(lsn) - Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht hat heute eine Regierungserklärung zu den Ermittlungen gegen das rechtsextreme Trio Böhnhardt / Mundlos / Zschäpe anbgegeben. Vor dem Landtag in Erfurt sagte sie unter anderem: "Wir sind entschlossen, für eine rasche Aufklärung zu sorgen - lückenlos und umfassend." Unter anderem stelle sich die Frage, so Lieberknecht vor dem Landtag, wie die drei Neonazis aus Jena 1998 untertauchen und über Jahre hinweg eine Serie von Morden begehen konnten. Lieberknecht sagte auch, es dürfe nicht verwundern, dass von einer Vertrauenskrise gesprochen werde.
Mit Spannung werden von der Öffentlichkeit nun die Aussagen von Beate Zschäpe (alias. Susanne Dienelt) vor dem Bundesanwalt erwartet. Vor einer Woche hatte sich die 36-jährige einzige Überlebende des harten Kerns des "Nationalsozialistischen Untergrunds" in Jena den Behörden gestellt und bislang die Aussage zu allen Dingen, die ihr vorgehalten wurden, verweigert.
Sie ist der Schlüssel zu allen Informationen, die der Staat zur Aufklärung der rechten Terrorgruppe braucht. Vor 15 Jahren waren sie ganz legal aktiv gewesen. Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe.
Zu Dritt waren sie aktiv und zu Dritt sind sie 1998 untergetaucht. Und auch am Ende lebten Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe gemeinsam in Zwickau. Dann starben die beiden Männer nach einem Bankraub in Eisenach und Beate Zschäpe ließ die Wohnung in Zwickau in Flammen aufgehen. Vier Tage später stellte sie ich in Jena im Beisein ihres Anwalts der Polizei.
Straffällig war Zschäpe spätestes 1998 geworden, als die Polizei in einer von ihr in Jena-Burgau angemieteten Garage das Bombenlager der späteren "NSU" entdeckte und dort neben vielen Waffen auch 1,4 Tonnen des Sprengstoffs TNT sicherstellte. Der daraufhin erlassene Haftbefehl wurde 2003 aufgehoben, nachdem das Terror-Trio "unauffindbar" war, wie staatliche Stellen mitteilten.
Inzwischen wurde gegen sie erneut Haftbefehl erlassen; bei einer Verurteilung droht ihr nun lebenslange Haft wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung und Beihilfe zu Mord. Aber Zschäpe könnte in die Kronzeugenregelung kommen, also eine gewisse Haftverschonung erhalten gegen detailierte Informationen einer Insiderin. Aber welche Informationen könnte Zschäpe liefern und wie brisant werden diese sein. - Lichtstadt-Netz sprach hierzu mit einem Journalisten, der Kenner der rechten Szene in Thüringen ist:
Frage: In der BILD-Zeitung ist heute zu lesen, dass ein Informant erste Einzelheiten über Beate Zschäpes Zeit im Untergrund preisgegeben hat. Wie glaubwürding sind diese Aussagen?
Antwort: Es gibt immer Personen die sich im Umfeld einer solchen Sache wichtig machen wollen. Aber einige Angaben sind trotzdem interessant. Ob sie glaubwürdig sind, kann ich nicht beurteilen.
Welche Angaben sind das?
Zum Beispiel, dass Frau Zschäpe - oder Susanne Dienelt, wie sich sich im Untergrund genannt haben soll, entsprechend des Nachnamens des Mannes, der die Wohnungen in Zwickau angemietet hatte - die Aussage zugeschriebn wird, man solle mit dem Verfassungsschutz zusammenarbeiten und ihm falsche Informationen liefern. Weiter behauptet der Informant der BILD-Zeitung, Zschäpe/Dienelt hätte Kontakt zu einem Beamten in Thüringen gehabt. Also nicht zu einem V-Mann, sondern zu einem Beamten des Amtes für Verfassungsschutz. Wenn sich das als wahr herausstellt, gibt es die erste Irritation für die Bevölkerung bezüglich den bisherigen Aussagen der Verfassungsschutzbehörden.
Könnte es weitere brisante Informationen von Zschäpe geben?
Anzunehmen, dem wäre nicht so, ist angesichts dessen, was Rechte in Deutschland wollen - egal ob Parteien oder Gruppierungen -, falsch. Die rechtsgerichteten Kreise wollen eine Verunsicherung der Bevölkerung und damit das bestehende System destabilisieren. Da würden Informationen aus erster Hand, wie fahrlässig möglicherweise der Verfassungsschutz mit rechten Informanten umgeht, wirken. Zudem, wenn sich heraussetllen würde, dass evt. auf staatlicher Seite in einigen Fällen die Unwahrheit gesagt wurde.
Was könnte das konkret sein?
