(rWs) - Jenas berühmtester Ballonfahrer Ernst Wandersleb wurde am 12. April 1879 in Gotha geboren. Nach seinem Studium der Physik, Mathematik und Chemie in Jena, München und Berlin wurde er 1901 Assistent von Paul Rudolph in der photographischen Abteilung der Zeiss-Werke. Das von Rudolph entwickelte Tessar-Objektiv (weltweit als "Adlerauge der Kamera" vermarktet), verbesserte Wandersleb, zahlreiche Patente folgten.
Der passionierte Ballonsportler und Photograph (hier ein Foto aus den 1930er-Jahren) verband Hobby und Beruf: Im Ballon testete er ab 1905 seine Objektive und verbesserte die technischen Bedingungen der Luftphotographie. Auf seinen mehr als 40 Ballonfahrten sammelte Wandersleb bis 1913 Erfahrungen, die ihm im Zeiss-Werk für die Konstruktion von Geräten zur Erkundung aus der Luft weiterhalfen. Als Ernst Wandersleb mit 32 Jahren der Nachfolger von Paul Rudolph wurde, musste er jedoch seine, zur damaligen Zeit als recht gefährlich eingestuftenen, Leidenschaften beenden, zu denen auch die Bergsteigerei zählte; 1911 hatte er u. a. den 4.810 Meter hohen Mont Blanc bezwungen. Seine Tätigkeit als Chefentwickler für die Tessar-Objektive der Firma Carl Zeiss Jena füllte Wandersleb jedoch nicht aus. Aus Ausgleich wandte er sich Kultur und den Künsten zu und wurde in der Lichtstadt auch als Förderer des Musiklebens bekannt. So gründete Ernst Wandersleb u. a. den "Akademischen Chor", der sich ab 1918 in "Philharmonischer Chor" umbenannte, neu. Am 2. Mai 1963 verstarb er in Jena im Alter von 84 Jahren.
Wandersleb war als Ballonfahrer ein pedantischer Photograph und fertigte von jeder seiner Aufnahmen ein Protokollblatt an. Diese Protokollblätter sind glücklicherweise im Archiv für Geographie des Leibniz-Instituts für Länderkunde erhalten, auch bezüglich der ältesten Luftaufnahme der Stadt Paderborn vom 4. April 1909 (auf dem Foto links) und das kam so:
Mit dem Ballon "Tschudi" waren der Berliner Photomechaniker Dr. Karl Bröckelmann als Ballonführer sowie Ernst Wandersleb am 3. April 1909 um 18.18 Uhr in Berlin-Schmargendorf zu einer Nachtfahrt gestartet (siehe Foto rechts). Die Nacht lief ohne besondere Vorkommnisse ab und am Morgen fand man sich über Niederachsen wieder. Am späten Vormittag des 4. April 1909 wurde "Tschudi" dann durch glückliche Winde über Paderborn getrieben. Auf der Rückseite seines entsprechenden Protokollblattes notierte der Fotograf Ernst Wandersleb: "Die herzförmige innere Stadt; von dort aus Landstraßen wie Beine von einem Spinnenleib ausgehend. Auf halber Höhe des Bildes liegt eine schöne Bahnüberschneidung."
Die Fahrt des "Tschudi" endete am späten Nachmittag mit einer glatten Landung in der Nähe von Pfalzdorf bei Goch am Niederrhein. Für Wandersleb war dies die vierte und letzte Fahrt mit dem "Tschudi"; unmittelbar im Anschluss erhielt er seine Taufe und das Patent als Ballonführer. Fortan konnte er zu eigenen Flügen starten, so im Herbst 1909 über das Jenaer Stadtzentrum (siehe Foto ganz oben) mit Luftaufnahmen, die auch heute noch interessant anzuschauen sind.
Wir haben zwei Details aus einer Wandersleb-Aufnahme vergößert. Zum einen den Blick auf das Stadtzentrum in Richtung Norden (siehe Foto links) und zum anderen das gerade im Entstehen begriffene Jenaer Damenviertel und die 1909 frisch eröffneten Universität gegenüber dem Hotel "Schwarzer Bär" mit dem Saalbahnhof am rechten Rand (Foto unten).
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