Montag, 6. August 2012

"INSIDE NSU - Details aus der Anklage!" - Was die Bundesanwaltschaft Zschäpe, Wohlleben und Em*ng*r vorwirft! - Teil 4

(ZONO Radio Jena) - In wenigen Wochen wird die Bundesanwaltschaft dem Bundesgerichtshof ihre Anklage gegen Beate Zschäpe als Mitglied der rechtsradikalen Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" / "NSU" vorlegen; eine weitere Anklage gegen Ralf Wohlleben als Unterstützer des "NSU" folgt noch im Jahre 2012.

Sechs Wochen lang, bis zum 20.08.2012, berichtet ZONO Radio Jena in seinem lokalen Hörfunkprogramm und auf "Lichtstadt.Netz" über den Abschluss der Ermittlungen, listet Details der einzelnen Anklagepunkte auf und gibt den chronologischen Ablauf der "NSU"-bezogenen Ereignisse zwischen Januar 1998 und November 2011 wieder. Heute ist es...


"INSIDE NSU" - Teil 4
Januar 2005 bis Januar 2007: Drei Morde und 280.000 Euro
(zusammengestellt von Tim Schwarz)

Angesichts dieser Exaktheit der Verbrechenspause zwischen dem 09.05.2004 und dem 09.05.2005 sowie der Bezüge bestimmter historischer Daten zu den Mord- und Gewalttaten des "Nationalsozialistischen Untergrunds" / "NSU" gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund fällt es schwer, hier Zufall zu unterstellen. Auch wenn - und vielleicht gerade weil - der "NSU" eine Terrorbewegung ist, die ohne Bekennersdchreiben auskommt, spricht einiges, dafür, dass Uwe Mundlos / M und Uwe Böhnhardt / B bei ihrem Morden und Anschlägen gezielt Zeichen gesetzt haben, Zeichen, die die Ermittler jedoch nicht erkannt haben. Beweise für eine solche These gibt es aber nach wie vor nicht.

Trotzdem: Zwischen dem 09.05.2004 und dem 09.05.2005 gab es weder einen Bankraub, noch einen Überfall, noch irgend ein anderes Verbrechen, das die Bundesanwaltschaft heute dem "NSU" zuordnen kann. Und auf den Tag genau ein Jahr nach dem ausländerfeindlichen Bombenanschlag in der Keupstraße in Köln setzen Böhnhardt und Mundlos / BM ihre Mordserie an dem "Türkenpack", wie Z es einmal nannte, fort.

Ihr Opfer am 09.05.2005 ist der 50 Jahre alte Ismail Yazar in seinem "Döner"-Imbiss in der Scharrerstraße in Nürnberg.. Schon der erste Schuss lässt ihn auf dem Boden zusammensacken. Die darauf folgenden vier Nachschüsse von B und M in Yazars Kopf werden im Polizeijargon "Exekution" genannt. Später wird der Nürnberger Ex-NPD-Funktionär Rainer Biller (laut Presseerklärung der zuständigen Staatsanwaltschaft) auf seiner Facebook-Seite den Kommentar veröffentlichen: "Tod dem Döner, es lebe die Nürnberger Bratwurst!"; die Staatsanwaltschaft erhob Anklage gegen ihn wegen Volksverhetzung.

Aufzeichnungen, die von den Ermittlern des BKA in der ausgebrannten Wohnung des "NSU" fanden, offenbaren sieben Zielobjekte für mögliche Anschläge in Nürnberg. Darunter: Parteibüros, Asylanten-Unterkünfte, ein Café und, als letzten EIntrag auf der Liste, das Objekt "Scharrer Str., neben Post, Imbiß"; der Eintrag ist datiert vom 26.05.2005.

Mehrere Morde haben BM nun in Nürnberg durchgeführt, doch haben sie sich ihre Detail-Informationen alleine besorgt?. Beweise für einen oder mehrere Mittäter aus Nürnberg, hat die Bundesanwaltschaft nicht. Allerdings verraten Details über die auf der Liste aufgeführten Zielobjekte in Nürnberg umfassende Ortskenntisse, die sich B und M nach Auffassung des BKA nicht selbst begebracht haben konnten. So wird als mögliches Anschlagsziel u. a. das Asylantenheim in der Industriestraße genannt und hierzu gibt es folgende Notiz: "Tür offen ohne Schloss, Keller zugänglich".

Auch wissen die Ermittler, dass eine, der von Beate Zschäpe / Z an Dritte verschickten, "Frühling"-DVDs nicht direkt mit der Post an die "Nürnberger Nachrichten" geschickt wurde: ein Bote gab den Umschlag mit der DVD an der Pforte des Zeitungshauses ab. Jedoch wissen sie um die  Kontakte von Mandy Struck / MS nach Nürnberg, die eine Zeitlang in der Nähe wohnte und mit dem Nürnberger Neonazi Matthias Fi. befreundet war, der seinerzeit bei der “Fränkischen Aktionsfront” aktiv war und heute Chef des militanten Kameradschafts-Verbandes “Freies Netz Süd” ist.

Der inzwischen dritte "NSU"-Mord in der Stadt der NSDAP-Reichsparteitage ist zudem der sechste Mord, mit der von Ralf Wohleben / RW in Jena beschafften Waffe: einer Ceska 83 mit Schalldämpfer. Doch es dauert nur wenige Tage, bis der "NSU" in der nächsten (BM bereits wohlbekannten) Stadt, die inzwischen als "Döner-Morde" titulierte Verbrechensserie, mit der Ceska 83 fortsetzen.

Am 15.06.2005 wird in München Theodoros Boulgarides erschossen. Den Mord verüben BM in einem Schlüsseldienst; das Geschäft liegt ganz in der Nähe des Münchner Hauptbahnhofs in der Trappentreustraße. B und M kommen kurz nach Geschäftsschluss, Boulgarides ist freundlich, lässt die Aänner noch in den Laden hinein. Wieder sind es aufgesetzte Kopfschüsse aus zwei Waffen, die letzten Schüsse eine "Exekution". Nach der Auswertung der Funkzellenabfrage wusste die Polizei bereits welche Handyanrufe vor und nach der Tat aus dem Umfeld des Hauptbahnhofs erfolgt sind. Eine Nummer der vielen Hundert Gesprächsdaten spielt im Anklageverfahren eine große Rolle: es ist die Prepaid-Handynummer von Z.

Am 21. Juni 2005 schreibt die "Süddeutsche Zeitung" zum Stand der Ermittlungen in Nürnberg und München: "Wie sicher muss sich einer seiner Sache sein, wenn er zur Frühstückszeit eine Imbissbude betritt, um dort einen Menschen mit mehreren Kopfschüssen niederzustrecken? Seit Herbst 2000 ist es die dritte Hinrichtung der Art in Nürnberg, das damit zum Zentrum einer inzwischen siebenfachen Mordserie in vier Städten geworden ist, die Sonderkommissionen im gesamten Bundesgebiet beschäftigt und bei der es noch keine heiße Spur gibt. (...) Beziehungen zwischen den türkischen Opfern findet das Bundeskriminalamt keine. Die Sechs kamen aus unterschiedlichen Regionen, sie kannten sich offenbar nicht, für einen ethnischen Hintergrund gibt es keine Anhaltspunkte. Es spiele daher wohl auch 'keine entscheidende Rolle', sagen die Ermittler, dass das siebte Opfer der Serie ein Grieche ist: Am vergangenen Mittwoch wurde Theodorous Boulgarides kurz vor 19 Uhr während der Öffnungszeit in seinem Schlüsseldienstladen im Münchner Westend mit einem Kopfschuss hingerichtet. Die Nürnberger Ermittler besichtigten am Freitag den Münchner Tatort, man arbeite zusammen, Ergebnisse wolle man aber noch nicht bekannt geben, hieß es - vielleicht, weil es noch keine gibt."

Nur wenige Wochen nach dem Mord an Boulgarides melden sich Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe / BMZ in Hannover bei Holger Gerlach / HG, der B mit einem Reisepass bereits vor einigen Jahren seine Identität geliehen hatte, weswegen sich B in der Öfffentlichkeit "Gerry" nannte.

Gegenüber der Bundesanwaltschaft sagte HG später aus, er habe BMZ bei deren überraschendem Besuch erklärt, er sei in der Zwischenzeit "aus der Szene" ausgestiegen. BMZ sind verwundert, weil er doch erst ein Jahr zuvor gemeinsam mit ihnen Urlaub an der Ostsee gemacht hatte.

Daraufhin hätten B und M ihn als "Verräter" bezeichnet, erzählte HG. Im Nachhinein sei es ihm allerdings so vorgekommen, sagte HG den Ermittlern, als hätte sich B damals nur vergewissern wollen, dass mit HGs geborgter Identität alles in Ordnung sei.

