Donnerstag, 27. März 2014

"Die Bürger ernst und sie mitnehmen!": Thomas Hölkes Kolumne zum Abschied seiner ereignisreichen Zeit in der "Lichtstadt.News"-Redaktion


(lsn / thomas hölke) - Von 2012 bis 2014 war Thomas Hölke ein wichtiger Bestandteil unserer Redaktion. Jetzt verlässt er zum 31.03.2014 die "Lichtstadt.News" um sich in seiner norddeutschen Heimat voll und ganz seinem Beruf zu widmen. Zum Abschied schrieb er uns folgende Kolumne:

"Als Rechtsanwalt für Medien- und Baurecht ist es nicht leicht (und vielleicht auch nicht empfehlenswert) in der kleinen Redaktion eines bescheidenen Projektes wie den Jenaer 'Lichtstadt.News' mitzuarbeiten und hier die eine oder andere Sache zu thematisieren und mit Fachwissen zu untersetzen.

Aber: Erstens hatte mich Rainer Sauer darum gebeten - weshalb ich seinem Wunsch auch sehr gerne nachkam - und zweitens nennt sich heutzutage so mancher Mensch 'Journalist', der noch nicht einmal über die Grundkenntnisse des Presse- und Medienrechts verfügt, geschweige denn Journalistik studiert hätte oder wenigstens einmal in einem Volontariat sein Handwerk erlernt hat. Damit einher geht viel zu oft eine Selbstrüberschätzung der eigenen Fähigkeiten, die nur noch durch die schlechte (oder gar nicht stattfindende) Recherche von Artikelthemen übertroffen wird. Hier konnte ich einiges zurecht rücken.

Was ich aus Jena mitnehmen werde ist eine Erkenntnis: Bürgerproteste sind oft berechtigt, stets legitim und der richtige Umgang mit ihnen will gelernt sein. Handwerkliche Fehler passieren der Verwaltung nicht nur bei Bebauungsplänen sondern auch im Umgang mit den Bürgern. Aber auch die 'Protestler' machen nicht alles richtig. Weshalb hatte die Initiative UNSER EICHPLATZ über Jahre nur einen geringen Zulauf? Weshalb gelang es der Moratoriumsinitiatve innerhalb nur weniger Wochen 12.000 Unterschriften (= Menschen) zu sammen und zu versammeln? - Die Antwort ist einfach: NEHMT DIE BÜRGER ERNST UND NEHMT SIE MIT!

Plattformen wie JENAPOLIS oder die für Jena geplante Bürgerreporter-Seite JEZT sind wichtig und müssen genutzt werden; aber auch hier ist die Voraussetzung, dass man kein Schindluder mit den Nutzern betreibt, sie bevormundet oder gar einzelne Meinungen (aus)löscht.

Und was spricht denn dagegen, dass die Stadt Jena selbst ein eigenes Blog betreibt, in dem sich Bürger über stadtinterne Probleme mit städtischen Mitarbeitern austauschen könnten? FACEBOOK ist hier - aus meiner Sicht - nicht der richtige Weg, auch und gerade wegen des grenzwertigen Umgangs mit Persönlichkleits- und Bildrechten dort.

Miteinander reden, die Bürger beteiligen oder (wie es die FDP in Jena nennt) 'BÜRGER. MACHEN. POLITIK.' ist das Gebot der Stunde und der Zukunft. Weshalb haben sowohl die Bürger für Jena als auch die Piraten als auch die Liberalen in Jena nun Menschen der Bürgerprotestbewegung auf vorderen Listenplätzen der Kommunalwahl? Wer sagt: 'Aus Taktik', der hat bereits verloren.

Professor Franz Walter hat recht, wenn er erkannt hat und schreibt: 'Das Muster, dem Proteste folgen, ist ein Dreischritt. Zuerst ist es Hintergrundrauschen. Eine kleine Schar von Aktivisten mokiert sich über ein politisches Verfahren, protestiert nahezu ungehört und unbeachtet von Politikern und Medien. Dann folgt ab einem gewissen Zeitpunkt die Polarisierung, und zwar weil der Protest nun wahrgenommen wird und die eine Seite ihn als grundlos und abwegig bezeichnet, die andere Seite aber genau deshalb Zulauf von Menschen bekommt, die der Sache bisher neutral gegenüber standen, sie nun aber für sinnvoll erachten. Dann kommt es zum großen Eklat, der die Fronten verhärtet: Jede Seite fühlt sich im Recht und von der anderen gegängelt. Politiker, die die Breitenwirkung der Sache zunächst völlig unterschätzt haben, reagieren mit aller Macht und den zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln, was wiederum die Gegenseite radikalisiert.'

Besser kann man die Entwicklung der letzten Monate zum Jenaer Eichplatz nicht erklären. Für mich steht deshalb das Ergebnis der Bürgerumfrage schon jetzt fest und dies wird dem Oberbürgermeister mit Sicherheit nicht gefallen. Doch was wäre der Ausweg gewesen? - Ganz klar: 'NEHMT DIE BÜRGER ERNST UND NEHMT SIE MIT!'

Ihr Thomas Hölke"

Keine Kommentare: