(lsn) - Der Bundespräsident versuchte gestern Abend zur besten TV-Sendezeit den Befreiungsschlag: Christian Wulff (siehe Foto oben mit der Konfliktmanagerin Gabriele Kunze von "Konflikttraining Jena") zeigte sich im Fernsehen ein klein wenig reumütig und stellte sich zugleich als das Opfer einer Pressekampagne dar. Die Bürger sahen zu und manche fragten sich zugleich: "Bereitet man sich auf einen so wichtigen Fernsehtermin ganz alleine vor oder gibt es dabei hilfreiche Unterstützung?" - Letzteres ist üblich, verrät ein erfahrener Konfliktmanager und analysiert zugleich die wichtigsten Teile seiner Aussagen.
Bundespräsident Christian Wulff wies gestern Abend in einem Interview mit ARD und ZDF Vorwürfe wegen seines umstrittenen Hauskredits, der Urlaube bei reichen Freunden und Medienbeeinflussung zurück. Vor einem Millionenpublikum räumte er dennoch Fehler ein, lehnte einen Rückzug aber ab. Wörtlich sagte er: "Ich habe weder im Amt des Bundespräsidenten gegen irgendein Gesetz verstoßen noch vorher. Es geht nicht um Rechtsverstöße".
Analyse: Damit will Wulff von Anfang an die Fronten klären, für das, was er noch zu sagen hat.
Wulff: "Letztlich gibt es natürlich auch Persönlichkeitsrechte, es gibt auch Menschenrechte selbst für Bundespräsidenten und auch deren Freunde, deren Angehörige, und ich möchte nicht Präsident in einem Land sein, wo sich jemand von Freunden kein Geld mehr leihen kann."
Analyse: Ganz klar spricht er hier die Grundrechte an, die für jeden Deutschen gelten, natürlich auch für ihn und bringt zudem seine Familie ins Gespräch. Ein geschickter Schachzug.Wulff: "Wenn man als Ministerpräsident keine Freunde mehr haben darf und wenn alle Politikerinnen und Politiker in Deutschland ab sofort nicht mehr bei Freunden übernachten dürfen, sondern, wenn Sie bei den Freunden im Gästezimmer übernachten, nach einer Rechnung verlangen müssen, dann verändert sich die Republik zum Negativen. Davon bin ich fest überzeugt. Und deswegen stehe ich zu diesen sechs Urlauben bei Freunden auf Norderney oder fünf, sechs Tage dort in Italien oder sieben Tage bei Freunden, mit den Freunden zusammen zu kochen, zu frühstücken, im Gästezimmer zu schlafen. Da erhebe ich auch keine Rechnung, wenn mich die Freunde hier in Berlin besuchen."
Analyse: Diese Aussage ist natürlich schon dreist. Das nimmt den Geruch der Vorteilsnahme nicht weg. Ich hätte ihm davon abgeraten, es so zu forumlieren, zumal es auch etwas patzig klingt. Als Bundespräsident hat man sich an bestimmte Prinzipien zu halten, ist sozusagen kein "normaler" Mensch..
Wulff: "Der Anruf bei dem Chefredakteur der BILD-Zeitung war ein schwerer Fehler, der mir leidtut, für den ich mich entschuldige. (...) Vielleicht muss man die Situation auch menschlich verstehen. Wenn man im Ausland ist, in vier Ländern in fünf Tagen, zehn Termine am Tag hat und erfährt, dass Dinge während dieser Zeit in Deutschland veröffentlicht werden sollen, (...) dann muss man sich auch vor seine Familie stellen."
Analyse: Einen Fehler zugeben und einen Fehler verstehen sind zwei verschiedene Dinge. Auch hier kaschiert der Hinweis auf die Familie im Grunde sein angespanntes Verhältnis zur Springer-Presse. Ohne diese Anspannung hätte er wohl nie zumTelefonhörer gegriffen und den Chefredakteur der BILD angerufen, den er im Übrigen, sicherlich ganz bewusst, nicht mit Namen nennt. Das zeigt: Im Grunde nimmt er nichts von den Vorwürfen gegen BILD zurück. Mein Tipp: Wulff muss dringend sein Verhältnis gegenüber den Medien neu ordnen, denn die Medien sind für seine zukünftige Arbeit als Bundespräsident enorm wichtig
Wulfft: "Ich nehme meine Verantwortung gerne wahr, ich habe sie für 5 Jahre übernommen. Und ich möchte nach 5 Jahren eine Bilanz vorlegen, dass ich ein guter, erfolgreicher Bundespräsident war; und ich mache das mit Freude und aus Überzeugung und weiß, dass ich nichts Unrechtes getan habe, aber nicht alles richtig war, was ich getan habe. (...) 'Wem es in der Küche zu heiß ist, der darf nicht Koch werden wollen', wie es Harry S. Truman gesagt hat. Und deswegen muss man offenkundig auch durch solche Bewährungsproben hindurch."
Analyse: Seine Medienmanager und Konflikttrainer haben ihn sicherlich gut gecoacht, allerdings macht er scheinbar nicht alles, was man ihm geraten hat. Immer wieder passen die Teile des Puzzles nicht zusammnen. Die Erklärung ist somit nicht "aus einem Guß", wie man so schön sagt. An den Stellen, wenn sich einem als Konfliktmanager die Haare sträuben, merkt man ihm seine Alleingänge an. Bundespräsident Wulff muss sich wirklich und ehrlich ändern wollen - immer nur Lippenbekenntnisse helfen ihm nicht weiter. Er ist, spätestens seit gestern Abend, ein Präsident auf Bewährung, offensichtlich ohne das Bestreben, sein Verhältnis zu wichtigen Teilen der Presse zu kitten. Ob das gut gehen kann, bei dem, was Journalisten vielleicht noch so alles im Leben des Menschen Christian Wulff recherchieren, bleibt für mich dahingestellt. im Moment, so scheint es jedenfalls, kommt er erst einmal mit seiner Erklärung der Dinge, wie auch der Welt eines Bundespräsidenten, bei dem Deutschen durch.
Nachtrag: Zudem veröffentlichte Bundespräsident Christian Wulff am Morgen seine detaillierte Antwort auf mehr als 400 Journalistenanfragen. Die Antwort findet man HIER!
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