Freitag, 15. Juni 2012

"Es grünt so grün..." am Planetarium - Wie vor bald 90 Jahren in der Lichtstadt Bauvorhaben "durchgedrückt" wurden

(lsn / planet /otz) - Das Zeiss-Planetarium Jena wurde 1926 eröffnet und ist heute das dienstälteste Großplanetarium der Welt. Grundlegende Erfindungen der Firma Zeiss am Anfang des letzten Jahrhunderts auf dem Gebiet der Optik und Feinmechanik machten den Bau des Planetariums als Ort der astronomischen Wissensvermittlung erst möglich. Von Jena, der "Geburtsstätte aller Planetarien", traten diese ihren Siegeszug um die Welt an.

Begonnen hatte alles mit einer siebeneinhalbseitigen Niederschrift von Walter Bauersfeld mit dem Titel "Kugelunterteilung" vom Frühjahr 1919. Darin entwickelt Bauesfeld die bahnbrechende Idee, die Halbkugel mit Hilfe von Fünf- und Sechsecken abzubilden. Doch erst 1922 konnte er seine Idee weiterbearbeiten, nachdem das Deutsche Museum in München nicht nachließ, dort auf eine künstliche Sternenprojektion zu drängen. Im Sommer 1924 versprach Bauersfeld in einem Artikel für die Zeitschrift des Vereins Deutscher Ingenieure / VDI im Zusammenhang mit dem Planetarium von (Zitat) "Vorführungsstätten in großen Städten" und einer "Massenproduktion des künstlichen Sternhimmels". In Jena nahm man davon allerdings kaum Kenntnis.

Am 8. September 1924 befasste sich der Bauausschuss der Stadt Jena dann am Ende einer langen Sitzung mit einen Vorschlag der Fa. Zeiss, der den Wunsch kund tat, auf einem geeigneten Platz in der Innenstadt ein "Sternenplanetarium" zu bauen. Ausschussmitglied Johannes Schreiter, Architekt im Büro "Schreiter und Schlag" unterstützte die Idee. Ende September 1924 gingen beim Stadtbaudirektor ohne Begleitschreiben vier Zeichnungen des Büros "Schreiter und Schlag" ein, mit Grundrissen und Schnitten, die den Entwurf eines Planetariumsgebäudes darstellen. Ein Interessenkonflikt?

Dr. Hans Meinl, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Zeiss-Planetariums Jena, vergangenes Jahr in der OTZ: "Schreiter und Schlag konnten hierbei auf einen Entwurf ihres Büros für Schott zurückgreifen, in dessen Mittelpunkt ein von einer Kuppel gekröntes Gebäude stand (siehe Zeichnung links), das so aber nie realisiert wurde." Dies unterstreiche, so Meinl damals, dass es sich hier um einen klaren Fall von Insiderwissen gehandelt habe. Er vermutet, dass die beiden Architekten nach dem Bauausschuss von Anfang September 1924 sofort Kontakt mit Zeiss wegen des Planetariums-Projektes aufnahmen; einen Architektenwettbewerb habe es nicht gegeben. Nur einen Tag nach dem Eingang der Zeichnungen Johannes Schreiters beim Stadtbaudirektor, am 21. September 1924, informierte der Stiftungskommissar der Carl-Zeiss-Stiftung die Stiftungsverwaltung davon, dass Zeiss im Prinzessinnengarten ein Planetarium bauen wolle. Wiederum nur einen Tag später bezeichnete die Bauverwaltungsstelle der Stadt Jena den Schreiter-Entwurf für ein Planetarium in Jenas Innenstadt als "glücklich gelöst". Pikant hierbei: der Mitunterzeichner hieß Hans Schlag.

Da dann bereits am 26. September 1924 die Stadtverwaltung eine vorläufige Baugenehmigung erteilte, rief das Dr. Fritz Koch, der der Thüringer Beratungsstelle für Heimatschutz und Denkmalpflege vorstand, auf den Plan. Koch fand den Zeitablauf als "äußerst irritierend" und vermerkte, dass Zeiss besser "auf dem Alexanderplatz" (heute: "Puschkin-Platz") bauen sollte und nicht "mitten im Prinzessinnegarten". Doch die Stadt bestand darauf, dass der Bau auf Stiftungsgelände erfolgen müsse, also etwa im Prinzessinnengarten, der damals der Zeiss-Stiftung gehörte.

Kochs Intervention hätte dann doch noch fast Erfolg gehabt, denn  der Vorstand der Zeiss-Stiftung teilte der Stadt am 4. Oktober 1924 mit, dass man "das Bauvorhaben eines Planetariums aufgeben" wolle. Allerdings tagte nur drei Tage später planmäßig der Bausschuss nebst Bauberatungsstelle und beide gaben grünes Licht für den Bau des Vorhabens im Prinzessinnengarten. Wie schnell (und ohne Bürgerbeteiligung) 1924 alles "durchgedrückt" wurde zeigt sich daran, dass am 16. Oktober 1924, als die komplette Baugenehmigung erteilt wurde, die Erdarbeiten im Prinzessinengarten längst begonnen hatten...nur sechs Wochen, nachdem Zeiss im Bauauschuss erstmals seine Idee vorgetragen hatte. Und Dr. Fritz Koch  wurde seitens der Stadt mitgeteilt, sein Einspruch käme zu spät. Eröffnet wurde das Planetarium schließlich am 18. Juli 1926 (siehe Foto rechts).

Weshalb dies heute erwähnenswert erscheint? Weil das Planetarium nach seiner Errichtung keine silberne sondern eine grüne Kuppel hatte. Die aktuelle silberne Aluminium-Verblechung wurde der Planetariumskuppel erst in den 1960er Jahren übergestülpt. Diese Dachbleche sind durch Umwelteinflüsse aber inzwischen stark geschädigt, die darunter liegenden Isolier- und Putzschichten begannen sich zu zersetzen.

Das Ziel der jetzt beginnenden denkmalsgerechten Sanierung ist es, die Kuppelkonstruktion des Planetariums zu erhalten und wesentliche Gestaltungsmerkmale der damaligen Zeit wieder herzustellen. Durch eine äußere moderne Wärmedämmung wird auch ein dauerhafter Feuchteschutz im Inneren der Betonschale gewährleistet, die grüne Oberflächengestaltung mit Dachbahnen kommt dem optischen Bauzustand der 1920er Jahre sehr nahe.

Das Jenaer Planetarium verschwindet deshalb zurzeit schrittweise unter einem großen Baugerüst. Wenn nach der Sanierung dann die Hüllen fallen, werden sich die Jenaer, ebenso wie die vielen Besucher von außerhalb, an eine "neugeborenes" Baudenkmal der Stadt Jena gewöhnen müssen. Der Vorführbetrieb des Planetariums wird allerdings während der gesamten Bauzeit weitergehen wie bisher.

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