Montag, 3. März 2014

Der 86. bis 90. Verhandlungstag im Münchner "NSU"-Prozess


Schwarz und Szabo fassen zusammen:

19.02.2014 = Der 86. Verhandlungstag

Ein Polizeibeamter, der 1998 an der Durchsuchung der Wohnung von Beate Zschäpe in der "Schomerusstraße" in Jena-Winzerla beteiligt war, schilderte am 86. Verhandlungstag mehrere Detailergebnisse der Durchsuchung, die die Hauptangeklagte Beate Zschäpe in Bedrängnis bringen köönnten, weshalb deren Verteidiger seine Aussage für nicht verwertbar hielten.

Nur Stunden, nachdem Polizisten am 26.01.1998 in einer Garage in Jena-Burgau Sprengstoff gefunden hatten, durchsuchten Beamte die Zschäpes Wohnung und was sie nach den Worten des Zeugen in der Wohnung fanden war erstaunlich. Unter den sichergestellten Gegenstänmden waren mehrere Waffen, eine Reichskriegsflagge und ein Brettspiel mit SS-Runen und Hakenkreuz mit dem Titel "Progromly".

So war die Wand im Wohnzimmer hinter dem Sofa mit einer seltsamen Kollektion drapiert und zwar, so der Beamte, mit einem CO2-Revolver, einem Luftgewehr mit Zielfernrohr, einem Wurfstern, einem Jagdmesser, einem Buschmesser, einem Morgenstern; daneben hing die Kriegsflagge aus dem Kaiserreich. Indes: Als die Polizei in Zschäpes Wohnung einrückte, war diese schon gemeinsam mit Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt untergetaucht und dei Polizei hatte diese Flucht nicht verhindern können. Allerdings holte si sich vor der Durchsuchung von der Staatsanwaltschaft Gera den Auftrag, Zschäpes Wohnung unter die Lupe zu nehmen - die begründung: Gefahr im Verzug.

Das wiederum bezweifelte Zschäpes Verteidiger Stahl an. Er argumentierte, die Wohnungsdurchsuchung sei nicht rechtmäßig gewesen, weil keine richterliche Genehmigung hierzu vorlag. Ein Anlass für "Gefahr im Verzug" sei im staatsanwaltlichen Auftrag nicht zu erkennen. Deshalb widersprachen ale drei Anwälte in vollem Umfang der Verwertung der Aussage des Polizisten für die Beweisaufnahme im "NSU-Prozess". Wichtigstes Argument war, dass die Polizei damals nicht untersucht habe, ob außer Zschäpe jemand anderes die Wohnung genutzt haben könnte, etwa Uwe Böhnhardt, mit dem Beate Zschäpe liiert war.

20.02.2014 = Der 87. Verhandlungstag

Anknüpfend an die ersten Tage der Flucht im Februar 1998 wurde an Tag 87 des "NSU"-Prozesses in München Max Florian Bu. vernommen,. der als einer der ersten Unterstützer der Terrorzelle gilt. Ob Bu. möglicherweise unbewusst half, in dem Sinne, dass er nichts von den Dreien wusste und ihnen nur eine Zeit lang Unterschlupf gewähren wollte, wurde an diesem Tag nicht bekannt. Da er im November 2011 beim Bundeskriminalamt voll umfaänglich in der Sache ausgesagt hatte, von der Bundesanwaltschaft aber trotzdem im Verfahren als Beschuldigter geführt wird, nahme der inzwischen 36-jährige Zeuge sein Zeugnisverweigerungsrecht in Anspruch.

