Mittwoch, 26. Juni 2013

"NSU" - Der Prozess # 17: Der 16. Prozesstag - Weitere Zeugen geben Auskunft zu den Wohnverhältnissen - Verteidiger versuchen ohne Erfolg Richter Götzl vorzuführen



(tim schwarz) - Am 16.  Prozesstag hatten weitete Zeugen auszusagen über die Wohnverhältnissen in Zwickau.Volker E. wird als erster Zeuge gehört; es ist der letzte Hausverwalter der "Frühlingsstraße 26", eingesetzt und beauftragt, nachdem der Besitzer des Hauses gewechselt hatte.

Anfang September 2011 traf er sich zum ersten Mal mit einem Mann, der sich als der Mieter "Herr Dienelt" ausgab und eine Bodenabsenkung in der Küche gemeldet hatte. Volker E.: "Es war nichts Dramatisches. Vielleicht wollte er mich auch einfach nur kennenlernen.“ Vom alten Hausverwalter hatte E. lediglich eine Handynummer und den Mietvertrag bekommen, allerdings, so betonte er, ohne Ausweiskopie. Es war jedoch auf keinen Fall der echte Matthias Dienelt. "Durch Fotos, die mir die Polizei später vorlegte, war das klar", sagte er. Wahrscheinlich war es Uwe Böhnhardt, denn auf Nachfrage des Richters gibt  E. eine kurze Personenbeschreibung des Mannes in der Wohnung ab: "Er war größer als ich, etwa 1,85 Meter groß. Er hatte eine sportliche Figur, Alter unter 40, vielleicht Mitte 30. Er hatte kurz geschnittene oder abrasierte Haare. Aber auf Fotos würde ich ihn nicht wieder erkennen."

Für Oktober und November 2011 überwies wohl Beate Zschäpe die Miete für die gemeinsame Wohnung: Vier Zimmer, knapp 120 Quadratmeter, Einbauküche. "Am 28. September kam eine Überweisung von einer Lisa Dienelt und dann am 25. Oktober 2011 von einer Lisa Pohl 740,50 Euro kalt plus 240 Euro Betriebskosten. Die waren überpünktlich", sagte der Zeuge aus.

Bei einem zweiten Treffen begrüßte ihn nicht "Herr Dienelt" sondern Beate Zschäpe, die ihm zuvor als Bekannte angekündigt worden war. Auf die Frage nach dem Verhalten Zschäpes bei diesem Treffen antwortet der Zeuge: "Das war ganz normal, es sind nicht viele Worte gewechselt worden. Sie war aus unserer Sicht einfach eine Bekannte des Mieters, die in der Nähe wohnt und gerade Zeit hat, weil der Mieter nicht da ist." Und der Grund für den Hausbesuch? "Gegenüber einem anderen Mitglied der Hausverwaltung hat sich wohl der Mieter aufgeregt, dass die Bäume rundherum beschnitten wurden. Da könne ihnen ja nun jeder in die Wohnung schauen", sagte E. aus.


Dies deckt sich mit Aussagen von früheren Zeugen, die erklärt hatten, Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe hätten besonderen Aufwand betrieben, sich abzusichern und insgesamt vier Kameras an verschiedenen Stellen der Wohnung installiert Außerdem waren die Türen der beiden Kellerräume mit Funkkontaktmeldern versehen gewesen. Hierzu erwähnte der Zeuge die Handwerker, die vor dem Brand im Haus gearbeitet hatten.

Volker E. führte aus, dass die Fahrzeuge der Handwerker auf dem Grundstück geparkt hatten. denn es ging um knarrende Stufen im Treppenhaus als auch die schwere Kellertür, die Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe eingebaut hatten. Ein Handwerker habe bereits alle Vorkehrungen getroffen, die Tür zu öffnen als Beate Zschäpe hinzu gekommen wäre, die sich fürchterlich darüber aufgeregt habe und dagegen war, die Tür zu öffnen. Danach wurde Heiko P. in den Zeugenstand gerufen.
P. sagt aus, dass er bereits ein halbes Jahr vor der Explosion Arbeiten am Gebäude vornahm. Der Zeuge: "Wir mussten im Dach zwei Wohnungen ausbauen. Dann hatte ich noch den Auftrag, in der Küche von Frau Zschäpe die Fliesen zu reparieren, weil darunter ein Balken morsch war." Dann erwähnte er den 04.11.2011.

"An dem Tag sollte eine der beiden Wohnungen besichtigt werden, die wir fertiggestellt hatten. Wir schafften also das ganze Werkzeug in die andere Wohnung. Ich machte Druck, weil ich Kaffee beim Bäcker bestellt hatte. Gegen 14 Uhr 30 sind wir mit dem Transporter zum Bäcker rübergefahren. Plötzlich knallte es. Ich rannte die Straße lang, rief so etwas wie 'Was ist die Nummer der Feuerwehr?' Dann sah ich, wie eine Hauswand fehlte. Mein erster Gedanke war, das kann nicht von meiner Baustelle gewesen sein, sonst wäre das Dach weg gewesen. Ich sah in der Wohnung kleine Flammen, nach ein paar Minuten ging das Feuer richtig los."