Zuerst einmal, dass man nicht gewusst habe, wo sich Zschäpe und/oder Mundlos und/oder Böhnhardt bis zuletzt aufgehalten hatten. Denkbar ist durchaus, auch wenn das ein unfasslicher Verdacht wäre, dass einer der Drei "NSU"-Terroristen dem Verfassungsschutz in den letzten Jahren Informationen zur "Döner"-Mordserie gegeben hat. Natürlich nicht unter der Maßgabe, dass er oder sie direkt etwas mit den Morden zu tun hatte. Aber es reichen ja Detailinfornationen, Täterwissen, dass man "in der Szene gehört haben will" aus, um als Person des rechten Umfelds für den Verfassungschutz interessant zu werden. Das alleine würde das Vertrauen der deutschen Bevölkerung in die Ermittlungsbehörden massivst erschüttern, wenn damit als Personen die Namen Zschäpe, Mundlos oder Böhnhardt verbunden sein sollten.
Gibt es konkrete Anzeichen hierfür?
Mich hat am gestrigen Abend in der ARD-Sendung "Fakt" die Aussage des frühernen Verfassungsschutzchef Thüringens, Roewer, irritiert, der in einer Pressekonferenz in Weimar sagte, er könne nicht ausschließen, dass die drei Terroristen in den Jahren nach ihrem Untertauchen 1998 vom Verfassungschutz zufällig oder gezielt fotografiert worden seien. Das klang fast schon wie ein Eingeständnis.
Was ist mit dem hessischen V-Mann, der 2006 zur gleich Zeit in einem Internetcafe war, als Mundlos und Böhnhardt dort einen der "Döner"-Morde verübt haben sollen?
Richtig. Und dieser Mitarbeiter des Verfassungsschutzes soll ja sogar bei fünf Morden dieser Serie in der Nähe gewesen sein. Außerdem endete die Mordserie abrupt, nachdem dieser Mann sozusagen "enttarnt" wurde. Auch das ist latent gefährlich für den Verfassungsschutz, weil sich dadurch das, ich nenne es jetzt einmal "Problem" des Verfassungschutzes, auf drei Bundesländer erstreckt: Thüringen, Sachsen udn nun auch Hessen. Aber es wird ja noch umfassender, wenn man berücksichtigt, dass Niedersachsens Innenminister inzwischen eine Panne seines Verfassungschutzes mit dem vierten Unterstützer der "NSU" zugegeben hat, der überwacht werden sollte und den man als harmlos einstufte. Ohne dessen Mitwirkung könnte zum Beispiel die getötete Polizistin noch leben.
Kann man hier vielleicht sogar annehmen, dass die Terrorzelle mit den einzelnen Verfassungschutzbehörden sozusagen gespielt hat?
Das ist meine große Befürchtung hinsichtlich der Aussage von Frau Zschäpe. Wenn sie solche Dinge aussagen würde und diese Aussagen ließen sich verifizieren, dann wäre das der GAU für den deutschen Verfassungsschutz und wir hätten eine massive "V"-Affäre, bei der Rücktritte alleine nicht ausreichen werden. Die würden das zerbrochene Vertrauen der Bürger in ihren Staat nicht kitten können. Ich sage dies auch lokal auf Jena bezogen: wer versteht und vertraut dann noch sächsischen Polizeibehörden, die bei einem Jugendpfarrer in einem anderen Bundesland Hausdurchsuchungen machen, weil der "gegen Rechts" aktiv war und gleichzeitig hätte man herausfinden können, wo sich eine mörderische Terror-Zelle im eigenen Bundesland versteckt hält und nutzt die Chance zu Hausdurchsuchungen nicht.
Der Informant der BILD-Zeitung sagte auch, er habe Beate Zschäpe 2004 bei einer NPD-Weihnachtsfeier und einer weiteren Veranstaltung in Georgsmarienhütte getroffen. Sie hätte sich dabei als Gründungsmitglied der "NSU" zu erkennen gegeben und gesagt, die Gruppe habe elf Mitglieder.
Das wäre, wenn es stimmt, erschreckend und erschütternd. Denn unsere Behörden haben bislang erklärt, man habe vor dem Fund der DVDs nichts von einem "Nationalsozialistischen Untergrund" gewusst. Aber man weiß nicht, wie glaubwürdig dieser Informant ist. Die Aussagen von Frau Zschäpe sind zu bewerten, denn sie war unmittelbar dabei. Sollte sie bestätigen, dass sie nach der Verjährung der Haftbefehls im Jahre 2003 offen in der Szene aktiv war, erschüttert dies ohnehin das Vertrauen in den Staatsschutz. Und hier erinnere ich nochmals an die bereits erwähnte Aussage des früheren Verfassungschutz-Chefs Roewer.
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Nachtrag: Heute Nachmittag wurden weitere Details bekannt. Nach Informationen des MDR THÜRINGEN war die Thüringer Polizei offenbar schon vor zehn Jahren auf die Spur der drei Gesuchten gekommen. Wie der MDR aus Ermittlerkreisen erfahren haben will, hatten Zielfahnder die beiden Männer und die Frau 2001 in Chemnitz aufgespürt. Wie es weiter hieß, hätten sie allerdings keine Erlaubnis bekommen, die Drei festzunehmen. Kurz danach sei das Trio erneut spurlos untergetaucht.
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