Mittwoch, 24. April 2013

"Ein König vor Gericht (Teil 5)": Zeugenaussagen, Videos und Neonazis im Gerichtsaal - Der zweite Prozesstag im Überblick


(lsn / jg stadtmitte / otz) - Lothar König wird zu Beginn der heutigen Verhandlung von der Staatsanwaltschaft Dresden vorgeworfen, er habe sich am Morgen des 19. Februar 2011 auf der "Kaitzer Straße" in Dresden mit dem blauen VW Transporter (= "Lauti") in einer Menschenmenge von über Tausend Personen auf eine Aufenthaltsverbotszone zubewegt, um in das Areal des Naziaufmarschs vorzudringen zu können und diesen zu stören.

Königs Verteidigung verweist auf die Drucksache 5/7299 des Sächsichen Landtags, in welcher der sächsische Innenminister erklärt, dass es die von der Staatsanwaltschaft benannte Aufenthaltsverbotszone nie gegeben hat.

Der erste Zeuge am heutigen Tag muss ausagen. Es ist ein Polizist, der mehr als eine Stunde lang vernommen wird. Zunächst kann sich der Zeuge daran erinnern, dass er Lothar König am bewussten Tag erkannt hätte, dann wiederum ist er sich unsicher, sagt aber zum Ende aus, dass er sich nun sicher ist.

Als zweiter Zeuge wird ein Hundertschaftsführer der 24. Einsatzhunderschaft aus Berlin befragt. Er äußert sich in seiner Vernehmung zuerst zu den Umständen des 19. Februars 2011, die seinem Empfinden nach, "bürgerkriegsähnlich" gewesen seien. Dann schildert er seine Eindrücke vom Ablauf der Nazi-Gegendemonstration. Der Hundertschaftsführer erzählte auch dass er am 19. Februar 2011 nichts mit Lothar König zu tun gehabt hatte, vor allem habe er ihn andiesem Tag nicht gesehen. Er erinnere sich aber an Lothar König, wie er diesen bereits drei Monate zuvor im Wendland gesehen habe. Zumindest könne er sich an jemanden erinnern , sagt er, der so ausgesehen habe wie König. Für ihn markant seien die Sandalen ohne Socken gewesen. Auf Befragen der Verteidigung Königs erklärte der zweite Zeuge nochmals, am 19. Februar 2011 habe er keinen Kontakt zu ihm gehabt. Der Hundertschaftsführer sagte aber auch, dass Demonstranten nach kurzen Treffen am VW Transporter anschließend immer wieder gegen Polizisten vorgegangen seien.

In der Mittagspause informiert ein Korrespondent darüber, dass er gehört habe, die Staatsanwaltschaft Dresden prüfe derzeit, ob damals ein zweiter Lautsprecherwagen vor Ort gewesen sein könne.

Nach der Pause wird die Videotechnik eingeschaltet und es werden Videos der Anklage gezeigt. Das erste Video der Soko 19/2 mit der Zeitspanne 9 Uhr 18 bis 11 Uhr 30, aufgenommen in der "Nöthnitzerstraße", ist zu sehen. Es zeigt u. a. Lothar König vor dem "Lauti" in verschiedenen Situationen in denen der Pfarrer deeskalierend auf die Versammlungsteilnehmer einwirkt. Im Gerichtssaal nickt König an verscheidenen Stellen des Videos, kann sich offenbar an die Situationen erinnern.

Als der DVD-Spieler nicht richtig funktioniert und die Technik wieder in Gang gesetzt werden muss, meldet sich Königs Rechtsanwalt Eisenberg zu Wort. "Der größte Fehler der Dresdener Strafverfolgungsorgane ist es augenscheinlich, dass Demonstranten sich dafür rechtfertigen müssen zu demonstrieren", sagt er und fügt an: "Das, was in diesem Video zu sehen ist, ist eine normale Grundrechtsausübung.” Der Richter versucht Eisenbergs Statement zu unterbrechen, verweist darauf, dass das Video noch nicht zu Ende betrachtet worden sei.

Schon zuvor hatte der Richter Eisenberg gerügt. Dieser war mehrfach laut gegen den ersten Zeugen geworden, worauf der Richter die Verhandlung hatte unterbrechen lassen. Der Grund für Eisenbergs Empörung war die fortgesetzte Beschreibung von aggressiven, überwiegend schwarz gekleideten Demonstranten, was nach Eisenbergs Ansicht nichts mit den Vorwürfen gegen seinen Mandanten zu tun habe, aber schlechte Stimmung gegen ihn verbreiten solle. Der Vorsitzende Richter verbat sich daraufhin den verbalen Ausfall des Verteidigers.

