Sonntag, 13. Mai 2012

Hatte der "NSU" weitere Unterstützer? (Teil 4): Seit wann existierte der "Nationalsozialistische Untergrund" und wie funktionierte das Leben in der Illegalität?

 
(lsn) - Die Aktivitäten der Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund"/ NSU zwischen 1999 und 2011 sind bis heute nur ansatzweise bekannt. Wie er funktionierte ist jedoch einigermaßen geklärt.

Die erste namentliche Erwähnung stammt von Ende 2001 und ist auf Seite 2 des Neustrelitzer nationalsozialistischen Heftes "Der Weiße Wolf - Rundbrief für Kameraden" Nr. 18 dokumentiert (siehe oben). Nach dem Titelbild und der Losung "Die Jugend ist die Zukunft von Morgen" findet man auf Seite 2 das Vorwort und dem Verweis auf eine neue "WhitePower" Webadresse. Mit der Bemerkung "...nur vom Musikhören und Feiern kommt die Wende nicht." endet das Vorwort und in breiter Schrift kann man folgenden Satz lesen: "Vielen Dank an den NSU, es hat Früchte getragen ;-) Der Kampf geht weiter...".

Wenn das Bundeskriminalamt / BKA mit seiner Vermutung recht behält, dann hatte der "NSU" zu diesem Zeitpunkt bereits vier Morde und ettliche Banküberfälle verübt. Der Verweis auf die Internetaderesse "WhitePower" belegt zudem Verbindungen zum rechtsextremen Netzwerk "Blood and Honour" und Konzerte/Musik neonazistischer Bands.Auch "Der Weiße Wolf" widmete sich immer wieder diesem Thema ("Musikhören und Feiern").

Eng verbunden mit dem Heft war laut einem Bericht der Zeitung "Nordkurier" aus Neubrandenburg ein NPD- Landtagsabgeordneter aus Mecklenburg-Vorpommern, der inzwischen zwar öffentlich erklärte, er habe den "Rundbrief für Kameraden" erst ab Ausgabe 20 als presserechtlich Verantwortlicher betreut und der NSU-Textabschnitt aus Nr. 18 sei ihm (Zitat) "weder bekannt noch erinnerlich", aber es scheint festzustehen, dass er das "Weiße Wolf"-Postfach bereits seit dem Jahr 2000 angemeldet hatte, die Internetseite des Heftes betrieb und auch unter dem Pseudonym "Eihwaz" für den "Weißen Wolf" schrieb.

2002, als die Nr. 18 von "Der Weiße Wolf - Rundbrief für Kameraden" erschienen, lebte der Kern des "NSU" relativ unauffällig in Zwickau in einem Haus in der Polenzstraße 2 (siehe Foto rechts). Uwe Mundlos nannte sich "Max", Uwe Böhnhardt "Gerry" und Beate Zschäpe hatte den Decknamen "Susann Dienelt" angenommen. Der Nachname war dabei identisch mit dem Nachnamen desjenigen, der die Wohnung für das Trio angemietet hatte und heute als Unterstützer in Haft sitzt. Auch ein weiterer Freund von Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe sitzt seit dem letzten Jahr in Haft: André E., dessen Ehefrau mit Vornamen "Susann" heißt und der Böhnhardt und Zschäpe unter dem Namen von sich und seiner Frau Bahncards besorgt hatte. Außerdem soll er beim Herstellen des "NSU" Bekennervideos mitgewirkt haben.

Das BKA kann aber auch belegen: Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe waren nicht nur mit der Bahn unterwegs, wenn der "NSU" auf "Deutschlandtour" ging. Ein weiterer Unterstützer war Holger G. - ebenfalls inhaftiert -, der mit dem Trio bereits seit den Zeiten der "Kameradschaft Jena" eng befreundet war. Er überließ Uwe Böhnhardt seinen Personalausweis und Führerschein (körperliche Ähnlichkeiten waren vorhanden), so dass dieser mit Mundlos und Zschäpe jahrelang und ohne bei möglichen Polizeikontrollen aufzufallen, durch die Bundesrepublik kutschieren konnte. Oft machten die Drei mit Wohmobilen Urlaub auf Fehmarn (bevorzugter Campingplatz: "Wulfener Hals") und einmal soll ein solches Wohnmobil sogar ein Schweizer Kennzeichen gehabt haben, was Urlaubern, die "Max"/"Maximilian", "Gerry"/"Gerhard" und "Susann"/"Lisa" von früheren Urlauben kannten, auffiel. G. ist gegenüber den Behörden äußerst gesprächsbereit, möchte in die Kronzeugenregelung kommen.

