehe ich bei jedem Konzert auch immer auf das Publikum zu und lasse es ein paar Dinge selbst am "Tenori-On" spielen. Das ist sozusagen der Gegenpart zu den eher bodenständigen Teilen des Konzertes mit längeren Klangbögen und Sequencerparts.

L: "4-Klang", sagten Sie, sind vier musikalische Teile, die unterschiedlich klingen. Was gibt es da zu hören?

S: Zum einen natürlich Musik aus dem Velvet Universe, also Electronic-Rock, Richtung Tangerine Dream oder Jean Michel Jarre. Es gibt einen Teil mit traditioneller Synthesizermusik der 70er- bis 90er-Jahre, also viele Klangflächen, Ambient-Sounds von Klaus Schulze bis Brian Eno. Und es gibt den rhythmischen Teil, die Technopop-Variante der Elektromusik.

L: Was verbindet diese Einzelteile, ich meine neben ihnen als Musiker?

S: Das Konzept heißt "A-U-T-O-B-A-H-N", ist wie gesagt ein Weg vom Start einer Reise bis zu ihrem Ziel. Eine Autobahn hat auch immer Ausfahrten und Rastplätze und so erlaube ich es mir, in jedem Konzert selbst zu entscheiden, wohin ich fahre und was ich mache.

L: Für das Publikum ist das sicherlich ein interessantes Konzept, denn man weiß ja nie, was einen erwartet.

S: Das genau ist auch die Idee hinter dem Konzept. Einmal geht es in Richtung Vangelis, dann wieder in Richtung Daft Punk, dann wieder hin zu Kraftwerk oder Klaus Schulze oder zu Drum 'n' Bass. In einer Stadt wie Jena, mit vielen Studenten und Elektromusik-Fans könnte das funktionieren. Da bin ich mir ganz sicher. Auch wenn das eute nur Appetithäppchen sind, begleitend zu "Zorniger Engel kocht".

F: Wie geht es weiter nach dem Theaterhaus-Auftritt? Oder besser: wann geht es richtig los?

S: Start ist im März hier in Jena und dann folgt bis November alle zwei Monate ein Auftritt. Zuvor gibt es am 4. Februar 2012 noch einen weiteren Testauftritt in Sachsen-Anhalt in der Nähe von Wittenberg.

Das Interview führte Peter Schulz für das Lichtstadt.Netz © 2012 - Nähere Informationen zum aktuellen "A-U-T-O-B-A-H-N"-Liveprogramm gibt es unter www.a-u-t-o-b-a-h-n.de. Rainer Sauer spielt heute ab 19 Uhr auf der Hauptbühne des Theaterhauses Jena. Der Eintritt ist (wie immer, wenn der "Zornige Engel kocht) kostenlos!

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