Freitag, 21. Juni 2013

"NSU" - Der Prozess # 14: Verbaler Schlagabtausch zwischen Anwälten am 12. Verhandlungstag - Tag 13: Stieg Carsten Sch*ltz* wegen des ersten "NSU"-Mordes aus der Neonazi-Szene aus?



(tim schwarz) - Am Mittwoch, den 19.06.2013, dem 12. Prozesstag, kam es gleichzu Beginn zu einem verbalen Schlagabtausch zwischen der Verteidigung Ralf Wohllebens und dem Fragen stellenden Nebenklägeranwalt Reinhard Schön.

Als der befragte Angeklagte Carsten Sch*ltz* immer wieder zu Fragen bezüglich Beate Zschäpe, Ralf Wohlleben oder der Jenaer Bombenwerkstatt ausweicht oder sich nicht erinnern kann ("Ja, da war diese Demo, die ich zuerst in den Tagesthemen gesehen habe. Da stand ich fast neben Frau Zschäpe. Ich kann mich nicht daran erinnern.") fragt Schön entnervt, was Sch*ltz* überhaupt aus den Neonazi-Kreisen bekannt gewesen sei. Ohne wirklich ersichtlichen Grund fühlte sich Rechtsanwalt Olaf Klemke, Anwalt von Wohlleben, dadurch offenbar persönlich angegriffen und beanstandete die Formulierungen von Schön, drohte dem Anwalt sogar mit dem Satz "Ich kann Sie auch anzeigen!“

Überhaupt zeigte sich Carsten Sch*ltz* am 7. Tag im Zeugenstand mit teils erheblichen Erinnerungslücken. Der 33-Jährige weicht oft aus und gibt unpräzise Antworten. Nebenkläger-Anwalt Klee: "Was heißt bei Ihnen ideologischer Ausstieg? Was heißt, nicht mehr für mein Land in den Kampf ziehen? Wollten Sie in den Krieg ziehen?" Antwort: "Ich kann da keine genaue Definition nennen." Klee: "Aber Sie waren in einer politischen Partei und erklären uns hier allen Ernstes, dass Sie nicht einmal wussten, welcher Weltanschauung Sie versuchten, Vorschub zu leisten?“ Ex-NPD-Funktionär Sch*ltz*: "Wir haben das nicht klar abgesteckt, ich weiß nicht, ob da im Programm drin stand: 'Rückführung von Ausländern'."  Der Anwalt fragt und hakt nach: "Was verstanden Sie unter dem Begriff 'Rückführung von Ausländern'?" Carsten Sch*ltz*.: "Das kann ich selber nicht beantworten."

Und doch gelingt es Klee, dem Angeklagten erstmals ein offenes Schuldanerkenntnis zu entlocken. Ob er, fragt Klee, heute ein Gefühl der Verantwortung für die Taten von Böhnhardt und Mundlos empfinde? Sch*ltz*: "Ich fühle auf jeden Fall eine Verantwortung damit, wie ich mich damals schuldig gemacht habe - diese Waffe zu übergeben und Sachen wegzuschieben." Worauf Klee nachfragte: "Auch darauf, dass Sie es unterließen, Hinweise zur Festnahme zu geben?" Worauf der Angeklagte mit einem knappen "Ja" antwortete.

Am 13. Verhandlungstag am hgestrigen Donnerstag, den 20.06.2013, beendete das OLG München die Vernehmung des Angeklagten. Der 33-Jährige war der bislang einzige der fünf Angeklagten, der vor Gericht ausgesagt und Fragen beantwortet hat. Der Mitangeklagte Holger Gerlach hatte im Prozess um die Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" / "NSU" lediglich eine Erklärung verlesen; die ebenfalls angeklagten André Em*ng*r und Ralf Wohleben haben, ebenso wie die Hauptangeklagte Beate Zschäpe, erklärt, dass sie weder Fragen beantworten, noch Aussagen machen, noch Erklärungen verlesen werden.

Zu Beginn des 13. Verhandlungstages wurde Carsten Sch*ltz* kurz von einen psychologischen Sachverständigen befragt, dann konten die Verteidiger der Mitangeklagten Fragen an ihn stellen. Beate Zschäpes Anwalt Heer erklärte jedoch, dass er und seine Kollegen derzeit keine Fragen an den Angeklagten hätten, ebenso wie die Verteidiger von André Em*ng*r. Die Anwälte von Holger Gerlach hatten zwar angekündigt, Carsten Sch*ltz* "drei kurze Fragen" zu stellen, verzichteten aber darauf, als sie feststellten, dass die anderen Anwälte ebenso auf ihr Fragerecht verzichteten.