So berichtete er den Ermittlern, dass ihn das Trio einmal sogar in seinem Haus in Lauenau besucht habe um ihn karzumachen, es sei "nach all der Zeit" zu spät, sich einfach aus den Verbindungen herauszuziehen. Man riet ihm, so sagte G. aus, sich die Haare kurz schneiden zu lassen und eine ovale Brille bereitzuhalten, um Böhnhardt noch mehr zu ähneln, falls es einmal zu polizeilichen Ermillungen kommen sollte. Gemeinsam sei man, so G. gegenüber dem BKA, anschließend zu einem Fotostudio im nahen Rodenberg gefahren. Als die Fotos fertig waren hätte G. auf dem Amt in Rodenberg einen Reisepass beantragt. Dabei hätten Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt ihn begleitet, um sicher  zuegehen, dass alles klappt. Geholfen habe er, behauptet G., nicht aus Gründen der Gesinnung, sondern nur aus falsch verstandener Freundschaft; von den Taten des "NSU" habe er nichts gewusst.

Bei ihren ältesten Freund aus Jenaer Zeiten, Ralf Wohlleben (siehe Foto rechts), darauf deuteten die Ermittlungsakten hin, sollen Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe in den ersten Wochen ihres Untertauchens Unterschlupf gefunden hatten. Zudem seien von Böhnhardts Konto kurz nach dem Untertauchen von Wohlleben 1.800 Mark abgehoben worden, heißt es. Wenig später sei das Trio dann nach Chemnitz geflohen; dort wurde die Sympathisantin Mandy Struck von einem Mittelsmann Wohllebens angesprochen, die Drei zu verstecken.

Wohlleben soll dem Terror-Trio sogar mehrere Waffen vermittelt haben - auch da da scheint sich das BKA sicher zu sein. Die Ermittler vermuten sogar, dass Ralf Wohlleben (Organisator mehrerer "White Power"-Konzerte der rechten Szene) dem Mundlos/Böhnhardt/Zschäpe-"NSU" zu Anfang, als der noch kein oder nur wenig eigenes Geld zur Verfügung hatte, die Waffen persönlich bezahlte. Das Geld mhierfür soll überwiegend aus solidarischen Spendenaktionen für die Untergetauchten stammen. Dem Trio überbracht hatte die Waffen dann ein weiterer Bekannter aus alten Zeiten, der zuletzt verhaftete Carsten S. aus Düsseldorf.

Es war also für alles gesorgt beim "NSU" und so ist wohl auch die Erklärung des "Nationalsozialistischen Untergrunds" zu verstehen, er sei (Zitat) "ein Netzwerk von Kameraden mit dem Grundsatz - Taten statt Worte -. Solange sich keine grundlegenden Änderungen in der Politik, Presse und Meinungsfreiheit vollziehen, werden die Aktivitäten weitergeführt." Die Aktionen waren Mord, Bombenanschläge, Überfälle auf Banken und Sparkassen. Mehr als 600.000 Euro sollen Mundlos und Böhnhardt zwischen 1999 und 2011 erbeutet haben, zehn Menschen ermordet, Dutzende teilweise schwer verletzt. Ein funktionierendes Netzwerk von Unterstützern half ihnen dabei, mit allen verkehrte der "NSU" mehr oder weniger regelmäßig, teilte die gleichen Interessen. Es hatte tatsächlich "Früchte getragen".

Doch wo soll man / kann man eine Grenze ziehen zwischen Freundschaftsdiensten unter Gleichgesinnten und wohlwissender Unterstützung? Wie war das zum Beispiel bei Mandy Struck aus dem Erzbegirgskreis. Ihre Identität nutzte Beate Zschäpe bis zum November 2011 mehr als einmal und für verschiedenste Zwecke. Ideal war: beide sahensich ähnlich und hatten nahezu die gleiche Körpergröße.

Vier Tage, nachdem Mundlos und Böhnhardt tot in dem ausgebrannten Wohnmobil aufgefunden worden waren, tauchte ihr Name zum ersten Mal in den Medien auf. Fast alle Zeitungen druckten die Decknamen der damals noch bundesweit gesuchten Beate Zschäpe: "Susann Dienelt" und "Mandy Struck".

Dem Magazin "Welt Online" gab sie daraufhin ein Interview und erklärte: "Ich will da schnell durch, deshalb stelle ich mich der Situation, ich habe nichts Böses getan". Gegen die Nennung ihres Namens hat Mandy Struck nichts einzuwenden, sagt: "Den kennen sowieso alle, außerdem bin ich nicht die geheimnisvolle Terrorhelferin im Hintergrund."

Ende Februar 1998 war es gewesen, Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe waren erst seit kurzem abgetaucht und benötigten einen Ort zum Wohnen. In einem Szenetreff von Rechtsradikalen in Chemnitz spricht ein Bekannter Mandy Struck an, erzählt sie "Welt Online". Er fragt: "Kannst Du Leute unterbringen, die Scheiße gebaut haben?" Den Fragensteller hat sie dem BKA genannt, nennt aber keine Details: "Ich will die Ermittlungen nicht gefährden. Die Polizei weiß alles." - So war der Deal...Struck ist heute noch auf freiem Fuß. Inzwischen wird spekuliert, dass es Casten S. gewesen sein könnte, der von Wohlleben geschickt worden war.

...FORTSETZUNG FOLGT...

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