Freitag, 19. Juli 2013

"NSU" - Der Prozess # 27: Tag 25 vor dem OLG München - Wer setzte die Wohnung in der Zwickauer "Frühlingsstraße" in Brand?



(schwarz und szabo) - Es war am 4. November 2011 um 15 Uhr 06, als mehrere Explosionen ein Wohnhaus in der Zwickauer "Frühlingsstraße" erschütterten und eine Wohnung im ersten Obergeschoss in Flammen aufgeht.

Am 24. und 25. Prozesstag im OLG München sollte geklärt werden, wer damals den langjährigen, mit Sicherheitstechnik zur "Nazi-Festung" (wie es Nebenkläger-Anwalt Mehmet Daimagüler bezeichnete) ausgebauten "NSU"-Unterschlupf in Brand setzte. Im Grunde kommt hierfür nur eine Person in Frage: Beate Zschäpe. Die "starke Frau", wie es Holger Gerlach in einer seiner Aussagen ausgedrückt hat.

Und als die Zwickauer Wohnung in Flammen aufging, bedurfte es in der Tat einer starken Person, die wohl nach einem lange zuvor ausgeklügelten Plan vorgegangen ist, an verschiedenen Stellen der Wohnung Benzin verschüttete, einem Tresor öffnete und offen ließ, dafür sorgte, dass rund ein Dutzend Waffen verbrannte. Indes blieb in der verkohlten Wohnung doch noch das eine oder andere übrig, was Einblick in die Welt von Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe gibt. Und, ganz anders als sonst, setzte Zschäpe im Gerichtssaal ihre Brille auf und starrte, teilweise wie gebannt, auf die Fotos, die an die Wand projiziert wurden.


Wie schon am 15. und 16. Prozesstag wurde Kriminalhauptmeister Frank L. befragt und sagte ausführlich aus über die Untersuchungen zum Brand, die er in einer wahren Akribie durchgeführt hatte. Anhand von Skizzen und Tatortfotos hatte L. den Brand in der Wohnung in der Zwickauer "Frühlingsstraße" bereits an früheren Prozesstagen für alle Beteiligten analysiert, nun aber ging es um die Frage, wer die Wohnung in Brand gesetzt hatte. Und dazu hatte L. so einiges zu berichten

Als Beobachter merkte man: an ihm und seiner Sorgfalt hätten sich andere "NSU"-Ermittlungsbehörden durchaus ein Beispiel nehmen können, denn was zu rekonstruieren war, das hat Frank L. rekonstruiert. So ging es u. a. um die Menge an Benzin, die ausgegossen worden war und dazu führte, dass die Wohnung in die Luft flog und später das ganze Haus abgerissen werden musste. Dies obwohl derjenige, der die Wohnung angezündet hatte, sich offensichtlich nicht sicher sein konnte, dass sich nicht noch Handwerker oder eine betagte Nachbarin, die auf den Rollstuhl angewiesen war, im Haus befanden. Dafür schaffte der Brandstifter oder die Brandstifterin aber zwei Katzen sorgsam aus dem Haus, damit ihnen nichts zustoßen konnte.Auch einen Impfausweis für Katze "Lilly (männlich, kastriert)" fanden L. und seine MItarbeiter in den Trümmern - ausgestellt auf den Namen Mandy Struck, einem Decknamen, den Beate Zschäpe nutzte.

Durch den Brand sollte vermutlich alles in der Wohnung Verbliebene zerstört werden: Möbel, Bücher, Kleidung, Computer, Waffen, Dokumente. Keine Frage: Vom bis dato unbekannten "Nationalsozialistischen Untergrund" sollte nichts übrig bleiben. Allerdings hatte die Person, die den Brand legte, nicht mit zwei Faktoren gerechnet: Der Freiwilligen Feuerwehr Zwickau, die das Feuer innerhelb einer halben Stunde weitgehend unter Kontrolle bringen konnte, und Brandermittler L., der die Spuren sicherte und eine genaue Analyse des Feuers und seiner Spuren vornahm.

Am 24. und am 25. Prozesstag sagte er nochmals aus, wie sich der Brand durch das Haus fraß. Mehr als zweihundert neue Fotos des zerstörten Wohnung, aber auch der aufgefundenen, nicht verbrannten Asservate, zeigte er. Zum Beispiel das Foto eines Buches mit dem Titel "Die Rache der Zwerge" - durch das Feuer stark angeschmort. L. sprach über seinen Spurensuche ähnlich wie ein Gerichtsmediziner über das Sezieren einer Leiche. Er klärte das Gericht über "typische Waffelmuster" auf, die ein Feuer in die Wände brennt, erwähnte die "Beräumung des Brandschutts" und wenn er von "thermischer Beaufschlagung von Räumen" berichtete, meinte er die Feuerhitze und wie diese einen Gegenstand verändert.


