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Ein wichtiger Punkt dürfte aber auf jeden Fall die "Erklärung des Jenaer Stadtrates und des Jenaer Oberbürgermeisters zur Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus" sein, die Sie nachfolgend vorab abgedruckt finden:
Die in den letzten Tagen bekannt gewordenen Terrorakte von Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe sowie ihrer rechtsextremistischen Unterstützer haben in unserer Stadt - ebenso wie im gesamten Land - Entsetzen und Erschütterung ausgelöst.
Mindestens 10 Menschen sind brutal umgebracht worden, Anschläge wurden verübt und Banken ausgeraubt. Die Aufklärung weiterer schwerer Verbrechen ist sehr wahrscheinlich. Unser Mitgefühl und unsere Verbundenheit gelten den Angehörigen aller Opfer rechtsextremer Gewalt. Wir trauern mit ihnen. Um ihrer und um unser aller Willen erklären wir: Wir werden uns mit unserer ganzen Kraft dafür einsetzen, dass sich Verbrechen wie diese nicht mehr wiederholen können und dürfen.
Außerdem erklären wir unsere feste Absicht, künftig weiter stark und konsequent alle demokratischen und gewaltfreien Möglichkeiten zu nutzen, um den Neonazis keinen Raum zu geben.
Doch zu unserem Entsetzen über die jüngst bekannt gewordenen Terrorakte treten auch Fragen nach einem Versagen von staatlichen Sicherheitsbehörden. Hier fordern wir rückhaltlose Aufklärung und Verlässlichkeit bei der Umsetzung von rechtlichen und strukturellen Konsequenzen. Eine Aufarbeitung der Ereignisse, aller Zusammenhänge und aller Fehler muss vor Ort, im Freistaat und im Bund erfolgen.
In der gegenwärtigen Diskussion über die Ursachen und über begünstigende Faktoren des Rechtsterrorismus führen Stigmatisierungen einzelner Städte in Deutschland nicht weiter.
Ja, mit stigmatisierenden Urteilen würde man in fataler Weise Absichten und Aktivitäten radikalisierter Neonazis bestätigen oder gar aufwerten. Der von ihnen beabsichtigte Eindruck, Jena sei ein von Rechtsextremisten geprägter Ort, entspricht nicht der Realität.
Jena gilt heute als eine Hochburg des bürgerschaftlich getragenen Widerstandes gegen Neonazis und als ein Ort, von dem Ermutigung ausgeht. Seit 2007 ist es gelungen, Naziaufmärsche aus unserer Stadt fernzuhalten. Mit Hunderten engagierter Bürgerinnen und Bürger Jenas haben wir Naziaufmärsche u.a. in Dresden, Chemnitz, Leipzig, Gera, Erfurt, Altenburg, Pößneck und Eisenach verhindert oder zumindest erschwert. Jenaer Erfahrungen im Kampf gegen den Rechtsextremismus sind in vielen Teilen der
Bundesrepublik gefragt und werden geschätzt.
Wir fragen aber auch selbstkritisch danach, ob es in unserer Stadt Versagen gegeben hat. Neben möglichen Versäumnissen und Fehleinschätzungen müssen wir feststellen, dass bereits in den 1990er Jahren ausgesprochene Warnungen nicht ernst genug genommen worden sind. Wir stellen fest, dass die Gefahren, die vom Rechtsextremismus ausgehen, unterschätzt und verharmlost wurden. Menschen und Gruppen in unserer Stadt, die - z.T. aus eigenem Erleben - frühzeitig auf mögliche Dimensionen des
Rechtsextremismus hingewiesen haben, sind auf Misstrauen oder Gleichgültigkeit gestoßen.
Heute müssen wir erkennen, dass militante Nazistrukturen sich hier wie in anderen Orten etablieren und auswachsen konnten zu ganzen Netzwerken, die bundesweit aktiv sind. Wir erklären, dass wir eine Aufarbeitung dieser Erfahrungen für unabdingbar halten. Wir werden diese nach Kräften unterstützen und wollen aus ihr lernen. Wachsendem Rechtsextremismus ist nur durch kontinuierliches, gemeinsames und
verbindliches Vorgehen zu begegnen. Hierbei ist die enge Zusammenarbeit von
zivilgesellschaftlichen Initiativen, Parteien, Stadtverwaltung und Institutionen unerlässlich. Über Parteigrenzen hinweg sind wir uns darin einig, dass lebendige Demokratie eine starke Zivilgesellschaft braucht, die selbstbewusst und engagiert unser gesellschaftliches Klima mitgestaltet. Uns ist bewusst, dass die Taten, die uns jetzt so aufschrecken, nur Teil einer Unzahl von rassistisch und rechtsextrem motivierten
Übergriffen sind und gleichzeitig Symptome eines Klimas, das fremdenfeindlicher und undemokratischer ist, als wir es bisher wahrgenommen haben.
An dieser Stelle müssen wir ansetzen und arbeiten. Durch die positiven Erfahrungen der letzten Jahre, durch die Arbeit des Runden Tisches für Demokratie sowie den Einsatz von Bündnissen und Netzwerken gegen Rechts haben wir die Anstöße aus der engagierten Zivilgesellschaft immer mehr zu schätzen gelernt. Durch sie ist in Jena eine spürbar menschenfreundlichere Atmosphäre entstanden. Wir sehen es als unsere Aufgabe an, dieses Engagement in unserer Stadt zu unterstützen und zu befördern. Auch überregional werden wir uns in diesem Sinne einsetzen. Die Initiative "Kommunen gegen
Rechtsextremismus" muss weiter ausgebaut und gestärkt werden.
Betroffen und selbstkritisch, aber zugleich stolz über das in der Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus Erreichte erklären wir: Wir werden weiter engagiert, aufmerksam und entschlossen jeder Form des Rechtsextremismus, von Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Antisemitismus und Intoleranz entgegentreten. Wir werden gemeinsam konsequent und ideenreich dafür sorgen, dass Jena ein Ort der
Ermutigung bleibt.
Jena, am 23.11.2011
Für den Jenaer Stadtrat
Sabine Hemberger (Vorsitzende)
Dr. Jörg Vogel (Vorsitzender der Fraktion SPD)
Jens Thomas (Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE.)
Benjamin Koppe (Vorsitzender der Fraktion CDU)
Andreas Wiese (Vorsitzender der Fraktion FDP)
Jürgen Haschke (Vorsitzender der Fraktion BÜRGER FÜR JENA)
Denis Peisker (Vorsitzender der Bündnis 90/Die Grünen)
Martin Michel (fraktionsloses Mitglied)
Heike Seise (fraktionsloses Mitglied)
Dr. Albrecht Schröter (Oberbürgermeister der Stadt Jena)
(Lesen Sie hierzu auch folgenden Bericht im LICHTSTADT.NETZ)
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