Samstag, 14. Juli 2012

"Gigantisch!": Die Lichtstadt jubelt über die "Frankenstein"-Inszenierung des Theaterhauses Jena

(lsn / radio jena) - Vorgestern hatte der Spuk Premiere und morgen ist er schon wieder vorbei: "Frankenstein oder der moderne Prometheus" als Eröffnungsspektakel der diesjährigen Kulturarena. Und die Lichtstadt jubelt!

Eigentlich ist das von Viktor Frankenstein erschaffene Wesen (gespielt von Yves Wüterich) ganz lieb und will nur spielen. Doch der faustisch-neurotische Leichenfledderer, ausgestattet mit einen ausgeprägtem Minderwertigkeitskomplex, hat bei seiner Arbeit geschlampt. Wie einst der britische Dichter William Blake die natürlich Unschuld des Kindes beschrieb, lässt auch Autorin Mary Shelley ihr Phantasiegeschöpf zuerst arglos und zugleich neugierig durch den Wald wandern, wobei es ein Kind vor dem Ertrinken rettet und für einen Blinden Holz hackt. Aber - man ahnt es, auch wenn man die Geschichte noch nicht kennt - es wird böse enden mit dem Wesen, denn es ist hässlich und das mögen die Menschen nicht. Sie machen es verbal zu einem "Monster", jagen es.

Nach einer knappen Stunde betritt die bislang unauffällig vorm Zirkuswagen Tagebuch schreibende Figur der Mary Shelley das Rampenlicht. Die seinerzeit 19-jährige Verfasserin des Horror-Klassikers "Frankenstein" erzählt mit ausländischem Akzent die Geschichte weiter, zitiert das Märchen vom Waisenkind und dem Mond und er Sonne aus Büchners "Woyzeck". Und damit wechselt Regisseur Moritz Schönecker die Per­spektive (sein Bruder . Fortan erlebt man alles Weitere mit den Augen des von seinem Geschöpf verfolgten Wissenschaftlers Viktor Frankenstein zum Täter deklarierten, erbarmungslos gejagten Opfers.

Und auch das Drumherum stimmt, inklusive der hervorragenden Liveband mit Ivan Antonič (Akkordeon), Kay Kalytta (Schlagzeug), Thomas Neubert (Tube) und Anatoli Michaelis (Trompete). Nahezu perfekt passt Moritz Schöneckers Inszenieurng mit den etwa fünfzig Statisten, die Gaukler, Akrobaten, Poledancer, Feuerjongleure, Harlekins, Animier- und Tangotänzern spielen (Trabifreund Suppe spielt einen Kettenraucher, Ortsteilbürgermeister Philler einen Pfarrer) - kurzum: eine leuchtend-pralle Zirkuswelt zum Leben erwecken. Und selbst die live hergestellten und mit modernen elektronischen Effekten zusammenmontierten-Videos (für die Peer Engelbracht und Stephan Komitsch verantwortlich zeichnen) passen ideal in die Jenaer "Frankenstein"-Inszenierung, sind originell und anrührend zugleich, weil sie Nähe schaffen. Lediglich die oft notwendigen Umbaupausen stören den Fluss des Stückes ein wenig.

"Wenn ich keine Liebe erwecken kann, werde ich Angst verbreiten", sagt Wüterich mit seiner kindlichen Stimme und besiegelt somit folgerichtig sein Ende, da ihm Viktor Frankenstein eine Zukunft verweigerte. Der Tod des Monsters allerdings bleibt offen, sein Leben liegt statt dessen in Scherben (Schönecker lässt diese aus Schubkarren auf einen Haufen kippen) und das Stück ist mit einem Mal aus.

Alles in allem ist "Frankenstein oder der moderne Prometheus" (auch nicht zuletzt wegen der Live-Musik von Joachim Schönecker) eine der besten, mit fast zweieinhalb Stunden aber auch eine der längsten, "Kulturarena"-Inszenieurngen der letzte Jahre.Zu sehen noch heute Abend (an dem ZONO Radio Jena die Vorstellung für den Hörfunk aufzeichnet; Sendtermin ist der 26. August 2012, als letzter Tag der diesjährigen Kulturarena) und am morgigen Sonntag, jeweils ab 21 Uhr 30; wer es trocken mag, dem sei der Erwerb eines Regenponchos für 1,-- Euro empfohlen, den es auf dem Arena-Gelände zu kaufen gibt.

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