Und dort, wo ein Nichtfachmann nur schwarze, klumpige Reste entdeckt, weiß L. von Möbeln zu berichten, Sitzecken, einem roten Sofa oder einem Bett. Die "Nazi"-Festung beschreibt er wie ein Naturforscher, der über eine neue Spezies berichtet und man glaubt ihm, dass ihn, nach dem Bekanntwerden, wer in der Wohnung gelebt hatte, geradezu der Ehrgeiz packte, alles über die Bewohner ans Tageslicht zu fördern. "Hier sehen Sie drei Fotos, die Beate Zschäpe zeigen; sie lagen in einer Schreibtischschublade", sagte er und fügt an, dass sie durch das Feuer "thermisch nur bedingt beaufschlagt" seien - sprich: leicht angekohlt.

An der "Schlafstelle 3" liegen in einem Regal angebrannte Schuhe und Bücher, daneben der Rest eines Drehstuhles und auf ihm liegt das gelbe Ausgussrohr eines Kanisters. "Mindestens 19 Stellen" haben die Brandmittelspürhunde ausgemacht, an denen "Ottokraftstoff" - sprich: Benzin - verschüttet worden war. Dann folgt Bild 563: "Die erste Waffe wird gefunden", vermeldete L. im Gerichtssaal nicht ohne einen gewissen Stolz in seiner Stimme.

Kurz danach sieht man einen Pappkarton in einem Bettkasten, aus dem Drähte herausragen, die an einer Batterie hängen. Eine Bombe? "Der Karton wurde geröntgt, danach stand fest: er ist leer", erklärte L. das Bild. Das Bett sei ein Doppelbett gewesen, in dem "man" eine Bombenattrappe deponiert habe.

"Bild 747" zeigt dann das "corpus delicti", mit dem das Feuer ausgelöst worden war: einen schwarzen Zehn-Liter-Kanister, der auf dem Boden im Eingangsbereich liegt. "Bild 739 zeigt die Reste der Druckwelle, die eine Außenwand des Sportraums gesprengt hat", sagt L. und fügt an, dass die Feuerwehr am Ende doch mehrere Stunden brauchte, um alle Brandnester komplett zu löschen.


Zu den Bildern im Schnelldurchgang gehören Aufnahmen eines Toasters, eines Lüfters, eines Spirituskochers und eines Teelichtehalters. "Es ging darum auszuschließen, dass der Brand nicht doch durch einen Kurzschluss oder eine Nachlässigkeit entstanden ist", sagt L. mit ernsthaftem Tonfall. Spätestens in diesem Moment erkennt Beate Zschäpe, dass der nette Beamte aus Köln, der im letzten Jahr mit ihr nach Gera gefahren war und so gerne mit ihr plauderte, tatsächlich nicht zu viel versprochen hatte, als er ihr gegenüber davon sprach, sie solle sich einmal die Fotos vom Brand in Zwickau ansehen.

Denn L. erklärte auch, was in dem Tresor gefunden worden war, den der Feuerteufel geöffnet hatte, bevor er den Brand legte: eine Waffe und Handschellen mit Nummerierung. Sie gehörten der in Heilbronn erschossenen Polizistin Michèle Kiesewetter. Wer also das Feuer gelegt hatte, wusste auch, wo der Schlüssel für den Tresor war und musste auch von der Waffe gewusst haben. Zschäpe soll in diesem Moment spontan zu ihrer Anwältin geschaut haben, schreiben Journalisten. Gefunden wurde im Brandschutt ein ganzes Waffenarsenal: insgesamt elf Waffen. Sichergestellt in einem Schrank wurden auch Bündel von Geldscheinen, fast unversehrt, nur die Ränder sind verkohlt.

Auf den Fotos 820 bis 912 haben L. und sein Team die beiden Kellerräume dokumentiert, obwohl es dort nicht gebrannt hatte. "Wir wurde darum gebeten und haben die Fotos gemacht", sagt er lapidar. Man sieht u. a. Mountainbikes, aber auch ein Kinderfahrrad, eine Werkbank, eine Kreissäge, einem ausrangierten Computer. Auf dessen Festplatte soll später das erste, noch unfertige, "NSU"-Video gefunden worden sein. Auf einem Metallregal sieht man eine erhebliche Menge von Milchkartons, fettarm. Darunter mehr als einhundert Flaschen Mineralwasser.


Auf fast einem Dutzend Fotos sieht man die übrig gebliebene Kleidung der Untergetauchten. Zschäpe schaut hier genau hin. Da liegen verkohlte Stiefel, saubere Jeans, gestreifte Shirts und Pullover, viel in ihrer Lieblingsfarbe Pink, aber auch die Jogginghose, an der später das Blut von Michèle Kiesewetter gefunden worden sein soll.

Dann folgt das Zimmer, in dem die Kratzbäume für Zschäpes Katzen "Lilly" und "Heidi" standen. Auch sie sind verkohlt, doch schließt sich hier der Kreis: Am Tag des Brandes beobachtete eine Nachbarin - die später noch im "NSU"-Prozess als Zeugin geladen ist - wie Zschäpe im roten Mantel und mit zwei Katzenkörbchen auf dem Arm die Frühlingsstraße entlanglief. Die Körbchen mit "Lilly" und "Heidi" legt sie vor einem Haus ab; kurz danach explodierte die Wohnung

------------------------------------------------------------------------------------------------------------


( Anklicken und man wird weitergeleitet!“

Keine Kommentare: