(tim schwarz) - Vor Beginn des 11. Prozesstages am gestrigen Dienstag, den 18. Juni 2013, gab es eine Pressemitteilung der Rechtsanwälte Stolle und Scharmer (= vetreten Sohn und Tochter des ermordeten Mehmet Kubasik), in der es u. a. heißt: "Die Vernehmung von Carsten S. hat einige neue Aspekte zu Tage gefördert, die bisher noch nicht bekannt waren. Vor allem die Tatsache, dass Mundlos und Böhnhardt gegenüber ihm zu erkennen gegeben haben, dass sie bewaffnet sind, Banküberfälle und Sprengstoffanschläge begehen, wirft ein vollkommen neues Licht auf die Anfangszeit des NSU. Offensichtlich waren die Untergetauchten gar nicht so konspirativ in ihrem Vorgehen, wie bislang angenommen. Dies wirft natürlich auch Fragen bezüglich des Wissens der anderen UnterstützerInnen auf, vor allem aus Sachsen."
Am 11. Verhandlungstag hatten die Anwälte der Nebenkläger das Wort, was ein langwieriges Verfahren darstellt, denn insgesamt neun Anwälte vertreten z. B. die Familie des ermordeten Mehmet Kubasik. Den Anfang machten Fragen zum "Thüringer Heimatschutz" und zur NPD. Die Anwälte der Angehörigen des in Hamburg ermordeten Süleyman Taşköprü fragen Sch*ltz* zum Beispiel, ob er bzw. die Jenaer Nazi-Szene Verbindungen zu norddeutschen Neonazis gehabt hätten. Sch*ltz* antwortete, er kenne die Namen Thorsten H. und Christian W., außerdem wisse er vom Szene-Magazin "Hamburger Sturm". Verbindungen kenne er jedoch nicht, auch nicht was Wohlleben oder Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe angehe.
Eine Nachfrage in diesem Komplex bezog sich dann auf den heutigen NPD-Bundesvorsitzenden und früheren Junge Nationaldemokraten-Funtionär Holger Apfel. Apfel kenne er, sagte der Angeklagte, denn er war selbst zweimal auf Sitzungen der JN gewesen. Über Verbindungen "der Drei" zu Holger Apfel wisse er aber nichts. Es falle ihm aber schwer, sagte Sch*ltz*, die genauen Gesprächsinhalte bei JN-Sitzungen wiederzugeben: "Ich habe das nie wieder genutzt, das Wissen, deswegen fällt’s mir schwer, zu sagen, was da erzählt wurde“, sagte er. Bei den JN-Sitzungen hätten sie die Schulungspapiere manchmal einfach vorgelesen und die "Kiddies" hätten nur darauf gewartet, dass es zu Ende ist "und man zum gemütlichen Teil übergeht".
Über Jena befragt erklärte Sch*ltz*, einmal sei er von einem Jenaer Türsteher bedroht worden, dieser habe sich dann später aber bei ihm entschuldigt. "Da hatte sich wohl rumgesprochen, dass ich Leute kenne", fügte der Angeklagte an. Zur Bewaffnung in der Jenaer Rechtsradikalen-Szene angesprochen, sagte Sch*ltz*, dass er Teleskop-Schlagstöcke und Schreckschusswaffen gekannt habe. Weshalb er dann beim Auftrag, eine Waffe zu besorgen, schockiert gewesen sei, wollte Nebenklägeranwalt Wierig deshalb von ihm wissen. Sch*ltz* antwortete ihm, das sei ein Unterschied gewesen, da "die beiden Uwes und Frau Zschäpe" nichts mit seiner Lebenswelt in der Szene zu tun gehabt hätten, weil sie untergetaucht gewesen wären.
Dann folgten die Anwälte der Familie Kubasik. Rechtsanwältin von der Behrens befragt Sch*ltz* u. a. zu einem Mitangeklagten: "Vertrat Ralf Wohlleben Ihnen gegenüber rassistische Positionen?" Sch*ltz* antwortete ähnlich, wie an den vergangenen Sitzungstagen, und zwar, dass er keine konkrete Erinnerung mehr daran habe. Zumindest das wusste er noch: "Wir sangen Lieder und Ralf sang mit." Auf die Frage, ob er die Band "Eichenlaub" kenne, die das Untertauchen des "NSU"-Trios besungen hatte, nickte der Angeklagte.