Am 22.11.2005 überfallen BM dieselbe Sparkasse in Chemnitz wie am 18.05. des Vorjahres, müssen jedoch ohne Beute flüchten. Ein knappes Jahr lang können BM ihren nächsten Bankraub vorbereiten, gehen im April 2006 jedoch erstmals in den Westen Deutschlands um ihre nächsten Morde an Ausländer auszuführen Vorbereitet werden sie offenbar bereits im Winter 2005/2006.

Am Dienstag, den 04.04.2006 verstirbt Mehmet Kubaşık (Foto links) in seinem Kiosk in der Mallinckrodtstraße in Dortmund nach mehreren Kopfschüssen. Wie die Ermittler der wieder völlig hergestellten Festplatte, eines, von der "NSU" genutzten und in der ausgebrannten Wohnung in der Zwickauer Frühlingsstraße aufgefundenen, Computers entnommen werden konnten, hatten BMZ auch in dieser Stadt etliche potentielle Ziele aufgezeichnet und ausgekundschaftet, unter anderem türkische Geschäfte. "Gutes Objekt und geeigneter Inhaber" haben sie, so die Anklageschrift, in einer Dateiliste vermerkt und an anderer Stelle: "Personal ist nicht optimal, vorher noch mal prüfen."

Ob B, M oder Z dies selbst in die Datei eingetragen haben oder ob sie auch in Dortmund Helfer hatten, kann die Bundesanwaltschaft ebenso wie im Falle von Nürnberg nicht sagen. Erschreckende Erkenntnisse hat man dagegen im neunten und letzten Mordfall mit ausländerfeidlichen Hintergrund. Er geschieht sozusagen auf der Rückfahrt von Dortmund im hessischen Kassel. Wie auch zuvor in Dortmund sind BM in ihrem gemieteten Fiat-Wohnmobil Modell "Chausson Welcome 70" mit dem Kennzeichen C-AJ 940 unterwegs, ihr Ziel: die Holländischen Straße in Kassel.

Halit Yozgat ist Betreiber eines Internetcafes in der Holländischen Straße 82 und der Mord an ihm belastet ganz erheblich das Landesamt für Verfassungsschutz in Hessen. Wenn man schon nicht an die Verkettung der Daten und die exakt einjährige Pause in der Verbrechensreihe des "NSU" glauben mag, wenn man dies alles als reine Zufälle erklärt, da man sie nicht beweisen kann, so passierte sowohl nach Ansicht des BKA, aus auch der Bundesanwaltschaft sowie der verschiedenen Untersuchungsausschüsse am 06.04.2006 in Kassel möglicherweise ein Zufall zuviel

Denn als der Geschäftsmann (Foto links) am Donnerstag morgen, zwei Tage nach dem Mord in Dortmund, hinter dem Tresen seines Internetcafes in der Holländischen Straße von BM mit zwei Kopfschüssen getötet wird, (eine der Waffen ist wieder die Ceska mit Schalldämpfer) befindet sich "zufällig" - so erklärte es später die Behörde - ein Mitarbeiter des hessischen Landesamtes für Verfassungsschutz am Tatort.

Verfassungsschützer Andreas T. surfte dort während seiner Dienstzeit privat auf Kontakt- und Pornoseiten. Direkt nach der Tat verlässt er das Internetcafe, hat die Tat angeblich nicht bemerkt, nimmt seine Tätigkeit wieder auf. Anhand der Verbindungsdaten kann die Kassler Kriminalpolizei ihn jedoch schnell ausfindig machen. Andreas T. bleibt bei seiner Darstellung, er habe von dem Mord an Yozgat nichts bemerkt, obwohl die Schüsse, trotz der Schalldämpfung, hörbar gewesen sein müssen.

Hatte hier nur jemand Angst vor Disziplinarmaßnahmen, weil er während seiner Dienstzeit privat auf schlüpfrigen Seiten im Internet unterwegs war. Oder ist Andreas T. einer der Helfer der "NSU", die in Nürnberg, München, Köln, Dortmund oder Kassel Tatorte auskundschafteten?