Heiko P. berichtete weiter: "Die Frau, also Frau Zschäpe, wohnte doch da. Und dann die zwei jungen Männer. Waren eben Kundschaft, wir hatten nicht groß Kontakt. Ich habe Frau Zschäpe einmal im Haus gesehen. Die war immer ruhig. Was die Arbeit mit der Küche anging, habe ich mit ihr besprochen, wie wir den Schaden beheben."

Ob P. mit Bestimmtheit sagen könne, dass es sich bei seiner Kundin um Beate Zschäpe gehandelt habe, möchte der Vorsitzende Richter wissen. P.:"Ich erinnere mich genau an sie, auch daran, dass sie geschminkt war und eine Brille trug. Wie wir Handwerker untereinander sagen: Sie war eine hübsche Frau." Wie die Mitbewohner der Wohnung ausgesehen hätten, wollte Richter Götzl anschließend wissen."Die waren hell und hatten kurze Haare. Größer als ich. Aber ich kann nicht sagen, wer wer war. Im Haus habe ich sie nie gesehen, nur in der Wohnung." Götzl fragte auch nach, ob P. es war, der die verschlossenen Stahltür im Keller öffnen wollte, ob er im Keller jemals auf Zschäpe getroffen sei. Heike P. verneinte dies.

Dann unterläuft Richter Götzl wieder ein Versehen. Wie bereits mehrmals im Prozess geschehen überrascht er so die Anwälte und Zuschauer. Zuletzt war es der "NSU"-Film, der unvorbereitet über die Leinwände abgespielt wurde. Dieses Mal ging er mit Heiko P. eine elektronische Lichtbildmappe durch, um zu sehen, ob P. sich an das Aussehen eines der Mitbewohner erinnern kann. Zu sehen waren zuerst drei alte Fahndungsbilder des LKA Thüriungen. P. zeigte auf Bild 3 mit Mundlos, welches simultan auf die Leinwand im Gerichtssaal projiziert wurde.

Dann tippte Götzl auf das nächste Bild, sagte: "So sah er am Ende aus" und auf der großen Leinwand, für alle Anwesenden gut einsehbar, erschien ein Leichenfoto von Uwe Mundlos, wie sein Körper auf einem Obduktionstisch liegt. Das Bild ist für zwei Sekunden für alle im Saal zu sehen, bevor Götzl es abschaltete. Doch es versetzte vor allem Beate Zschäpe einen Schock, die beim Anblick ihres langjährigen Weggefährten kraftlos in sich zusammensackte

Anschließend blamierte sich Zschäpe-Anwalt Stahl, indem er an den Zeugen Suggestivfragen stellte, und zwar derart, wie er sie vor Tagen noch bei der Nebenklage immer wieder beanstandet hatte. Dafür bekam er eine Rüge des Richters und sagte nun zu sich selbst, durch die Mikrofone gut hörbar, "Wie stelle ich die Frage jetzt offen?" Dann stellte er eine andere Frage an Heiko P., sagte: "Wie wurde der Dämmfilz angetackert?" Der Zeuge antwortete ihm trocken: "Mit einem Tacker", was im Saal große Heiterkeit auslöste. Anschließend stellte Stahl keine Fragen mehr und Richter Götzl übernahm wieder das Ruder.

Was er sonst noch sagen könnte, was für den Prozess von Belang sei, fragte Götzl ihn zum Abschluss und P. berichtete von einer Beobachtung seines Kollegen Rene K. der ihm berichtet habe, dass Kinderschuhe vor der Wohnung gestanden hätten. Danach wurde Heiko P. aus dem Zeugenstand entlassen und Rene K. wird zum Brandtag befragt. Allerdings wird schnell klar: K. gibt sich ienfältig und kann oder will nur wenig Erhellendes berichten, spricht nur sehr allgemein über seine Bauhelfertätigkeiten.

Auf Götzls Frage, ob er Kontakt zu Hausbewohnern gehabt habe, sagte er: "Die aus der mittleren Etage, zwei Männer und eine Frau."  Der Richter atmet tief durch und fragt anschließend: "Können Sie die Frau beschreiben?" K.: "Na die da", und  deutet auf die Hauptangeklagte. Götzl: "Meinen Sie Frau Zschäpe?" K. antwortet: "Ja." Der Richter: "Und die Männer?" Rene K.: "Also sportlich, der eine mit der Segelohren, der andere auch sportlich, mit kurze Haaren."


Nun hat Götzl offensichtlich das Eis gebrochen, als er nachfragte: "Wie kommen Sie darauf, dass die beiden sportlich waren?" K. berichtete: Alle drei fuhren Rad, machten ab und zu Ausflüge, während die Handwrerker im Hause waren. "Man hat sie aber nie zusammen gesehen. Ich sah den einen, Mundlos, immer alleine, die beiden anderen öfter zusammen. Daher nahm ich an, die beiden seien befreundet", erzählte K. vor Gericht.

