Donnerstag, 8. August 2013

"Wo kommen die fehlenden Äste in den Kastanien her - ?": Über Beschwerden und Beschwernisse rund um die "Kahlaische Straße"


(lsn / rainer sauer) - "Die Geschichte, die hier passiert ist, zwingt schon durch die Gelehrsamkeit, die in ihr liegt, Bewunderung ab, besonders jemandem wie mir, dessen Ahnung von Botanik an die Kastanien in Jena erinnert, indem sie wie diese größtenteils aus Lücken besteht." (Kurt Tucholsky)

Man stelle sich vor: was wäre wenn Kleingärtner untereinander Krieg führen würden, sich Vorwürfe machen, dass der andere seine Pflanzen nicht richtig pflegt, sich gegenseitig dabei fotografieren. Nun ist zwar kein Krieg, aber dafür Wahlkampf (was ja für manchen das Gleiche ist) und so beäugt man sich in der Lichtstadt auch außerhalb von Kleingartenanlagen gegenseitig misstrauisch.

Nun hatte der Kommunalservice Jena / KSJ von der Stadtverwaltung Jena unter anderem den Auftrag erhalten, für die Gewährleistung der Verkehrssicherheit an Bäumen in der "Kahlaischen Straße" Äste zu beschneiden. Die wackeren KSJ-Mitarbeiter erklommen ihre Spezialfahrzeuge und gingen an die Arbeit, denn der Austrieb der Kastanienstämmlinge gefährdete die in diesem Bereich befindlichen Freileitungen von Eisen- und Straßenbahn.

Doch konnten sie nicht lange ihrer Arbeit nachgehen, denn ebenso wackere Bürger drückten ihren Unmut darüber aus, was die Baumexperten da so machen würden. Fragen wurden laut: "Wer hat den entsprechenden Auftrag gegeben?", "Warum werden diese Sägearbeiten an den Bäumen durchgeführt?", "Gibt es Maßnahmen, um die Bäume vor Schädlingsbefall oder Fäulnis zu schützen?", "Wie viele Bäume sind betroffen?", "Sind weitere Maßnahmen geplant?", "Wie viele Bäume wurden in diesem Jahr bereits gefällt?", "Bei wie vielen Bäumen wurden Äste entfernt?" und so weiter und so weiter.

Indes konnten die Mitarbeiter der Stadt diese Fragen nicht hören, denn sie trugen Hörschutz wegen der lauten Motorsägen. Da wurden die Bürger erbost und zückten ihre Fotoapparate und fotografierten mutig drauf los. Merke: Wer sich nicht gleich für das, was er macht rechtfertigt, der macht sich verdächtig. Und dort, wo man auf Seiten der Stadtverwaltung ohnehin nur Unfähigkeit und anderes vermutet, können auch die größten Baumexperten im Grunde ja nur Baumfrevler und Nichtskönner sein.

Man hat vielleicht auch nicht gerade einen grünen Daumen und die bei sich zuhause (oder am Eichplatz?) eingepflanzten Blumen lassen auch schon wieder die Köpfe hängen, aber dafür hat man genug Sachverstand um sofort zu erkennen, dass das, was da in der "Kahlaischen Straße" veranstaltet wird, absoluter Mist ist. Dass der Fachdienst Umweltschutz der Stadtverwaltung es gut findet: egal.

Aber haltl! Hat da nicht ein KSJ-Mitarbeiter plötzlich auch so etwas Ähnliches wie einen Fotoapparat in der Hand? Und fotografiert der jetzt tatsächlich die wackeren Bürger? Wozu macht er das und was will er damit? - UNERHÖRT!!!

Die Folge sind: vier Privatbeleidigungsklagen, zwei umgestoßene Testamente, ein aufgelöster Soziusvertrag, drei gekündigte Hypotheken, drei Klagen um: bewegliche Vermögensobjekte / ein gemeinsames Theaterabonnement / einen Schaukelstuhl / ein elektrisch heizbares Bidet. Auf dem Schauplatz bleiben zurück: zwanzig kahle Bäume, zehn wütende Piraten und ein kleiner Junge, der die dicken Arme zum Himmel hebt und in den Kosmos anklagend, weithinhallend ruft: "Mama! Wo kommen die fehlenden Äste in den Kastanien her - ?"

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