(lsn / fsu) - Der Fernsehkonsum hängt am stärksten vom Vorhandensein individueller Freizeit ab. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Universität Jena, die das Mediennutzungsverhalten der Deutschen angesichts knapper Zeitressourcen untersucht hat. Sie erbringt zudem den Nachweis, dass die deutlich gestiegene Nutzung des Internets seit Mitte der neunziger Jahre bei den einzelnen Verbrauchern langfristig eindeutig zu Lasten der alten Medien geht, insbesondere gedruckter Zeitungen und Zeitschriften. Kurzfristig seien solche Substitutionseffekte jedoch nur sehr schwach ausgeprägt.
Die ausführliche Studie ist jetzt unter dem Titel „Mediennutzung als Zeitallokation. Zum Einfluss der verfügbaren Zeit auf die Medienauswahl“ erschienen. Darin haben die Kommunikationswissenschaftler Prof. Dr. Wolfgang Seufert und Dr. Claudia Wilhelm die Ergebnisse ihres durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft geförderten Projekts veröffentlicht. Sie stützen sich im Wesentlichen auf die regelmäßig im Fünfjahres-Turnus von ARD und ZDF erhobene Langzeitstudie zum Massenkonsum, aber auch auf die jährlich im Bereich der elektronischen Medien erhobene Media-Analyse.
Beide Erhebungen nehmen sowohl Tagesablauf und Zeitstruktur als auch die Mediennutzung derselben Personen in den Blick. Mit der Konsumtheorie haben Seufert und Wilhelm ein wirtschaftswissenschaftliches Instrument zur Beantwortung kommunikationswissenschaftlicher Fragestellungen herangezogen. Während sich die Kommunikationswissenschaft der Mediennutzung überwiegend aus psychologischer Sicht annähert, geht die Konsumtheorie vom Vorhandensein knapper Geldbudgets aus, die von den Konsumenten in Relation zum jeweils größtmöglichen Nutzen ausgegeben werden.
Wolfgang Seufert (Foto), von Hause aus Kommunikationswissenschaftler und Diplom-Volkswirt, hat die Konsumtheorie auf die Zeit übertragen, die ihrerseits als knappe Ressource begriffen wird. „Bedingt durch Faktoren wie Alter und Berufstätigkeit finden wir eine ungleiche Verteilung von freier Zeit. Auch verfügt eine einzelne Person im Verlauf einer Woche täglich über unterschiedliche Mengen an freier Zeit“, sagt der Inhaber der Professur für Ökonomie und Organisation der Medien. Die individuelle Zeitstruktur schlage sich auf die Mediennutzung nieder.
Die Forscher wollten zum einen klären, wie stark das Vorhandensein von Freizeit bei der Mediennutzung eine Rolle spielt. Während das Fernsehen am allerstärksten von der Menge an individueller Freizeit abhängt, sei dies bei anderen Medien nicht in dem Maße der Fall. So fungiere etwa das Radio als ein Begleitmedium für anderweitige Tätigkeiten wie Kochen oder Abwaschen. Zum anderen wollten die Jenaer Forscher herausarbeiten, ob die hohe Nutzung eines neuen Mediums langfristig mit der niedrigeren Nutzung der etablierten Medien einhergeht. Dies sei insbesondere bei der Verschiebung von Print zu Online der Fall – gerade bei der jüngeren Generation. „Allerdings“, räumt Seufert ein, „ist hier wohl auch ein Nachdenken über die Einteilung der Mediengattungen nötig“. Es stelle sich nämlich die Frage, ob das Internet tatsächlich immer ein „neues Medium“ sei oder nicht teilweise nur ein neuer Verbreitungsweg für Gattungen wie Zeitung, Fernsehen und Radio.
Ebenfalls gesucht wurde nach etwaigen kurzfristigen Ersatzeffekten. Würde beispielsweise ein normalerweise reger Online-Nutzer, der sich zeitweise in einer Region ohne Internetzugriff befände, dieses Fehlen nun durch verstärktes Zeitungslesen oder verstärkten Nachrichtenkonsum im Fernsehen kompensieren? „Hier haben wir zwischen allen Mediengattungen nur sehr schwache Substitutionseffekte erkennen können“.
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