Samstag, 8. Dezember 2012

"Wie lange noch wollen und können sich junge Familien in Jena für ein weiteres Kind entscheiden?" - Öffentlicher Brief des Stadtelternbeirats an den Oberbürgermeister

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

alle Jahre wieder: das traute Heim wird festlich geschmückt und weihnachtlich gestimmt begehen wir die letzten Wochen des Jahres. Man rückt wieder näher zusammen und jeder überlegt, wie er seinen Lieben eine Freude bereiten kann. Und damit bloß niemand und nichts vergessen wird, entstehen dieser Tage viele Listen. Stehen die Jenaer Eltern auf der Ihren? Wir Eltern des Stadtelternbeirates wünschen uns für alle Familien mit Kindern in Jena weniger finanzielle Belastungen bei der Betreuung der Kinder!

Uns Eltern soll, in der Hoffnung, dass es im vorweihnachtlichen Trubel einfach nicht bemerkt wird, eine ziemlich bittere Pille unter den Baum gelegt werden, an der einige Familien zu ersticken drohen. Denn bereits jetzt leiden viele Familien mit zwei oder mehr Kindern an denkonstant hohen Kosten. Dabei dürfen wir aber nicht vergessen, dass noch (!) knapp zehn Geburten pro tausend Einwohner Jena zur geburtenstärksten Stadt Thüringens machen, obwohl Thüringen auch eines von 14 Bundesländern mit rückläufiger Geburtenrate ist.


Wie lange noch wollen und können sich junge Familien in Jena für ein weiteres Kind entscheiden, wie lange noch können sich junge Familien hier ansiedeln? Will sich eine Stadt wie Jena Kinder und ihre qualitätsvolle Betreuung und Bildung etwa nicht mehr leisten? Aufgrund der überaus positiven wirtschaftlichen Entwicklung der Stadt, bspw. durch Steuermehreinnahmen und niedrige Verschuldung, halten wir eine Gebührenerhöhung für gänzlich ungerechtfertigt. Und wir sind zudem irritiert! Widersprechen diese Überlegungen doch zum einen Ihrem ganz persönlichen Versprechen von 2011, in einem solchen Fall über eine Senkung der Sätze zu verhandeln, sie widersprechen zugleich aber auch Aussagen von Vertretern ihrer Fraktion, als man - am 23. März 2011 bei einem Treffen im Stadtelternbeirat - um unsere Stimmen für die OB-Wahl warb.

Man diskutiert also nicht, wie man in einer der teuersten Städte Ostdeutschlands, in der hohe Lebenshaltungskosten und hohe Mieten immer mehr Druck auf Menschen aus dem unteren und mittleren Einkommensbereich ausüben, die Eltern entlasten kann. Folgt man der Berichterstattung der letzten Tage und den Überlegungen von Finanzdezernent Jauch, dann überlegen die verantwortlichen Politiker wohl eher, wie man mehr und immer mehr Geld von den Eltern holen kann. Geld, das in der Folge auch den Kindern fehlt. Sicher erinnern Sie sich noch an die Erhebung der INSM, auf die wir vor zwei Jahren schon hinwiesen: Hinsichtlich der Kindergartengebühren ist Jena die zweitteuerste Stadt, von einhundert teilnehmenden Regionen wurden 98 Regionen besser bewertet als Jena. Sollte sich die Stadt aufgrund dieser Tatsache nicht schämen?

Darum haben wir Eltern des Stadtelternbeirats auf unserer Wunschliste folgendes stehen: die langfristige Abschaffung der Kitagebühren. Warum? Weil wir uns wünschen, dass Jena nicht von anderen Wirtschaftsstandorten abgehängt wird, was gute, bezahlbare und flexible Kinderbetreuung betrifft, sondern weithin sichtbar eine Vorbildwirkung ausstrahlt. Weil wir uns wünschen, dass wir für das Jenaer Umland nicht das Signal senden müssen: wir wohnen zwar in Jena, genießen dort viele Privilegien, bringen unsere Kinder aber zu euch, weil das bei uns zu teuer ist. Sondern: wir leben gern in Jena und freuen uns, wenn sich noch mehr junge Menschen dafür entscheiden, sich in Jena fest anzusiedeln, damit wir dauerhaft mehr Schlüsselzuweisungen, also Zuschüsse aus dem Landeshaushalt, erhalten und einer Abwanderung, bspw. wegen exorbitanter Mieten und damit auch Lebenshaltungskosten, proaktiv entgegenwirken.

Weil wir uns wünschen, dass Jena wirklich kinderfreundlich wird. In diesem Sinne erbitten wir eine Stellungnahme bis zur nächsten Sitzung des Stadtelternbeirates am 12.12.2012 und wünschen Ihnen und dem Stadtrat bis dahin eine besinnliche Vorweihnachtszeit.

Ihr Stadtelternbeirat

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Foto oben © "Deutschland - Land der Ideen"/Andreas Pöcking

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