Dies änderte jedoch nichts daran, dass der Vorsitzende Richter Martin Götzl unmittelbar nach der Enrtlassung des Zeugen aus dem Zeugenstand seine Angaben gegenüber dem BKA in den Prozess einführte und verlaß. Die wesentlichen Fakten: Bu. lernte Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe im Februar 1998 in Chemnitz kennen; seine damalige Freundin Mandy Struck habe ihn damals gebeten, in seiner Wohnung Personen übernachten zu lassen, "die was angestellt hatten". Max-Florian Bu. stimmte zu und die drei Jenaer zogen bei ihm in Chemnitz ein. Bu. selbst zog daraufhin aus und wohnte bei seiner Freundin, doch ging diese Beziehung bereits einen Monat später in die Brüche, weshalb er im März 1998 wieder in seine Wohnung zurückkehrte. Obwohl (oder weil?) er mitbekam, dass die drei eine Waffe bei sich führten, forderte er sie nicht auf, die Wohnung zu verlassen; erst etwa weitere vier Wochen später zogen Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe aus.

Obwohl Bu. daraufhin nach eigenen Angaben erleichtert gewesen sei, so sagte er es 2011 dem BKA, hätten die Drei ihn da schon fest "im Griff gehabt". Der Grund: Uwe Mundlos hatte die Identität von Bu. übernommen und sich mit dessen Reisepass als "Max" ausgegeben - ein Doppelspiel, dass er bis zu seinem Tode beibehielt: Mundlos nannte sich in der Illegalität "Max" und Böhnhardt "Gerry" (= mit den Papieren des in München Mitangeklagten Holger Gerlach).

Ein Zeuge des BKA sagte ebenfalls aus und berichtete, der Reisepass von Max-Florian Bu. in Chemnitz beanrtragt worden sei, allerdings mit einem Lichtbild von Uwe Mundlos. Als Grund für desen Deal hatte Bu. in seiner Vernehmung genannt, dass die Drei damals erklärt hätten, sie wollten ins Ausland flüchten. Mit dem Reisepass eröffnete Uwe Mundlos jedoch im Jahr 2000 bei der Commerzbank in Chemnitz ein Konto auf den Namen von Max-Florian Bu. und legte auch das Reisedokument vor, als er im gleichen Jahr in Zwickau eine Wohnung anmietete - offenbar als neues Versteck für ihn, Böhnhardt und Zschäpe.
 
25.02.2014 = Der 88. Verhandlungstag

Der 88. Tag im "NSU"-Prozess am Oberlandesgericht Münche stand im Fokus der Mordwaffe "Ceska 83". Hierzu angeklagt ist der Jenaer Ralf Wohlleben, Ex-Vizechef der Thüringer NPD und der wurde nun von einem Beamten des LKA Thüringen belastet. Dieser bestätigte, dass Wohlleben von einem ehemaligen Mitarbeiter des rechten Szeneladens "Madley" belastet worden sei. Dieser Zeuge habe dem Beamten gegenüber erklärt, Wohlleben habe ihn im Frühjahr 2000 nach einer scharfen Waffe gefragt. Wörtlich habe der Zeuge zum Beamten des Landeskriminalamts Thüringen gesagt: "Ja, ich hab’ dem die Scheiß-Knarre besorgt“.

Bei der Waffe handelte es um einie Pistole Ceska 83, mutmaßlich die Waffe, mit der die "NSU"-Mörder Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt neun Migranten türkischer und griechischer Herkunft erschossen. Der betreffende frühere Mitarbeiter aus dem "Madley" selbst lehnte er es Ende Januar 2014 im Prozess jedoch ab, sich zur Sache zu äußern, wohl um sich nicht der Gefahr aussetzen, sich selbst zu belasten. Der 6. Strafsenat lud daraufhin den LKA-Polizisten als Zeugen.

26.02.2014 = Der 89. Verhandlungstag

An diesem Verhandlungstag musste eine Frau zum ersten Mal in den Zeugenstand, deren Identität Beate Zschäpe über Jahre hinweg für ihre Zwecke genutzt hatte und mit deren Decknamen die Hauptangeklagte einst in den Tagen nach dem 04.11.2011 in die bundesweite Fahndung ging: Mandy Struck. Die 38-jährige Friseurin zählt zu den wenigen Zeugen im Prozess, die trotz ihrer rechtsextremen Biografie vor dem Strafsenat relativ offen redet und Auskunft gibt. So gab sie zu, Beate Zschäpe die Haare blond gefärbt und einen Ausweis überlassen zu haben, sie gesteht, Max-Florian Bu. gebeten zu haben, das Trio in dessen Wohnung aufzunehmen, jedoch will sie von den Mordtaten des "NSU" nichts gewusst haben. Auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters erklärte die Zeugin, dass sie nicht auf eigenen Antrieb hin Bu. gebeten habe, Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe Unterschlupf zu geben; vielmehr habe sie "ein Kamerad" darum gebeten.

