Dienstag, 15. Mai 2012

Heute wurde der Abschlussbericht der Thüringer NSU-Untersuchungskommission vorgelegt: Innenminister Geibert musste dabei "gravierende Fehler" eingestehen - Anklage gegen Beate Zschäpe wird immer umfangreicher

 
(lsn / spon) - Den Thüringer Behörden sind bei der Suche nach dem Neonazi-Trio aus Jena gravierende Fehler unterlaufen. Zu diesem Schluss sei die von der Landesregierung eingesetzte Untersuchungskommission unter Führung des ehemaligen Bundesrichters Gerhard Schäfer gekommen, berichtet heute "SPIEGEL.Online".

Unter der Leitung von Schäfer kämpfte sich die Kommission fünf Monate lang durch Akten, befragte Dutzende Zeugen und brachte etliche Ermittlungspannen ans Licht. Innenminister Jörg Geibert sprach bei der Vorlage des Abschlussberichtes von (Zitat) "handwerklichen und strukturellen Defiziten". Polizei, Verfassungsschutz und Justiz hätten, so Geibert vor der Presse, nicht so professionell gearbeitet, wie es zu erwarten gewesen sei. "Der Bericht zeigt gravierende Fehler bei Verfassungsschutz, Polizei und Staatsanwaltschaft auf", sagte er wörtlich. Auch habe es an Abstimmungen, Informationsweitergaben und Auswertungen von Erkenntnissen gemangelt.

Geibert kündigte zugleich baldige Konsequenzen für die Sicherheitsbehörden in Thüringen an. Nur so könnten künftig Informationsverluste vermeiden werden, sagte er und fügte an: "Die Arbeit und Zusammenarbeit muss verbessert werden." Besonderes Augenmerk werde dabei auf das Landesamt für Verfassungsschutz gelegt, dessen Arbeit mangelhaft gewesen sei und dessen Organisation nun umfassend überprüft werde. Der Schäfer-Bericht entkräfte jedoch Spekulationen, wonach die Terrorgruppe "NSU" staatlich gedeckt worden seien, berichtet "SPIEGEL.Online". Uwe Mundlos (†), Uwe Böhnhardt (†) und die inhaftierte Beate Zschäpe (siehe links Polizeifoto der PI Jena vom 08.11.11) hätten auch nicht als V-Leute gearbeitet. 

Die Schäfer-Kommission hatte für den Bericht zahlreiche Akten durchgesehen und etliche Zeugen befragt. Die Neonazi-Gruppe "NSU" war Anfang 1998 untergetaucht, deutschlandweit sollen ihre Mitglieder zehn Morde an Geschäftsleuten türkischer und griechischer Herkunft, sowie an einer Polizistin begangen haben. Außerdem werden ihnen zwei Sprengstoffanschläge und ettliche Banküberfälle zur Last gelegt.

Die Ermittler in Sachen "NSU" haben nach den Worten von Generalbundesanwalt Harald Range immer mehr Beweise für eine Tatbeteiligung von Zschäpe. "Wir haben viele Beweismittel, die belegen, dass sie sehr genau wusste, was in den Köpfen von Mundlos und Böhnhardt vorgegangen ist und was sie getan haben. Und auch dass sie an den Taten beteiligt war, zumindest durch logistische Hilfe“, sagte Range der Presse."Mit Hochdruck" arbeite man daran Zschäpes Beteiligung an Morden des "NSU" nachzuweisen, betonte Range und fügte an: "Wenn wir ihr die Mord-Mittäterschaft zweifelsfrei nachweisen können, ist eine lebenslange Freiheitsstrafe die Konsequenz. Und bei so vielen Morden kann das auch wirklich heißen: lebenslang."

Laut Informationen des "SPIEGEL" können die Ermittler dem Neonazi-Trio inzwischen auch konkrete Verbindungen nach Nürnberg nachweisen. Das habe erstmals ein mutmaßlicher Unterstützer des "NSU" gegenüber dem BKA bestätigt. In der Stadt sollen die Terroristen drei ihrer insgesamt zehn Morde verübt haben und bei den "Nürnberger Nachrichten" hatte ein bislang unbekannter Bote im November letzten Jahres eine der Bekenner-DVDs des "NSU" persönlich abgegeben. Nun sei klar: Uwe Mundlos habe in Nürnberg einen "Kameraden" gehabt, wie das Blatt schreibt.

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