Donnerstag, 10. November 2011

Fragen über Fragen: Die Rolle von Beate Zschäpe im Dunkel der untergetauchten Bombenbauer und Bankräuber (Teil 2)

(lsn) - Wir sprachen mit einem erfahrenen Profiler des Bundeskriminalamtes in Wiesbaden über derzeit noch offene Fragen in Bezug auf die ehemaligen Bombenbauer aus Jena, die am letzten Freitag in einem Wohnmobil im Eisenacher Ortsteil Stregda von Polizisten tot aufgefunden worden waren, und die Rolle ihrer langjährigen Mitbewohnerin Beate Zschäpe im Allgemeinen und Speziellen. Natürlich sind alle Aussagen solange Mutmaßungen, bis sie sich bestätigen sollten.

Frage: Was weiß man bisher über den Ablauf des Banküberfalls in Eisenach am 4. November 2011 und der Explosion eines Wohnhauses in Zwickau?

Antwort: Ich kann hier nur das sagen, was auch aus der Presse zu entnehmen war und zwar dass an diesem Tag gegen 9.30 Uhr am Eisenacher Nordplatz (= roter Punkt auf der Luftbildkarte) eine Sparkassen-Filiale ausgeraubt worden ist. Die zwei Täter hatten mit vorgehaltenen pistolenähnlichen Gegenständen die Herausgabe von Geld erzwungen und waren dann zunächst zu Fuß nach Westen geflüchtet. Zeugen wollen in diesem Zusammenhang ein weißes Wohnmobil bemerkt haben, dass in der Nähe geparkt war und in das drei Personen eingestiegen seien, weshalb die Polizei in ihre Fahndung ein weißes Wohnmobil mit einschloss.

Knapp neunzig Minuten später näherten sich Polizeibeamte einem verdächtigen Wohnmobil, das wenige Kilometer nördlich auf der anderen Seite der Autobahn A 4 im Eisenacher Stadtteil Stregda in der Straße Am Schafrain stand (= grüner Punkt auf der Luftbildkarte). Daraufhin seien Schußgeräusche zu hören gewesen. Als sich die Polizeibeamten vorsichtig dem weißen Wohnmobil näherten, ging es in Flammen auf. Die Feuerwehr löschte den Brand und man fand im ausgebrannten Wohnmobil zwei Leichen der mutmaßlichen Bankräuber.

Ein Zeuge sagte, dass eine dritte Person das Wohnmobil verlassen hätte, bevor es zu brennen angefangen habe. Diese Person habe die Polizei danach unter Zuhilfenahme eines Hubschraubers mit Wärmebildkamera gesucht. Ein anderer Zeuge sagte aus, dass der weiße Caravan bereits am Tag zuvor in der Straße Am Schafrain aufgefallen sei. Abschließend wurde von der örtlichen Polizei mitgeteilt, man selbst habe keine Schüsse abgegeben, die beiden Männer hätten offensichtlich Selbstmord begangen. Aus Zwickau wird gemeldet, dort sei das betreffende Wohnhaus gegen 15 Uhr explodiert.


Weshalb erschießen sich zwei Bankräuber nach einem erfolgreichen Banküberfall?


Das kann verschiedene Gründe haben. Der wahrscheinlichste Grund ist die Angst vor einer Entdeckung. Allerdings bedingt das auch, dass man sich zuvor bereits mit dem Thema einer möglichen zukünftigen Entdeckung oder Enttarnung befasst hat, denn seinen Leben selbst ein Ende zu setzen, ist eine Entscheidung, die in der Regel erst nach der Entscheidung, eine Flucht zu versuchen, getroffen wird. In der Regel setzten Menschen in einer vergleichbaren Situation ihrem Leben in einem Gebäude ein Ende, aus dem es keine Fluchtmöglichkeit gibt. In Kratfahrzeugen ist es in der Tat eine Ausnahme. Aber es kann natürlich sein, dass sich die Bankräuber in dem Wohnmobil sicher gefühlt hatten. Wenn es keinen Hinweis auf das Fahrzeug gegeben hätte, wären schließlich keine Polizeibeamten auf das Fahrzeug gestoßen.

Warum bringt Frau Zschäpe das erbeutete Geld nicht in Sicherheit, sondern zündet es an?

Dass Geld im brennenden Wohnmobil zurück gelassen worden war und auch in der Wohnung in Zwickau Geld verbrannt ist, das weiß man. Ob dies das ganze Geld war, ist nicht bekannt. Aus Erfahrung muss man davon ausgehen, dass Bankräuber einen großen, oft der größeren Teil, ihrer Beute in Verstecken lagern. Frau Zschäpe könnte also durchaus einen Teil der noch vorhandenen Geldbeträge irgendwo hin verbracht haben.

Deuten die bisher bekannten Umstände nicht eher auf einen geplanten Verlauf der Ereignisse hin, als auf spontane Entschlüsse?

Das muss man schon trennen. Die Abläufe des 4. Novembers 2011 haben sich sicherlich spontan entwickelt. Die Handlungen nach dem Tod der beiden Männer können aber durchaus als gezielt oder geplant angesehen werden. Es spricht vieles dafür, dass man das Prozedere nach einem Selbstmord, und natürlich auch den gemeinsamen Selbstmord, im Vorhinein durchgesprochen und vorweggenommen hat. Im Moment erscheint Frau Zschäpe als Helferin der beiden Männer, was auch ihr Verhalten nach dem Tode der beiden Männer erklärt.

Sie erlebte möglicherweise deren Tod mit und handelte nach dem Tod "wie abgesprochen", sprich: Wenn sie in Eisenach mit dabei war, fuhr sie noch vor der Explosion des Wohnmobils, also vor 12 Uhr die rund 160 Kilometer von Eisenach nach Zwickau auf bisher unbekannten Weg. Mit dem Zug war dies jedenfalls nicht möglich, denn es gibt keine Zugverbindung von Eisenach nach Zwickau, die wesentlich kürzer als drei Stunden ist.

Die weiteren Vorgänge sind weder endgültig geklärt, noch bewiesen, aber nehmen wir einmal an, es war so, dann suchte sie in Zwickau die gemeinsame Wohnung auf, erledigte dort noch einige Dinge, rief u. a. die Familien der beiden Männer an und berichtete von deren Tod, brachte die Katzen zu einer Nachbarin und setzte dann gegen 15 Uhr die Wohnung in Brand, die daraufhin explodierte. Anschließend fuhr sie nach Thüringen zurück und verbrachte Stunden oder Tage in Jena. All das sind zielgerichtete Abläufe und keine Verzweiflungstaten.

Auch in Jena einen Anwalt aufzusuchen und mit diesem vier Tage nach den Vorfällen in Eisenach und Zwickau sich in eine Polizeidienststelle zu begeben und dort zu sagen: "Ich bin diejenige, nach der Sie suchen." deutet auf lange geplante, zuvor abgesprochene Abläufe hin.

Warum hat man die gestohlenen Dienstwaffen und Handschellen aus dem Polizistenmord in Heilbronn aufbewahrt anstatt sie professionell zu entsorgen?

Soche Dinge sind makabere Trophäen. Insbesondere dann, wenn man sie über Jahre hinweg aufbewahrt. Sie sollen zeigen: "Wir waren das und niemand anderes". Sie sind Zeichen, Beweise und werden von Verbrechern durchaus als solche angesehen. Aber für mich stellt sich eine ganz andere Frage: Weshalb haben die beiden Männer, nach der Entdeckung des Wohnmobils in Stregda, nicht auf die Polizeibeamten geschossen? Wenn sie tatsächlich bereits früher in Heilbronn auf Polizisten geschossen hatten, weshalb sollten sie dies nicht noch einmal machen? Und doch brachten sie sich selbst kampflos um. Dies ist mir bisher wenig plausibel und erscheint mir fast als die wichtigste Frage in diesem Zusammenhang.

Ist anzunehmen, dass Beate Zschäpe an den Ereignissen in Heilbronn vor vier Jahren beteiligt war?

Das ist nicht nur anzunehmen, es ist davon auszugehen. Die Drei haben sicher stets gemeinsam gehandelt. Allerdings hat sie an den Vorfällen in Heilbronn wohl wiederum nicht aktiv teilgenommen, sondern als Helferin. Dies war anscheinend ihre feste Rolle in der Dreierbeziehung. Die zur Last gelegten Banküberfälle wurden stets von den zwei Tätern begangen, die sich anschließend zu Fuß oder auf Fahrrädern entfernten um schließlich in einem Fluchtfahrzeug die Region zu verlassen. Es spricht vieles dafür, dass dies jeweils von Frau Zschäpe gesteuert worden ist.

Auch in Eisenach?

Wenn es tatsächlich in Eisenach die von Zeugen erwähnte dritte Person gab, dann kann dies im Grunde nur Frau Zschäpe gewesen sein.

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NACHTRAG vom 11.11.2011:

Lesen Sie zu diesem Artikel auch diesen Kommentar der TLZ vom 11.11.2011 von Hartmut Kaczmarek.

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