Allerdings verlesen die Verteidiger von Zschäpe, Wohlleben und Em*ng*r Erklärungen. So fordert etwa Nicole Schneiders, die Anwältin von Ralf Wohlleben dessen "sofortige Freilassung" - Begründung: Carsten Sch*ltz* habe "umfangreiche widersprüchliche Aussagen" gemacht, seine Erinnerungen seien "lücken- und fehlerhaft". Schneiders forderte zudem Sch*ltz* auf, mit ihr und RA Klemke zu reden, denn beide hätten einen umfangreichen Fragenkatalog, den sie gern abarbeiten würden, sagt sie. Dass Sch*ltz* erklärt habe, keine Fragen der Wohlleben-Anwälte zu beantworten, bedute doch nur, dass er sich einer "konfrontativen Befragung" entziehen wolle, was vom Gericht als "Teilschweigen" gewertet werden müsse.

Schwieriger stellt sich die Lage allerdings für Holger Gerlach dar. Beate Zschäpes Verteidigung nahm heute in ihren Erklärungen vor allem ihn "in die Zange". Der Generalbundesanwalt stütze seine Anklage gegen Beate Zschäpe "in ganz erheblichem Maße auf die Angaben des Angeklagten Gerlach", sagte RA Wolfgang Stahl. Damit komme diesen Angaben "eine gewichtige Bedeutung" zu, wenn es um eine mögliche Schuld seiner Mandantin gehe, sagte er.

"Herr Gerlach soll Hern Mundlos, Herrn Böhnhardt und meiner Mandantin Führerschein, Versichertenkarte, Pässe besorgt haben. Allerdings fehlt in seinen Aussagen eine Differenzierung und Zuodnung zu einer bestimmten Person", erklärt Stahl. Daher sei es völlig unmöglich zu rekonstruieren, was Beate Zschäpe, was Uwe Mundlos, was Uwe Böhnhardt getan hätten. "Nach Darstellung von Herrn G. haben alle drei Personen sozusagen 'im Chor' mit ihm gesprochen, und es waren jeweils 'sechs Hände', die ihm etwas übergeben oder etwas von ihm entgegengenommen haben sollen", erklärte Zschäpes Rechtsanwalt und fügte an, dass eine strafrechtlich relevante individuelle Schuldzuweisung auf derartige Angaben nicht gestützt werden könne.

Danach ergriff Richter Götzl das Wort, und fragte Carsten Sch*ltz*, ob er mit Ralf Wohlleben oder anderen Personen darüber geredet habe, wie Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe nach ihrem Untertauchen 1998 ihren Lebensunterhalt verdient hätten. Der Angeklagte antwortete knapp mit "Nein." Aber, so fügte er an, er habe damals "Assoziationen mit Banküberfällen" gehabt.

Anschließend ergriff Bundesanwalt Weingarten das Wort und fragte Carsten Sch*ltz* nach dessen Beweggrund, aus der Neonazi-Szene auszusteigen und kam auf den Zeitpunkt des Ausstiegs zu sprechen. Weingarten sagte: "Der Zeitpunkt Ihres Entschlusses zum Ausstieg, das muss Ende August 2000 gewesen sein." Sch*lz* bejahte dies.

Weingarten weiter: "Wenn man da drei Wochen draufschlägt, dann landet man beim 11. September 2000. Das ist der Todestag von Herrn Simsek. Dieser nicht ganz unauffällige Zusammenhang zwischen Ihrem Ausstiegsentschluss und dem ersten Toten, gibt es da inneren Zusammenhang, über den sie bisher noch nicht gesprochen haben?" Sch*ltz* schüttelte denKopf und antwortete mit einem klaren: "Nein." Danach wurde seine Zeugenvernehmung geschlossen. An insgesamt acht Verhandlungstagen war Sch*ltz* mehr als 25 Stunden lang im Zeugenstand gewesen.

Nächste Woche soll der Prozess am 14. Verhandlungstag mit Vernehmungen von Polizisten und anderen Zeugen fortgesetzt werden.

------------------------------------------------------------------------------------------------------------


( Anklicken und man wird weitergeleitet!“

Keine Kommentare: