(tim schwarz) - Die Befangenheitsanträge der Anwälte von Beate Zschäpe und Ralf Wohlleben gegen Richter Manfred Götzl im Münchner NSU-Prozess sind abgelehnt worden. Aber die Absicht, den Prozess heute, am zweiten Verhandlungstag, richtig beginnen zu lassen, wurde schon wenige Minuten nach Prozessbeginn durch neue Anträge der Verteidiger entschleunigt.
Wolfgang Heer, der Verteidiger der Hauptangeklagten, stellte zuerst einen Antrag, die Hauptverhandlung auszusetzen und in einem anderen Saal neu zu beginnen. Es gehe darum, dass aus Sicht der Verteidigung in diesen Sitzungssaal nicht weiter verhandelt werden könne, da die beschränkte Kapazität des derzeitigen Saales den "Grundsatz der Öffentlichkeit" verletze. Der ehemalige Plenarsaal des deutschen Bundestages, das heutige "Bonn World Conference Center", zum Beispiel, wäre groß genug und damit ein angemessener Ort für einen Prozess "dieser Bedeutung" sagte Heer. Nicht nur die Nebenkläger wundern sich über eine solche Begründung aus dem Mund des Anwalts von Beate Zschäpe, der Wochen zuvor - es ging um das Gerangel um die Presseplätze - immer wieder gemahnt hatte, dieser Prozess solle kein Schauprozess werden.
Auch die Verteidiger von Ralf Wohlleben kündigten weitere Anträge an. So wurde bemängelt, dass für die meisten Beteiligten keine ordnungsgemäßen Zeugenvernehmungen möglich seien, da sie die Zeugen nur von hinten sehen könnten. Das Gericht unterbrach anschließend die Sitzung zur Mittagspause.
Um 14 Uhr 45 wies das Gericht den Antrag auf Aussetzung des Verfahrens um zwei Tage und eine Verlegung der Verhandlung in einem größeren Sitzungssaal ab. Der Grundsatz der Öffentlichkeit gebiete es nicht, die Verhandlung in einen größeren Saal zu verlegen, sagte der Vorsitzende Richter Manfred Götzl und fügte an: "Strafverfahren finden in, aber nicht für die Öffentlichkeit statt".
Anschließend folgte das Gericht dem Antrag von Angehörigen des ermordeten Halit Yozgat. Deren Anwalt Thomas Bliwier, beantragte endlich die Anklage zu verlesen. Es gebe, so sagte er "keine triftigen Gründe, die ein Abweichen von der gesetzlich vorgesehenen Reihenfolge des Verhandlungsgangs rechtfertigen".
Um 15 Uhr 20 schließlich befragte Richter Götzl die fünf Angeklagten zu ihren persönlichen Verhältnissen, blockte dadurch weitere Anträge der Verteidigung Zschäpes ab, worauf deren Verteidiger Stahl erklärte: "Meine Mandantin wird sich nicht äußern." Danach wurde André Em*ng*r der Wort erteilt. Dieser bestätigte seine Personalien knapp, sagt dann aber: "Zu mehr werde ich mich nicht äußern." Ralf Wohlleben nickt nur bei den Angaben zu seiner Person, schweigt aber ebenso wie Zschäpe. Die anderen Angeklagten antworten dem Richter, was aber auch nicht verwundert, da beide bereits im Vorfeld umfassende Angaben zur Sache und Aussagen zum "NSU" gemacht hatten.
Um kurz vor 16 Uhr wurde dann etwa eine Stunde lang durch Bundesanwalt Dr. Herbert Diemer die etwa 35-seitige Anklage verlesen. Die Taten des "NSU" wurden durch ihn detailliert geschildert. Diemer beschrieb die einzelnen Tatpläne, bewusstes und gewolltes Zusammenwirken von Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe, erwähnt die arg- und wehrlosen Opfer der einzelnen Verbrechen des "NSU", die Namen der Opfer, deren tödliche Verletzungen, Schüsse, immer mitten in das Gesicht oder den Kopf.
Er ging dabei auch auf Zschäpes Rolle ein, so wie sie die Bundesanwaltschaft sieht: das Tarnen und Verhamlosen, das Ermöglichen der Taten, das Aufrechterhalten der Fassade. Einziges Ziel des "NSU" sei aber das Töten von Menschen gewesen, sagt der Bundesanwalt. Beate Zschäpe blickte dabei auf den vorlesenden Bundesanwalt, Ralf Wohlleben und Holger Gerlach hatten die Arme verschränkt, Carsten Sch*ltz* saß leicht weggedreht vom Geschehen auf seinem Platz und hörte zu.
Die Verteidigung bat anschließend wieder um das Wort und es wurden weitere Befangenheitsanträge, diesmal gegen die Ergänzungsrichter, gestellt. Zuvor hatte Richter Götzl einen Antrag der Anwälte im Namen von Ralf Wohlleben abgelehnt, da deren Meinung nach das Akkreditierungsverfahren für die Presse mangelhaft gewesen sei. Darauf folge Zschäpes Verteidigerin Anja Sturm mit einem Antrag auf Unterbrechung der Verhandlung, da für einen der Ergänzungsrichter eine ausreichende Dokumentation der Geschäftsverteilung fehle.
Dann machte der Vorsitzende Richter einen überraschenden Vorschlag: Es wäre denkbar, so sagte Götzl, dass der, dem "NSU" zur Last gelegte, Nagelbombenanschlag in der Kölner Keupstraße aus dem Jahre 2004 ein eigenständiges Verfahren werden könne. Seine Begründung: Hier sei es möglich, dass die Zahl der Nebenkläger noch weiter wachse.
Damit ging der zweite Verhandlungstag in München zu Ende
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