Sonntag, 8. Juli 2012

"Das Monster-Spektakel geht in seinen Endspurt": Generalproben für das "Frankenstein"-Epos stehen an - Zeit für Katharina Raffalt über ihre Spielfassung zu berichten

(lsn) - Zum Auftakt wird die "Kulturarena"-Bühne zum "Zirkus Frankenstein", einer Art menschlichem Kuriositätenkabinett. Freaks werden zur Schau gestellt: neben Breakdancern, Feuerschluckern und siamesischen Zwillingen auch die Autorin selbst: Mary Shelley, im Rollstuhl sitzend, stumm. "Sie schreibt permanent Tagebuch und verliert eine Seite nach der anderen", sagt Katharina Raffalt.

Raffalt kennt den Roman, der von der Erschaffung eines Menschen aus toter Materie handelt und vor fast 200 Jahren eine neue Richtung der Science-Fiction-Literatur eröffnete, in- und auswendig. "Jeder von uns kann unter bestimmten Umständen von der Gesellschaft ausgestoßen werden", sinniert sie. Der Schöpfer des Monsters, Victor Frankenstein, erweckt mit Hilfe der Elektrizität ein aus Leichenteilen zusammengeflicktes Wesen zum Leben. Und das ist einserseits naiv und unschuldig wie ein Kind, andererseits so hässlich, dass selbst Victor vor ihm erschrickt. Raffalt hat das Buch zum ersten Mal zum Abi gelesen - im englischen Original - und war vor allem von der Autorin fasziniert.

Mary Shelley, die zwei Jahre, bevor sie "Frankenstein" schrieb, einen Dichter geheiratet hatte - damals im zarten Alter von 16 Jahren - schildert in der Einleitung zur Erstausgabe von 1831 die Umstände, aus denen ihr literarischer Erstling geboren wurde: 1816 besuchten sie Lord Byron in der Schweiz und verbrachten einige Wochen am Genfer See. Es wurde ein nasser, unfreundlicher Sommer, so dass Lord Byron vorschlug, jeder möge eine Gespenstergeschichte schreiben. Byron und Marys Ehemann Percy Shelley führten im Beisein Marys lange Gespräche, so auch über die Möglichkeit, auf galvanistischer Grundlage künstliches Leben zu zeugen. In der Nacht wurde die junge Frau von einem Alptraum heimgesucht, der sie bei Tage weiter verfolgte: "Ich sah - geschlossenen Auges zwar, doch mit geschärften Sinnen - den bleichen Studenten der gottlosen Künste neben jenem entsetzlichen Gebilde knien, das er zusammengefügt hatte. Das grässliche Abbild eines Menschen lag ausgestreckt da, bis es plötzlich, angetrieben durch irgendeinen kraftvollen Mechanismus, Zeichen von Leben zeigte und sich aufraffte zu ungelenker, fahriger Bewegung."

Katharina Raffalt (Foto rechts) ist Jahrgang 1982 und hat aus Mary Shelleys Roman eine Spielfassung für das Jenaer Theaterhaus erstellt - zusammen mit dem Dramaturgen Jonas Zipf. Denn "Frankenstein" soll als großes Open-air-Spektakel auf dem Theatervorplatz die diesjährige Kulturarena eröffnen. Und weshalb zum Kulturarena-Auftakt ausgerechnet 'Frankenstein'? "Na, das ist doch das Thema unserer Spielzeit: 'Weine, weine, Bestie Mensch!'", wird Moritz Schönecker, der Regisseur, in der OTZ zitiert. Sein Bruder Benjamin, der Bühnenbildner des Spektakels ist, ergänzt: "Wir schaffen unsere Monster in der Gesellschaft. Davon erzählt parabelhaft das Stück. Das Wesen sucht Liebe und findet Hass. Also sinnt es auf Rache. Es hat nichts und nimmt seinem Schöpfer alles."

Ein düsteres, morbides Stück, in dem getötet und vergewaltigt wird, sei es geworden, sagt der Regisseur, weshalb der Besuch des Open-air-Spektakels, an dem die Theaterhaus-Schauspieler und Gäste, eine Live-Band und rund 50 Statisten aus Jena und der Umgebung mitwirken, nur für Besucher ab 14 Jahren empfohlen. "Auch wenn wir die Mechanismen, die letztlich zu den Greueltaten führen, auf der Bühne offenlegen, wird sich das Kindern nicht unbedingt erschließen", ahnen die beiden Schöneckers.

Heute beginnen die finalen Proben für das Stück, das am Donnerstag Abend Premiere hat und bis zum Sonntag, den 15. Juli 2012 aufgeführt wird. Damit beginnt dann die diesjährige "Kultuararena" auch ganz offiziell, die erst am 26. August 2012 zu Ende gehen wird. Lesen Sie HIER und DORT noch einmal unseren Bericht zum diesjährigen Open-Air-Spektakel der "Kulturarena".

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