Mittwoch, 7. August 2013

"NSU" - Der Prozess # 32: Der letzte Verhandlungstag vor der Sommerpause verhandelte den Mord an Ismail Yaşar


(schwarz und szabo) -
Es war Donnerstag, der 09.06.2005 als in der Nürnberger "Scharrerstraße"/Ecke "Lorschstraße" der Dönerbudenbesitzer Ismail Yaşar getötet wurde. Exakt ein Jahr, nachdem in der Kölner "Keupstraße" eine Bome explodiert war und Dutzende Menschen verletzte, geschah diese Tat.

Bei dem Mord an dem 50-Jährigen waren verschiedene Details anders als bei den fünf "NSU"-Morden zuvor und dies kam am 32. Verhandlungstag vor dem Oberlandesgericht München zur Sprache. Mit fünf Schüssen in Kopf und Herz war Ismail Yaşar getötet worden und es gab offensichtlich einige Zeugen , die zwei sich auffällig verhaltende Männer mit Fahrrädern in der Nähe des Tatorts beobachtet hatten. Diese Zeugen wurden vom OLG gehört.

Und noch etwas war damals anders als sonst: laut der Anklageschrift  war der Mord vom 09.06.2005 der einzige, bei dem sich die Hauptangeklagte Beate Zschäpe zum Tatzeitpunkt in derselben Stadt aufhielt. Ihr wird zwar nicht vorgeworfen, an der Tat direkt beteiligt gewesen zu sein. Jedoch hatten am 32. Verhandlungstag sechs Polizeibeamte auszusagen, die nach dem Mord an Yaşar in Nürnberg ermittelt hatten.

Zu Beginn des letzten Verhandlungstages vor der etwa einmonatigen Sommerpause wurde ein Rechtsmediziner vernommen, der den in Rostock ermordeten Mehmet Turgut untersucht hatte. Den Anfang zum Nürnberger Mord machte dann Polizeibeamtin S., die den Dönerbudenbesitzer niedergeschossen in seinem Imbiss-Stand fand. Er habe "blutüberströmt und offensichtlich leblos" hinter dem Tresen gelegen, schilderte sie und fügte unsensibel an: "
Ein Stammkunde hatte kurz nach 10 Uhr die Nürnberger Polizei benachrichtigt, nachdem er Ismail Yaşar blutüberströmt hinter dem Verkaufstresen aufgefunden hatte. Der gebürtige Türke, er stammte aus Suruç, war 50 Jahre alt, als er vom "NSU" ermordet wurde.

Kriminalhauptkommissar W. fasste dann das Leben des Ermordeten zusammen: Im April 1978 war er nach Berlin gekommen, hatte dort einen Asylantrag gestellt, wohnte damals bei einem Bekannten und in einem Asylbewerberheim. Drei Ehen des gelernte Schweißers scheiterten, bis er sich nach dem Job bei einer Zeitarbeitsfirma 2003 mit einer "Ich AG" und seinem Imbiss selbstständig machte. Sein Kollege R., ebenfalls von der Nürnberger Polizei, berichtete anschließend, was zwei Zeugen an jenem 09.06.2005 kurz vor 10 Uhr beobachtet hatten: Zwei schwarzgekleidete Fahrradfahrer, die "fast im Zeitlupentempo" zum Imbiss radelten und dann dort standen und warteten. Zwei weitere Zeugen saßen zum Tatzeitpunkt in einem Auto und hörten von dort aus die fünf Schüsse. Ein Schall-Gutachter bestätigte, dass deren Wahrnehmung trotz des Lärms einer nahe gelegenen Baustelle absolut plausibel gewesen sei. 

Eine Frau, die kurz nach 10 Uhr in Schrittgeschwindigkeit an Yaşars Verkaufsstand "Scharrer Imbiss" vorbeigeradelt war, hatte zudem angegeben, gesehen zu haben, wie einer der beiden Männer den Stand verließ und seinem Kompagnon eine gelbe Plastiktüte mit schwarzer Aufschrift in die Hand drückte, die dieser in seinen Rucksack steckte. Diese Beobachterin bezeichnete der nächste Zeuge, der gestern vor Gericht aussagen musste, Manfred H. - Leiter der Mordkommission II in Nürnberg - als "sehr, sehr wichtige Zeugin". Mit ihrer Hilfe seien Phantombilder der beiden Fahrradfahrer angelegt worden. Auch habe man ihr die Videobilder vom Nagelbombenattentat in der Kölner Keupstraße vom 09.06.2004 gezeigt. Auch dort waren Fahrradfahrer aufgefallen. Für ihn sei eine Parallele zwischen den Verbrechen offensichtlich gewesen, so der Kriminalbeamte und er fügte an: "Für mich persönlich steckte bei beiden Taten ein fremdenfeindliches Motiv dahinter." Zudem sei der Mord an Ismail Yaşar der sechste dieser Art gewesen. Doch unter den Ermittlern habe es unterschiedliche Auffassungen gegeben, erklärte Manfred H. vor Geircht.

Was diesen Mord eindeutig dem "NSU" zuschreibt, erzählte kurz danach ein BKA-Kommissar, der die Auswertung von Asservaten vorgestellte, die nach der Explosion in der "NSU"-Wohnung in Zwickau gefunden worden waren. Demnach hatten die Terroristen auf Stadtplänen von Nürnberg Orte markiert, auch den "Scharrer Imbiss" und ihn zudem noch mit dem handschriftlichen Vermerk: "Imbiss neben Post" versehen. Auch eine Unterkunft für Asylbewerber war erwähnt worden mit dem Hinweis: "Ohne Schloss, Keller zugänglich." 

Abschließend befragte der Vorsitzende Richter Manfred Götzl den Mordkommissionsleiter noch nach einer Reise, die Manfred H. im Rahmen der Ermittlungen auch nach Suruç, der Heimatstadt von Ismail Yasar unternommen hatte. Dort habe er mit Yasars Eltern und Geschwistern gesprochen, erklärte H.. "Sehr einfache Leute mit sehr seltenem kurdischen Dialekt." Ob es notwendig war, diese weite Reise zu unternehmen, fragte Götzl und H. antwortete mit dienstlichen Gründen, sagte danach aber: "Das ist man den Angehörigen auch schuldig." Eine Bemerkung, die die distanziert wirkende Äußerung der Nürnberger Polizeibeamtin am Vormittag überdeckte, wie eine Nebenklageanwalt später berichtete.

Die Hauptangeklagte Beate Zschäpe bleibt dagegen bei ihrem seit Prozessbeginn gezeigten Auftreten. Sie huscht in den Gerichtssaal, dreht sich sofort von den Beteiligten weg, so lange Fotografen im Saal anwesend sind.  Außerdem schweigt sie gegenüber dem Gericht und ihre Anwältin Anja Sturm kündigte gestern an, dass dies auch so weiter bleiben werde. Dass man, gerade aus Kreisen der Nebenklage, fordere, Zschäpe solle Reue zeigen, sei "möglicherweise verständlich", erklärte Sturm, gehe jedoch "an der Sache vorbei", denn: "Bislang kann keine Rede davon sein, dass unsere Mandantin hier irgendwie schon Reue zeigen müsste für Taten, die ihr bislang nicht nachgewiesen sind, für die es kein Geständnis gibt und die aus unserer Sicht zumindest auch teilweise sehr dünn zusammengestrickt sind."

Der Prozess wird am 05.09.2013 fortgesetzt. Inzwischen sind vom OLG München Verhandlungstage bis zum Ende den nächsten Jahres angesetzt.
 
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