Bereitwillig berichtete die Zeugin zudem aus dem Alltag der rechten Szene in den späten 1990er Jahren. So habe ihr einer ihrer damaligen Liebhaber - "ja, er war Mitglied der NPD" - eine Bombenbauanleitung aus dem Internet mitgegeben, sagte Struck, denn die könnte sie doch "immer mal brauchen". Ein anderer ihrer Freunde sei in der "satanistischen Schiene" gewesen, berichtete sie, fügte aber an "davor hatte ich Angst“, denn der Mann habe "so eine dunkle Seite" gehabt, "so mit Altar aufbauen". Richter Manfred Götzl und Angeklagte wie Nebenkläger hörten der Zeugin aufmerksam zu, unterbrachen sie kaum im Redefluss.

Zuvor sagt als Sachverständiger des Wiesbadener Bundeskriminalamts ein Gutachter aus und stellte die kriminaltechnische Untersuchung zum Mord an Michèle Kiesewetter vor. Die 22-Jährige Polizistin wurde am 25.04.2007 in Heilbronn vom "NSU" erschossen.
 
27.02.2014 = Der 90. Verhandlungstag

Am 90. Verhandlungstag wurde die Vernehmung von Mandy Struck weitergeführt. Dabei gab die Friseurin zu, dass sie es gewesen sei, um ein mit falschen Angaben beantragtes Ausweisdokument für Uwe Böhnhardt abzuholen. Die Behörde war zuvor mit einem Foto von Böhnhardt und der Geburtsurkunde eines anderen Neonazis getäuscht worden; hierfür übernahm Struck allerdings keinerlei Verantwortung.

Von den manipulierten Dokumenten, die Beate Zschäpe in der Illegalität unter dem Namen "Mandy Struck" genutzt hatte, will die Zeugin, so sagt sie es vor Richter Götzl aus, erst nach dem Ende des "NSU" erfahren haben. Der Strafsenat zeigte ihr zuvor die Tierhalter-Ausweise für die beiden Katzen Zschäpes sowie die Mitgliedsauweisen von zwei Tennis-Clubs aus den Regionen Nürnberg und Hannover. Davon habe sie "echt nichts gewusst", sagte Mandy Struck und beteuerte danach nochmals: "Ich weiß von keinen Morden, keinen Raubüberfällen". Ihr aussageverhalten hängt wahrscheinlich aber damit zusammen, dass bei ihr wohl keine rechtsrelevante Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vorliegt, denn die Struck zur Last gelegten Taten von 1998, 1999 und 2000 sind verjährt und später wurde die Friseurin wohl von Zschäpe instrumentalisiert, ohne davon etwas zu ahnen.

Ob bewusst oder unbewusst: Die Zeugin inszenierte sich als eine Art harmloses Skinhead-Mädchen, die in der männerdominierten Szene unterwes war. In Chemnitz ebenso wie in Nürnberg. Und ihre Geschichten aus dem dunkelbraunen Milieu stärken zwar den Verdacht, in Nürnberg könnten dort ansässige Rechtsextremisten den "NSU" unterstützt haben (in dieser Stadt haben Mundlos und Böhnhardt drei Türken erschossen und einen gescheiterten Sprengstoffanschlag auf ein von einem Türken betriebenes Lokal verübt), aber Mandy Struck will hiervon nichts gewusst haben. Außerdem betonte sie vor Gericht, dass sie "seit vielen Jahren" keinerlei Bezug mehr zur rechten Szene hat.

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