(tim schwarz) - Heute ist der sechste Prozesstag in München beim sog. "NSU"-Prozess. Er beginnt mit der Fortsetzung der Befragung des Angeklagten Carsten Sch*ltz*. Dieser wird zuerst vom Vorsitzenden Richter Götzl befragt werden, bevor auch die prozessbeteiligten Staatsanwälte, Verteidiger und Nebenklägeranwälte an die Reihe kommen.
Götzl fragte Sch*ltz* nochmals zu dessen Gründen, Mitglied in einer rechtsradikalen Jugendclique gewesen zu sein. Dessen Antwort: "Da hatte ich Respekt, da ging's mir gut. Ich habe mich stark gefühlt." Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt hätten damals nicht zu seiner Gruppe gehört, "Das waren halt drei von den Älteren", fügte er an.
Ralf Wohlleben, sagte Sch*ltz* aus, habe ihn eines Tages von den untergetauchten Kameraden erzählt und davon, dass die drei Jenaer Hilfe bräuchten, und Wohlleben hätte ihn gefragt, ob er helfen könne. Zu den Dreien habe er davor "gar kein Verhältnis" gehabt, er habe sie kaum gekannt. Nach Darstellung des 33-Jährigen war es auch Wohlleben, der letztlich die Entscheidungen traf, was er, Sch*ltz*, im Bezuig auf die drei zu tun und zu lassen habe. In Chemnitz habe er Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe dann mehrfach getroffen. Nach Aussage von Sch*ltz* wurde er von Böhnhardt und Mundlos immer "Kleener" genannt. Nachdem er dem Trio erfolgreich ein Handy besorgt hatte, sollte er auch ein Motorrad für den "NSU" beschaffen, doch der Versuch scheiterte. Ergebnis: "Die beiden Uwes waren sauer".
Dann fragte in Götzl zu dem schwerwiegendsten Verbrechen, das Carsten Sch*ltz* zur Last gelegt wird: die Ceska 83 Waffe, mit der der "NSU" neun türkisch- und griechischstämmige Geschäftsleute umgebracht haben soll. Und der Angeklagte antwortet umfassend: "Irgendwann kam der Wunsch nach einer Handfeuerwaffe mit Munition, möglichst ein deutsche Fabrikat. Ich holte mir Rat bei Wohlleben, der schickte mich zu einem Laden in Jena. Dort gab es aber nur ein osteuropäisches Modell mit Schalldämpfer. Ich fragte Wohlleben, der gab das Okay. Auch das Geld habe ich von ihm bekommen, damit die Waffe gekauft", sagte Sch*ltze vor Gericht aus.
Mit der Bahn fuhr Carsten S. nach Chemnitz, die Waffe in einer Reisetasche. Der Angeklagte kam in Chemnitz an und "die beiden Uwes holten mich am Bahnhof ab. In einem Café kam dann auch Beate Zschäpe dazu, verschwand aber kurz darauf wieder." Man ging in ein Abbruchhaus in Chemnitz, Böhnhardt und Mundlos begutachteten die Waffe. "Ich weiß noch, wie einer der beiden Uwes den Schalldämpfer auf die Waffe schraubte"; erinnert sich Sch*ltz*.
Richter Götzl daraufhin: "Haben Sie nach dem Zweck für die Waffe gefragt, haben Sie sich Gedanken gemacht?“ Erst schweigt Carsten Sch*ltz* kurz, sagt dann, er habe das Gefühl gehabt, die drei seien "in Ordnung" und "dass nichts passieren" werde. Anschließend spricht der Angeklagte wieder über die Ceska 83 Pistole. Die Übergabe in einem Abbruchhaus in Chemnitz wäre fast geplatzt, berichtet Sch*ltz*: "Ein Mann kam zu uns und fragte, was wir denn hier machen würden. Einer der Uwes versteckte die Waffe dann hinter seinem Rücken."
Dann gesteht der Angeklagte einen Einbruch in der Wohnung von Beate Zschäpe, unmittelbar nach dem Abtauchen des Trios im Jahre 1998, bei dem er eine Aktentasche an sich nahm. Er habe dies im Auftrag von Ralf Wohlleben und "ohne Nachfragen" ausgeführt. Richter Götzl fragt Carsten Sch*ltz* mehrmals nach den Gründen für das, was er getan habe. Dessen Antwort: "Keine Ahnung. Ich habe das nicht diskutiert, das gehörte einfach dazu. Ich sollte das machen. Ich hatte doch den Kontaktjob. Alle zwei Wochen habe ich Kontakt aufgenommen", sagte er.
Ob der im Rahmen des "Kontaktjobs" nur mit Böhnhardt und Mundlos zu tun gehabt habe, oder auch mit Zschäpe, will Götzl nun wissen.: In einem Café in Chemnitz habe er, sagt Sch*ltz*, an Beate Zschäpe Unterlagen übergeben, die unterschrieben werden sollten. Wohlleben habe ihm diese zuvor ausgehändigt. Carsten Sch*ltz* vermutet, dass es Anwaltsvollmachten gewesen seien, sagt er.
Nun will Gotzl Details zur beschaffung der Ceska 83 wissen. Das Geld für die Czeka habe Carsten von Ralf Wohlleben bekommen, sagt Sch*ltz*, anschließend das Geld in einem Rucksack zum Waffenhändler in den "Madley"-Laden in der Wagnergasse in Jena gebracht. Im Tausch habe er in einer Reisetasche die Waffe samt Schalldämpfer und Munitionsdöschen mit 20 bis 50 Schuss bekommen. Dann sei er mit dem Zug nach Chemnitz zu Böhnhardt und Mundlos gefahren, habe die Waffe übergeben und dafür seinerseits Geld empfangen, dieses Geld habe er anschließend wieder Ralf Wohlleben zukommen lassen, sagte Sch*ltz*.
Dann wird Richter Götzl harsch zu Sch*ltz*. "Das war keine Spielzeugpistole, Herr Sch*ltz*, das war eine gefährliche Waffe mit Schalldämpfer. Wofür sollte sie sein, wovon gingen Sie aus?", will er wissen. Der Angeklagte beruft sich auf Erinnerungslücken, sagt "Ich weiß es nicht mehr." Götzl zitiert aus den Vernehmungsprotokollen des Bundeskriminalamts, dort stehe, dass er "Bauchschmerzen" wegen der Sache gehabt habe und ihm "schon komisch" gewesen sei, sagt der Richter. Nun kann sich der Angeklagte doch noch an etwas erinnern: "Ich dachte, die beiden Uwes bräuchten die Waffe zur Geldbeschaffung", sagte er aus.
Richter Götzl sieht anschließend keinen Sinn mehr darin, den Angeklagten am 6. Prozesstag weiter zu befragen, da dieser Konzentrationsprobleme habe; Sch*ltz*s Verteidiger Johannes Pausch hatte einen entsprechenden Antrag gestellt. Götzl kündigte aber an, die Befragung von Carsten Sch*ltz* könne erst fortgesetzt werden, wenn ein Essener Psychiater anwesend sei; dieser hatte in einem Gutachten rückblickend bei dem Angeklagten "Reifungsdefizite" und eine schwierige "sexuelle Identitätsfindung" erkannt.
Damit wurde der 6. Prozesstag beendet.
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