Gegen 14 Uhr 15 lehnt der Richter die Vorführung von weiterem Videomaterial ab. Zuletzt waren nur schmale Bildstreifen zu sehen gewesen, da offensichtlich ein VGA-Kabel defekt war. Eisenberg resümiert, dass die heute gehörten beiden Polizeizeugen nicht ausgesagt hätten, dass sein Mandant zu Gewalt aufgerufen habe. Genau das will die Anklage jedoch beweisen.

Die Staatsanwaltschaft hält Lothar König unter anderem vor, mit Lautsprecherdurchsagen Demonstranten aufgefordert zu haben, auf Polizisten loszugehen. Zudem habe aggressive Musik aus dem Wagen die Massen aufgeheizt. Zudem soll der Pfarrer versucht haben, einem Steinewerfer die Flucht zu ermöglichen Weiter heißt es in der Ankageschrift, König habe durch sein Agieren die Bereitschaft zur körperlichen Auseinandersetzung unterstützt.

Gegen 14 Uhr 30 wurde die Zeugenbefragung fortgesetzt. Verteidiger Eisenberg befragte den Chef der 24. Hundertschaft nach dessen politischer Orientierung, woraufhin der Zeuge äußert, dass er dazu keine Angaben machen werde. Die Staatsanwaltschaft und das Gericht protestierten daraufhin gegen die Fragestellung. Eisenberg hingegen äußert, dass dies sehr wohl sein Recht sei und begründet die Frage mit mehreren Fällen der Rechtsprechung.

Kurz danach betreten mehrere Neonazis vom "Freien Netz" Sachsen den Raum, die offensichtlich zuvor an einem anderen zeitgleich laufenden Prozess im selben Gericht teilgenommen haben. Königs Verteidiger Eisenberg möchte anschließend eine Antwort auf seine Frage erzwingen. Die Verhandlung wurde daraufhin unterbrochen, damit das Gericht hierüber beraten kann. Während der Unterbrechung betreten weitere Neonazis des Saal; die JG Stadtmitte zählt insgesamt sieben Personen der Rechten Szene. Lothar König reagiert gelassen.

Der Richter informiert nach der Beratung, dass die Frage ob der Polizeizeuge sich über seine politische Orientierung äußern müsse, vorläufig vom Gericht für unzulässig erklärt werde, es sei denn, es lägen konkrete Hinweise vor, dass dieser Polizist eine extrem-rechte Einstellung habe oder nachweislich mit der rechten Szene Verbindungen hätte.

Eisenberg hält seine Frage sehr wohl für zulässig sei, da es ihm darum gehe, die Motivation für eine Aussage des Polizisten herrauszufinden. Der Polizist hatte als einziger Beamter wiederholt behauptet, dass Lothar König bzw. dessen blauer Lautsprecherwagen zu einer in der Anklage genannten Tatzeit vor neun Uhr an einem bestimmten Tatort gewesen sei. Seine Polizeikollegen hätten hingegen sämtlich andere Angaben gemacht. Verteidiger Eisenberg erklärte, dass eine Motivation für die Aussage des Polizisten zum Beispiel in seiner politischen Gesinnung liegen könne und er deswegen danach fragen müsse. Daraufhin wird die Verhandlung erneut unterbrochen und das Gericht zieht sich nochmals zur Beratung zurück, lehnt aber immer noch die Fragestellung als unzulässig ab.

Königs Verteidigung zitiert daraufhin aus dem Protokoll eines anderen Beamten der 24. Berliner Einsatzhundertschaft. Dieser hatte kurz nach der Veranstaltung in Dresden zu Protokoll gegeben, dass ein weiterer Lautsprecherwagen vor Ort gewesen wäre. RA Eisenberg weist das Gericht auch darauf hin, dass der Chef der 11. Berliner Einsatzhundertschaft zwei Lautsprecherwagen gesehen hätte. Allerdings seien, aus Sicht dieses Einsatzhundertschaftsführers, von beiden aber explizit keine strafrechtlichen Vorgänge ausgegangen.

Königs RA Voigt, empfiehlt daraufhin eine Vereidigung des Polizeizeugen und zwar zur Frage, ob der VW Transporter, den er gesehen habe, eindeutig Lothar Königs "Lauti" gewesen sei. Der Zeuge relativiert daraufhin seine Aussage und sagt nun, zwar habe er einen Lautsprecherwagen gesehen, er könne sich aber nicht mehr daran erinnern ob dieser blau oder weiß gewesen war. Das Gericht lehnt daraufhin die Vereidigung des Zeugen ab.

Dem Gericht liegen zudem seit heute eine Reihe von Beweisanträgen der Verteidigung vor, um zu den nächsten Verhandlungstagen Entlastungszeugen für König vor das Gericht zu rufen. Unter anderem beantragte Königs Verteidiger, sämtliche Mitglieder der 11. Berliner Einsatzhunderschaft zum nächsten Termin als Zeugen zu laden, damit die Äußerungen des Führers der 24. Einsatzhundertschaft als Falschdarstellung gewertet werden können.

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