(lsn) - Im Januar 1998 wollte die Thüringer Polizei mit einer großangelegten Razzia die mutmaßlichen Bombenbauer aus Jena das Handwerk legen. Besonders ins Visir geraten waren dabei zwei Männer und eine Frau, allesamt Anfang bis Mitte zwanzig Jahre alt: Uwe Böhnhardt, Beate Zschäpe und Uwe Mundlos. Das Trio waren damals in Jena durchaus bekannt.
Katharina König, Thüringer Landtagsabgeordnete der Linken, kennt die Neonazi-Szene in der Region und engagiert sich seit 1999 im Aktionsbündnis gegen Rechts. "Sie waren ein sehr enges Dreiergespann, aber es schien mehr freundschaftlich zu sein als sexueller Natur", erinnert sich König bei SPIEGEL-Online.
Bereits 1997 war gegen die Drei und weitere Verdächtige ermittelt worden, nachdem in Jena Bombenattrappen und Sprengkörper abgelegt worden waren und man im Stadtgebiet als auch an der Autobahn A 4 erhängte Puppen mit dem Davidstern gefunden hatte. In einem Garagenkomplex in Burgau fand man in einer Garage, die Beate Zschäpe gehörte, fünf funktionsfähige Rohrbomben, 1,4 Kilo TNT und eine Menge an Waffen sowie nationalsozialistisches Propagandamsterial, die drei Verdächtigen indes waren da bereits untergetaucht.
Dass sie dies "auf's Blaue" hin getan hatten, nahm damals niemand an - man vermutete vielmehr die gezielte Information von Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe durch Dritte. Wenig später kam heraus, dass führende Mitglieder der rechtsnationalen Szene in Thüringen und Jena als V-Männer dem Thüringer Verfassungsschutz bei der Steuerung und Überwachung der rechtsextremen Szene assistiert hatten. Ob sie dem Trio im Januar 1998 den entscheidenden Tipp zur Flucht gegeben hatten, konnte nie geklärt werden.
Allerdings sollen Thüringer Zielfahnder Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe mehrmals dicht auf den Fersen gewesen, in Belgien, Südamerika oder Südosteuropa. Trotzdem konnte das Trio immer wieder untertauchen, wo überall und mit wessen Hilfe ist ungewiss. Eine rechte Musikgruppe widmete den Dreien sogar ein Lied.
Deshalb fragen sich die Ermittler nun: Wer half ihnen dabei, fälschte die Ausweise und Führerscheine (Beate Zschäpe soll für Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos mehrfach Kraftfahrzeuge gemietet haben) und woher stammte das Geld dafür und den Unterhalt des Trios?
Zumindest bei der letzten Frage sehen die Ermittler inzwischen klarer: Neben den Banküberfällen in Arnstadt und Eisenach aus diesem Jahr, die Mundlos und Böhnhardt wohl nachzuweisen sind, kämen die beiden nach ersten Erkenntnissen wohl noch für bis zu elf weitere Überfälle seit 1999 in Frage: in Sachsen, in Mecklenburg-Vorpommern und in Thüringen in Frage. Doch was schweißte das Jenaer Trio so zusammen, dass es im Untergrund fast vierzehn Jahre lang zusammen blieb? Gab es Hilfestellung aus der rechten Szene?
Dies sind die Fragen, mit denen sich die Ermittler zu befassen haben. Bisher schweigt Beate Zschäpe beharrlich, machte lediglich Angaben zur Person. Außerdem untersucht man derzeit, ob die Drei zudem für der Mord an einer Heilbronner Polizistin aus Oberweißbach in Thüringen verantwortlich sein könnten.
Auch konzentrierten sich die Ermittlungen wohl auf die Frage der Rolle von Beate Zschäpe innerhalb des Trios vor und nach ihrer Flucht am Wochenende. Wann ist sie in Stregda losgefahren, wann in Zwickau-Weißenborn eingetroffen und wann nach Jena, mit welchem Fahrzeug ist die gefahren und was hat sie in der Lichtstadt gemacht?
Hat Beate Zschäpe sich, bevor sie sich der Polizei stellte, in Jena-Nord, wo sie früher wohnte, von Familienangehörigen und Freunden verabschiedet? In Winzerla, bei der Familie eines ihrer Freunde, der sich in Eisenach im Wohnmobil umgebracht haben soll, rief sich nach Angaben von SPIEGEL-Online bereits am Freitag an und teilte ihnen mit, dass er tot sei. Auch die Mutter des anderen mutmaßlichen Bankräubers habe Zschäpe angerufen und mitgeteilt, dass ihr Sohn tot sei.
Hat sie in Jena oder anderswo in Thüringen möglicherweise Geld aus Banküberfällen oder sogar Waffen an Dritte übergeben, bevor sie sich der Polizei stellte? Und vor allem: Weshalb Warum erschießen sich zwei Bankräuber nach einem erfolgreichen Banküberfall?
Dies soll in den nächsten Tagen und Wochen geklärt werden, so war aus Polizeikreisen zu erfahren. - Das Lichtstadt.Netz sprach zum Gesamtkomplex der im Moment offenen Fragen und Antworthypothesen mit einem erfahrenen Profiler des Bundeskriminalamtes in Wiesbaden.
Lesen Sie hierzu auch folgenden Bericht im Lichtstadt.Netz!
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