Beate Zschäpes Anwalt Stahl meldete sich gegen 17 Uhr und erklärt, es dauere heute aber lange, er haben schon eine Zugverbindung verpasst und müsse "noch 6 Stunden mit dem Zug fahren, wahrscheinlich jetzt stehend." Der Vorsitzende Richter schaute daraufhin überrascht zu Stahl und sagte trocken: "Also es läuft doch ganz gut mit den Zeugen und ich denke, nach Herrn K. können wir sogar noch einen weiteren Zeugen zu hören." Doch Stahl erwidert, dass er dannheute "erst um null Uhr nach Hause" komme und "morgen vor sieben Uhr wieder" aufstehen müsse.

Doch damit ist er bei Götzl ichancenlos, denn der konterte geschickt: "Ich bin heute Morgen um halb fünf raus. Das klingt so, als ob die Belastung vor allem Sie treffe." Nun zog Stahl seine Trumpfkarte, führte die abnehmende Konzentrationsfähigkeit seiner Mandantin an, um ein Endes des Prozesstages zu erwirken. Doch Götzl ging darauf nicht ein und konterte erneut: "Jetzt vernehmen wir den Zeugen doch erst einmal zu Ende. Sie werden Herrn K. doch wohl nicht zumuten wollen, wegen Ihnen noch einmal anzureisen. Wir können ja auch früher beginnen. Mir wäre ja schon gedient, wenn wir einmal pünktlich beginnen könnten", antwortete er ihm.

Anschließend meldete sich Zschäpe-Anwalt Heer und betont, dass seine Mandantin "absolut nicht mehr in der Lage ist, den Zeugenaussagen zu folgen". Welche gesundheitlichen Beschwerden Zschäpe hat, will Richter Götzl wissen, man könne auch ein Arzt holen. Danach meldete sich Ralf Wohllebens Verteidigerin Nicole Schneiders zu Wort und verkündete: "Unser Mandant klagt über Kopfschmerzen", doch Götzl gibt nicht nach, will nun ärztliche Untersuchungen durchführen lassen, um den "Sachverhalt verlässlich zu klären".

Einige Anwälte der Nebenklage schüttelten den Kopf, während dieses theaterreifen Schauspiels. Über eine Stunde dauerte die Sache nun schon an, Zeit, in der die Zeugenbefragung leicht hätte zu Ende geführt werden können. Götzl und Heer kamen schließlich gegen 18 Uhr überein, dass Beate Zschäpe "in den nächsten Minuten" ärztlich untersucht werden soll.

Die Anwälte der Nebenklage äußerten sich, während Zschäpe außerhalb des Saales untersucht wurde. Rechtsanwalt Stephan Lucas: "Bei einer Enddreißigerin in den Raum zu werfen, sie sei nicht mehr fit…ich weiß nicht. Ich finde es ärgerlich, dass wir über so etwas bei Schwurgerichtssachen diskutieren müssen." Anwalt Erik Buhlmann zeiget sich ärgerlich darüber, dass erst Abreiseprobleme, danach plötzlich gesundheitliche Probleme der Grund für ein früheres Endes des Prozesstages sein sollten. "Das klingt auf den ersten Blick schon etwas vorgeschoben. Da sagt Götzl völlig zurecht, dass er Frau Zschäpe vom Arzt untersuchen lässt. Das ist nur konsequent“, meinte er. Und RA Raabe erklärte: "Nach dem heutigen Prozesstag ist klar: Frau Zschäpe konnte sich nicht sicher sein, dass niemand mehr im Haus ist vor der Explosion. Das belastet sie stark."

Danach erschien wieder Richter Manfred Götzl und teilte mit, dass ein Chirurg und ein Notarzt keine auffälligen Befunde bei Beate Zschäpe feststellen konnten. Das Gericht werde in Zukunft Sorge tragen, dass immer ein entsprechender Facharzt zugegen sei. Dann richtete er das Wort an Zschäpe: "Wie fühlen Sie sich?" Doch Zschäpe schwieg wie immer und Anwalt Heer antwortete: "Es hat sich nichts geändert."

Götzl bedauerte dann gegenüber dem Zeugen Rene K., dass es schon nach 18 Uhr 30 sei und fügte an: "Wir müssen heute Ihre Einvernahme unterbrechen. Sie müssen leider noch einmal anreisen. Vielen Dank." Und verärgert stellte der vorsitzende Richter abschließend fest: "Wir haben jetzt anderthalb Stunden über dieses Thema vertan." Dann beendete er den 16. Verhandlungstag. Der Prozess wird in der kommenden Woche fortgesetzt.

------------------------------------------------------------------------------------------------------------


( Anklicken und man wird weitergeleitet! )

Keine Kommentare: