Sonntag, 23. Februar 2014

Programmtipp: Radio Jena präsentiert heute ab 22 Uhr "Der kleine Unterschied oder Die Liebe höret nimmer auf" - Erich Kästner zum 115. Geburtstag


"RE - POP|SUNDAY*" - Die Ausgabe "Januar 2014"
...von und mit Lutz Mühlfriedel

"Der kleine Unterschied oder Die Liebe höret nimmer auf"

(Erich Kästner zum 115. Geburtstag)


"Der Moralist pflegt seiner Epoche keinen Spiegel, sondern einen Zerrspiegel vorzuhalten. Die Karikatur, ein legitimes Kunstmittel, ist das Äußerste, was er vermag. Wenn auch das nicht hilft, dann hilft überhaupt nichts mehr. Daß überhaupt nichts hilft, ist keine Seltenheit. Eine Seltenheit wäre es vielmehr, wenn das den Moralisten entmutigte. Sein angestammter Platz ist und bleibt der verlorene Posten. Ihn füllt er, so gut er kann, aus. Sein Wahlspruch heißt: Dennoch!"
(Erich Kästner)

"Den Roman Fabian hat man auf der Bauchbinde der ersten Auflage mit dem Segen Hermann Hesses versehen: 'Das Zeitgemäße konnte nicht zeitloser gesagt werden.' Gerade dies erwies sich mittlerweile als ein Irrtum. Das satirische Bild der verruchten Stadt Berlin um 1930 ('Im Osten residiert das Verbrechen, im Zentrum die Gaunerei, im Westen die Unzucht und in allen Himmelsrichtungen der Untergang') war damals eine große literarische Tat und liest sich heute, jedenfalls zum großen Teil, nur noch historisch. Was einst kühn und aggressiv war, wirkt jetzt fast betulich, das Obszöne ist harmlos, die Provokation verpufft. Dreigroschenoper etwa? Ja, aber ohne Weills Musik.

Geblieben ist der große Bogen der Parabel: Die Geschichte eines deutschen Intellektuellen, dem auf der Suche nach dem Glück kein Mephisto hilft und der sich ganz allein eine Walpurgisnacht inmitten der Großstadt bereiten will: in Kneipen und Bordellen, auf den Straßen und Rummelplätzen. So museal die satirische Zeitkritik in diesem Roman, so lebendig und sogar ergreifend, was ebenfalls zeitkritisch, doch mitnichten satirisch ist: Fabians Liebeserlebnis mit der jungen Juristin Cornelia Battenberg, eine der schönsten erotischen Geschichten, die sich in der deutschen Literatur jener Jahre finden läßt. Der ursprüngliche Titel des Buches - 'Der Gang vor die Hunde' - bezieht sich übrigens nicht nur auf Fabian, sondern auch auf seine Cornelia." (Marcel Reich-Ranicki)

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