Mittwoch, 20. Juni 2012

"Schlangenalarm": Russisches Reptil vor dem Dienstgebäude des Oberbürgermeisters sorgte für Feuerwehreinsatz

(lsn) - Gegen 14 Uhr 30 ging am Sonntagnachmittag ein Notruf bei der Jenaer Feuerwehr ein, dass sich nur wenige Meter von der Feuerwehrleitstelle entfernt eine mehr als einen Meter lange Schlange über die wegen Bauarbeiten gesperrte Straße "Am Anger" schlängeln würde. Als die Wehrkräfte auf die Straße liefen, war die Schlange bereits auf einem Straßenbaum gegenüber dem Dienstgebäude des Oberbürgermeisters geflüchtet.

Zunächst blickten die vier Feuerwehrmänner relativ ratlos hinauf zum Baum, auf dem sich das Reptil um einen abgeschnittenen Ast gewickelt hatte und offenbar recht wohl zu fühlen schien. "Katzen und andere Haustiere von Bäumen zu holen, das sind wir gewohnt. Aber eine unbekannte Schlange von über einem Meter Länge - das hatten wir noch nicht. So was löst dann schon ein mulmiges Gefühl aus", sagte Feuerwehrmann Karsten Fulde der OTZ. Die Rettungsleitstelle verständigte deshalb den diensthabenden Amtstierarzt Stefan Suhrke, der sich sofort aus Camburg auf den Weg nach Jena machte.

In Jena war es das zweite Mal für Suhrke, dass er mit Schlangen zu tun hatte. "Der Mitarbeiter am Telefon sagte, dass die Kollegen wegen der Zeichnung eine Kreuzotter vermuten. Die konnte es aber nicht sein, da Kreuzottern grundsätzlich nicht klettern", so Suhrke zur Zeitung. 2004 musste er im Alten Gut Zwätzen eingreifen, da dort ein Züchter (der mit amtlicher Anmeldung über 70, zum Teil hochgiftige Schlangen, hielt) von einer Schlange gebissen worden war.

Während der Fahrt des Veterinärs von Camburg in die Lichtstadt löste sich die etwa 1 Meter 20 lange Schlange von ihrem Ast und glitt am Stamm des Baumes hinab ins Gras. Die Feuerwehrleute fixierten das Tier mit zwei Werkzeugen und einer von ihnen, geschützt durch dicke Einsatzkleidung und Handschuhe, griff die Schlange hinter dem Kopf und legte sie behutsam in eine stabile Kiste aus Kunststoff (siehe Foto rechte und Foto unten). Der inzwischen in Jena angekommene Tierarzt war sich aber auch nicht sicher, um was für eine Art von Schlange es sich handelt.

"Ich hatte zwar die Vermutung, dass es eine Ringelnatter sein könnte, denn die Weibchen werden durchaus bis 1 Meter 50 lang, aber es fehlten die charakteristischen gelben Halbmonde hinter dem Kopf", sagte Stefan Suhrke. Er brachte die Kiste mit dem Tier deshalb zu einem ihm bekannten Profi-Halter von Reptilien in Camburg, der die Harmlosigkeit des Schlangentieres bestätigte. Allerdings handelte es sich dann doch nicht um eine Ringelnatter: es ist eine Amurnatter, die gehört zur Gattung Elaphe.

Andreas Nöllert, Biologe und ehemalige Mitarbeiter der Thüringer Landesanstalt für Umwelt, der sich seit frühester Jugend mit Reptilien beschäftigt, ist sich ganz sicher: "Ringelnattern sind nur in absoluten Ausnahmefällen so lang wie diese Schlange", sagte er heute der OTZ. Dies bestätigte inzwischen auch Dr. Hendrik Müller vomm Institut für Spezielle Zoologie und Evolutionsbiologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena.  Es sei eine "Elaphe schrenckii" (zu deutsch: Armurnatter / siehe Foto oben aus "zoopedia"), bestätigte Dr. Müller.


Doch wie kommt ein Tier, das in Russland, in Nordchina und in beiden Teilen Koreas zu Hause ist, nach Jena auf den Anger? Andreas Nöllert und Dr. Hendrik Müller vermuten beide, dass die Schlange aus einem privaten Terrarium entwichen ist. "Schändlich wäre natürlich, wenn jemand das Tier mit Absicht ausgesetzt hat", sagt der Wissenschaftler. In Deutschland würden Armurnattern gern privat gehalten. "Elaphe schrenckii" stillt ihren Hunger mit Nagern wie Mäusen und Ratten. "In ihren natürlichen Verbreitungsgebieten findet man diese Schlangen deshalb auch in der Nähe von menschlichen Siedlungen", sagt Dr. Müller. Sie seien sehr gern gesehen, da sie die Populationen der Schadnager auf natürliche Art und Weise klein halten.

Dass Amtstierarzt Stefan Suhrke die in Jena gefangene Schlange bereits am Sonntag an der Saaleaue bei Camburg in die Freiheit entlassen hat, ist für das Tier an sich kein Problem. "Die klimatischen Bedingungen in der Heimat der Armurnatter sind ähnlich wie bei uns. Die Winter sind dort sogar deutlich härter", sagt Dr. Müller. Wenn man eine entsprechende Menge Tiere aussetzen würde, könnte sich auch in Deutschland eine Population der Armurschlange entwickeln. "Was natürlich nicht wünschenswert ist", ergänzte der Jenaer Forscher gegenüber der OTZ. Ob sich die vermutlich in Gefangenschaft geborene Armurnatter vom Anger in der Freiheit behaupten kann, das stehe auf einem anderen Blatt.

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