Donnerstag, 20. Juni 2013

"Ein König vor Gericht (Teil 10)": Der 6. Prozesstag in der Übersicht - Staatsanwaltschaft bringt 200 Stunden Videomaterial ein - Lothar König beklagt sich darüber, dass zwanzig Minuten herausgeschnitten wurden


(lsn / junge gemeinde stadtmitte) - Jugendpfarrer Lothar König steht in Dresden vor Gericht, Hintergrund sind Ausschreitungen bei Demonstrationen gegen Neonazis am 19. Februar 2011 in der Elbestadt. Es ist Donnerstag, der 20. Juni 2013, der 6. Verhandlungstag.

Kurz nach 9 Uhr wird der Prozess wieder eröffnet; wegen der brütenden Hitze im Gerichtsaal entscheidet der Richter Ulrich Stein, dass kein "Robenzwang" herrscht. Der erste Zeuge wird gehört, ein Polizeibeamte, der ursprünglich KFZ-Mechaniker war ubnd heute in Dresden Videomaterial sichtet. Er war mit zwei anderen Kollegen zuständig für die Videoauswertung der Ausnahmen vom 19. Februar 2011 unter dem Gesichtspunkt des Vorwurfs des Landfriedensbruchs gegen Lothar König.

Der Zeuge erklärte, dass er und seine Kollegen 200 bis 300 Stunden Video-Rohmaterial vom 19. Februar 2011 zur Verfügung hatten und daraus etwa 3 Stunden Material extrahiert hätten, welches heute in der Gerichtsakte zu finden ist. Die Verteidigung versucht zu erfahren, wieviel von den ca. gesamt 200 Stunden Polizei-Videomaterial für die Anklage zur Verfügung gestellt worden sind. Fraglich sei u.a., so Königs Rechtsanwalt Eisenberg, was "gefiltert" wurde und wer die Entscheidungen traf. Außerdem sei rätselhaft, warum es, trotz 300 Stunden Materials,  für die Tatziffer 1 (= "Schwerer Landfriedensbruch") von 8 Uhr 46 bis 9 Uhr 06 Uhr kein Videomaterial gäbe.

Richter Stein folgte anschließend der Intention von RA Eisenberg und erklärte, er möchte das gesamte Material und eine Zusammenstellung des, von der Polizei für relevant gehaltenen, Materials. Dieses Material sei zum nächsten Gerichtstag vorzulegen, da es den Verfahrensbeteiligten ermöglichst werden solle, das gesamte Material zu sichten.


Hintergrund per prüfung ist auch, dass es völlig unterschiedliche Angaben dazu gibt, welche Aussagekraft die Tonspuren der Videos haben und was Pfarrer König am 19. Februar 20111 tatsächlich gesagt haben soll. Hierzuerklärte der Zeuge vor Gericht, dass die Tonspuren nicht nachträglich bearbeitet worden seien. Was die auf den Videos handelnden Personen sagen, hätten Polizisten bei mehrfachem Anschauen und Anhören der Szenen zu verstehen versucht, erklärte der Polizist.

Später kam es zu einer Debatte zwischen Richter, Staatsanwaltschaft und Königs Verteidigung über die Rolle des Zeugen. Das Gericht merkte an, dass es sich bei diesem um einen Sachverständigen handeln würde, Verteidiger Eisenberg widersprach und wollte ihn statt dessen als Zeugen vernehmen. Zudem bezeichnete er es als unfair, dass ständig neues Material eingebracht wird und übte Kritik an dieser Gerichtspraxis. Danach wurde Lothar König das Wort erteilt.

Dieser verlangte u. a. das Video-Material des Zeugen speziell auf die angebliche Tatzeit von 8 Uhr 45 (= Eindringen in die sog. "Aufenthaltsverbotszone") bis 9 Uhr 07 (= Beginn der polizeilichen Aufnahmen, die im Prozess vorgelegt wurden) hin anzusehen, also den Zeitraum, der bislang in den Polzeivideos fehlt. Der Richter stimmt ihm zu, damit man später entscheiden könne, ob König in dieser Zeit deeskalierend gewirkt habe. Allerdings merkte Richter Ullrich Stein auch an, nicht nur die konkreten Tatvorwürfe würden bei der Urteilsfindung zu berücksichtigen sein, sondern auch das Verhalten Königs während des ganzen Tages, worauf Lothar König sagte: "Ich habe die Befürchtung, dass der Urteilsspruch schon feststeht."

Nach der Mittagspause wird das neu eingereichte Videomaterial unter Ausschluss der Öffentlichkeit von den Verfahrensbeteiligten gesichtet; wieviel und welches Material der 300 Stunden gezeigt wurde, ist nicht bekannt. Um 14 Uhr 15 wird dann der 6. Prozesstag mit dem EInlass der Öffentlichkeit fortgestezt. Zehzn Minuten später erklärt der Richter, dass der Prozesstag nun beendet werde. Weshalb die Zuschauer drei Stunden warten mussten, um dies zu erfahren, bleibt unklar. Allerdings kann man einen sichtlich erleichterten Lothar König sehen, als der Richter mitteilt, die Sichtung des Videomaterials am heutigen Tag habe (Zitat) "neue Blickwinkel eröffnet". In knapp zwei Wochen soll der Prozess fortgesetzt werden.

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