(lsn/otz) - Die Forderung aus der Jenaer Bevölkerung gab es schon länger, wenngleich eine Umfrage von RADIO JENA Programmkoordinator Rainer Sauer bei JENAPOLIS ergab, dass dort zwei Drittel der Internet-Leser eine solche Geste ablehnten: Jena soll seine Bestürzung um die "NSU"-Opfer ausdrücken und deren Familien um Verzeihung bitten!
Ende Januar 2012 schrieb Rainer Sauer (Foto rechts) auf JENAPOLIS: "Man muss sich wirklich fragen, wann sich in Jena endlich eine, von der breiten Bürgerschaft unterstüztte, Bewegung bildet, die bei den Familien der Opfer ihre Bestürzung ausdrückt und um Verzeihung bittet. Mit Geld kann kein Schmerz gemildert werden, nur der wirtschaftliche Schaden. Aber es waren unsere 'Kinder der Stadt', die all das Unheil und Leid in Deutschland angerichtet haben. Sich gegen rechte Gewalt zu solidarisieren, mit Konzerten oder Kundgebungen, durch Erklärungen zur Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus, durch Teilnahme an Demonstrationen in Dresden oder sonstwo, ist das Eine. Das andere ist es, ein Zeichen zu setzen: Jena drückt seine Bestürzung um die Opfer aus und bittet deren Familien um Verzeihung!"
Obwohl eine solche Geste aus der Mitte unserer Stadt seit Monaten überfällig ist, votierten bis heute mehr als zwei Drittel der JENAPOLIS-Leser dagegen. Nun ergreift aber Jenas Oberbürgermeister Dr. Albrecht Schröter (Foto links) selbst die Inititative und wendet sich in einem Brief an die Hinterbliebenen jener Menschen, die von den aus Jena stammenden Nazi-Terroristen ermordet wurden. Für ihn persönlich sein der Staatsakt letzte Woche in Berlin "sehr bewegend" gewesen, sagte Schröter, und er habe sich auch sich nicht der Tränen geschämt, die ihm in die Augen stiegen während dieser Gedenkfeier.
"Da wird einem die ganze Last dieses Themas bewusst und vor allem auch die innere Not der Angehörigen", sagte Schröter am Samstag gegenüber der OTZ. Besonders bewegt habe ihn jener Angehörige, der erklärt habe, ihm sei eine finanzielle Entschädigung angeboten worden, doch darum gehe es nicht, wichtig sei "seelischer Beistand".
Genau das war auch die Empfindung gewesen, die Rainer Sauer im Januar zu seiner Erklärung brachte. Sauer: "Es geht doch nicht darum, sich oder das, was vorgefallen ist, zu entschuldigen. 'Entschulden' kann man das nicht, ebensowenig wie die Tatsache, dass die Mörder aus Jena stammen oder stammten." Er sei nach wie vor tief bestürzt darüber, dass sich zwei Drittel der Menschen, gegen die von ihm angedachte Geste “Jena drückt seine Bestürzung um die Opfer aus und bittet deren Familien um Verzeihung” aussprechen. Er habe etwas bewegen wollen, als klar war, dass die Bundesregierung die Absicht hatte, mit Geld “gut zu machen”, was passiert sei. Auch ihn, sagt Sauer, habe tief bewegt, als Ismail Yozgat bei der Gedenkfeier sagte: “Mein Sohn starb in meinen Armen am 6.4.2006. Meine Familie möchte seelischen Beistand, keine materielle Entschädigung.” Deshalb begrüße er ausdrücklich die jetzt vom Jenaer Stadtoberhaupt vorgesehenen persönlichen Briefe, sagte Sauer am Wochenende.
Albrecht Schröter wiederum bedauert, dass es beim Staatsakt und danach "keine Gelegenheit, mit ihnen ins Gespräch zu kommen", wie er der OTZ erklärte. An diesem Punkt sah sich Schröter gefordert und will in den kommenden Tagen Briefe an die Angehörigen schicken. Wichtig werde ihm dabei vor allem "das menschliche Signal der Verbundenheit und der Nähe" sein, sagte er der Zeitung. Ihn lässt es "nicht kalt", dass aus seiner Stadt "diese Drei gekommen sind". Schröter sieht es genauso wie Sauer, dass Jena hier in einer Verantwortung stehe.
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