Wie Journalisten später herausfanden, hat T. zumindest einen auffälligen Spitznamen: mancherorts nannte man ihn "Kleiner Adolf", wegen seiner rechten Gesinnung, die auch im Landesamt ein Thema gewesen sein soll. All dies steht zwar nicht in der Anklageschrift, allerdings steht er laut Anklage auf der Zeigenliste im zweiten Teil des Prozesses gegen Z und man kann davon ausgehen, dass die Bundesanwaltschaft bis dahin genau wissen wird, zu was man Andreas T. zu befragen hat. Hierzu sollen dem Generalbundesanwalt inzwischen, wie aus dem BKA zu erfharen war, ganz brisante Information vorliegen.

Gut zwei Monate nach dem neunten Moird des "NSU" machen BMZ wieder einmal wieder Urlaub und reisen in einem Skoda Kombi mit zwei Mountainbikes auf dem Dach  ins Ostseebad Grömitz bei Fehmarn. Dort surfen sie, machen Ausflüge mit den Mountainbikes, erkunden die Gegend, entspannen: Fehmarn wird für die nächsten fünf Jahre ihr bevorzugter Urlaubsort. Die Urlaubsfotos speichern sie auf dem Computer in dem Ordner "Urlaub 2006".

Auf einem Foto sitzt Z im Auto mit türkisem Kopftuch und türkisen Ohrringen, auf einem anderen zieht sie sich einen Schuh an, während sie auf dem Beifahrersitz hockt. Auf einem dritten schlendern die "NSU"-Urlauber in T-Shirts und Dreiviertelhosen durch die Fußgängerzone von Grömitz.

Bei einer ihrer der Fahrten von Grömitz an der Ostseeküste entlang, stoßen BMZ im Sommer 2006 in der Kleinen Parower Straße in Stralsund auf eine Sparkasse, die so schlecht gesichert scheint, dass man hier eine gute Möglichkeit sieht, schnelle Beute zu machen. Der "NSU" braucht ganz offensichtlich wieder Bargeld. Am 05.10.2006 überfällt B in Zwickau zum ersten Mal alleine eine Sparkasse und unterschätzt hierbei ganz offensichtlich den Unterschied zu einem Überfall durch zwei bewaffnete Personen: er trifft auf Widerstand, B muss ohne Beute fliehen. Bei der Flucht verfolgt ihn ein Sparkassen-Lehrling, dem B in den Bauch schießt. Der junge Mann überlebt schwerverletzt.

B und M reagieren unverzüglich darauf, dass die beiden letzten Überfälle jeweils ohne Beute zu Ende gingen und fahren sofort knapp 600 Kilometer an die Ostsee nach Stralsund. Zwei Tage nach dem mißglückten Überfall in Zwickau, am Samstag, den 07.10.2006, überfallen sie dort die zuvor ausgewählte Sparkasse in der Kleinen Parower Straße. Die anwesenden Personen, müssen sich auf den Boden legen, werden von M (siehe Foto unten) in Schach gehalten, während B die Schalterangestellten bedroht und dazu zwingt, Geld aus dem Tresor in eine mitgebrachte Plastiktüte zu legen. Mit einer Beute, die selbst für BM gigantisch ist, fliehen sie auf ihren Fahrrädern in ein Wohnmobil und verlassen damit schnell Stralsund: 84.000 Euro haben sie erbeutet.


Der Überfall klappt so gut, dass sich die beiden entschließen, ihn drei Monate später an gleicher Stelle noch eimal zu wiederholen. Am Donnerstag, den 18.01.2007, überfallen BM dieselbe Sparkasse in Stralsund noch einmal und erbeuten dabei unfassbare 197.000 Euro. Wie so oft zuvor verliert der eingesetzte Fährtenhund der Bundespolizei die Spur urplötzlich nach einigen hundert Metern.

Dies ist jedoch das erste Puzzlestück der Polizei, das 2011 dazu führen wird, dass man B und M ganz konkret auf die Spur kommt ... als Bankräuber und noch nicht als Terroristen. Vier Jahre zuvor ist man da noch auf der Spuche, jedoch konkreter als alle Jahre zuvor: in der TV-Sendung "Kripo Live" veröffentlicht die Polizei 2007 einen Fahndungsaufruf, in dem eine Verbindung zwischen den vielen Überfällen in Chemnitz und den beiden in Stralsund hergestellt wird. Der Grund: einer der Täter ist größer als der andere und dieser Täter ist Linkshänder. Erstmals spricht man auf Seiten der Polizei von einer Serie, bei der (Zitat) "die Täter ca. eine halbe Million Euro" erbeutet hätten.


[Die Fortsetzung folgt in Teil 5 von "INSIDE NSU" am 13. August 2012 hier im "Lichtstadt.Netz"]

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