Daran knüpfte Anwältin Edith Lunnebach an, die in Fall des Bombenanschlags in der Kölner Probsteigasse die Nebenklage vertritt. Hatten Böhnhardt und Mundlos und Zschäpe Kultstatus in der Szene, will sie wissen: "Wurden sie bewundert? Wer bewunderte sie? Gab es einen Unterschied in der Szene zwischen den Älteren und den Jüngeren?" Richter Götzl bremst sie ein wenig, möchte Frage um Frage getrennt gestellt haben. Bei der Antwort weicht der Angeklagte erneut aus, wird kryptisch in seinen Aussagen. Den Älteren, so Sch*ltz*, die schon länger der Szene angehörten, sei stets Respekt entgegengebracht worden. Bewunderung für die Untergetauchten? Carsten Sch*ltz* windet sich, erklärt, dass man das "so nicht sagen" könne.
Auch nach der Mittagspause schleppt sich der Prozess dahin, es folgt Frage um Frage aus den Reihen der Nebenklage. Anwältin Clemm fragte zum Beispiel: "Sie sagten, Sie hätten die Szene-Musik lustig gefunden. Geht es da um die Tötung von Ausländern?" Sch*ltz* blickte bei dieser Frage kurz hoch und antwortet dann mit "Ja". - "Was fanden Sie daran lustig?", will Clemm wissen, worauf der Angeklagte kurz zögert und dann in seiner Antwort wieder unverbindlich wird: "Den Namen: Die Zillertaler Türkenjäger. Ja, was fand ich daran lustig? Das Sich-über-Normen-Hinwegsetzen."
Gegen Ende des 11. Verhandlungstages, für Carsten Sch*ltz* ist es bereits der sechste im Zeugenstand, kommen die Rechtsanwälte Dierbach und Bliwier an der Reihe, die sich offensichtlich abgestimmt haben, denn Dierbach bereitet vor: "Haben Sie nicht überlegt, dass, wenn Wohlleben überwacht wird, Sie dann auch?" Er habe sich sicher gefühlt, antwortet Carsten Sch*ltz*. Bliwier fährt fort: "Haben Sie mal mit jemandem besprochen, dass nur Sie den Kontakt zu den Untergetauchten hatten, also übernommen haben?" Der Angeklagte bejaht das. Ob es Tino Brandt war, will der Anwalt wissen.
Sch*ltz* erklärte in der Befragung, er habe tatsächlich noch zu seiner aktiven Zeit in der Neonazi-Szene mit Brandt über den Kontakt gesprochen. Brisant an dieser Aussage ist, dass Tino Brandt V-Mann des Thüringer Verfassungsschutzes war und seinerzeit verschiedene Informationen zu Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe, dem Thüringer Untersuchungsbericht für die Landesregierung zufolge, auch an den Thüringer Verfassungsschutz weitergeleitet hatte.
Als Brandt als V-Mann aufflog, habe sich Sch*ltz*, so sagte er, keine Gedanken gemacht, was mit den von ihm an Brandt gegebenen Informationen geschehen würde. "Das war völlig uninteressant. Das war vorbei, hinter mir", sagte Carsten Sch*ltz*. Bliewier: "Hatten Sie eine Vorstellung, dass Ihre Kontaktaufnahmen mit dem Trio zeitgleich beim Verfassungsschutz landeten?" Nein, antwortet Sch*ltz*, davon habe er erst im Gefängnis erfahren, als er die Akten gelesen habe. "Haben Sie sich die Frage gestellt", fährt Bliwier fort, "warum 1999 niemand eingeschritten ist? Wenn man weiß, wie nahe der Verfassungsschutz an der Kontaktaufnahme dran war!" Darauf reagierte Sch*ltz* sichtlich erregt und sagte, bezogen auf die Übergabe der "Ceska 83" Waffe: "Als ich festgenommen wurde, dachte ich, ich sei der einzige gewesen, der davon wusste. Und dann erfuhr ich das! Das war schon bitter."
Auch am 12. Verhandlungstag wird die Befragung von Cartsen Sch*ltz* fortgesetzt werden.
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