Donnerstag, 9. September 2010

Jena-West: Stichwahl am Sonntag vom Schatten der Staatssicherheit belastet

Egal, was noch an weiteren Details der Stasi-Verstrickung des Ortsteilbürgermeisterkandidaten für Jena-West, Frank Kramer, ans Licht der heutigen Zeit gezerrt wird: am Sonntag stellt er sich zur Stichwahl gegen Jörg Seiler, den Kandidaten von Bündnis 90/GRÜNE.

Auslöser der schwierigen Vergangenheitsbewältigung des Kandidaten waren Vorwürfe einer Zusammenarbeit mit dem MfS zu DDR-Zeiten, auf die Kramer mit einer Art Ehrenerklärung für sich selbst reagierte.

Diese rief nun, einem Zeitungsbericht zufolge, wiederum die Geschichtswerkstatt Jena e.V. auf den Plan, die sich veranlasst sah, bei der Behörde der Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen, Außenstelle Gera, nachzufragen. Der Verein hatte sich in der Vergangenheit intensiv u.a. mit dem Thema MfS in der Volksbildung befasst und dazu auch publiziert.

In der bei der BStU archivierten Akte von Frank Kramer fanden sich, so die Zeitung heute, Belege für eine wesentlich intensivere Zusammenarbeit mit dem MfS, als von diesem bisher bestätigt. So sei der GMS des MfS (Anm.: GMS = Gesellschaftliche Mitarbeiter) Kramer alias "Klaus Roßbach" am 10.10.1986 angeworben worden, das zweite Kontaktgespräch hätte am 23.10.1986 stattgefunden und schon beim dritten Treffen im November 1986 habe Kramer persönlich eine "Berufung" zur Zusammenarbeit mit dem MfS unterzeichnet, welche die (Zitat der Zeitung) "Entlarvung von Feinden unserer sozialistischen Entwicklung" beinhaltet habe. Den Decknahmen "Klaus Roßbach" wählte Kramer, den Angaben der Geschichtswerkstatt Jena zufolge, selbst.

Entgegen Einlassungen Kramers in der OTZ kam es laut Aufzeichungen seines Führungsoffiziers Leutnant Wolfgang Müller vom Referat "Politischer Untergrund" bis Mai 1989, als die in Gera noch vorhandene Akte unbeendet abbricht, zu insgesamt mehr als einem Dutzend Treffen zwischen dem GMS "Klaus Roßbach" und Leutnant Müller. Dabei seien Aufträge an den GMS ergangen, Informationen zu liefern, über Lehrer, aber auch Schüler der Grete-Unrein-Schule, in der Frank Kramer seit Beginn der 80er Jahre, so die Zeitung, zunächst als Pionierleiter, dann als Sportlehrer arbeitete.

Die Zeitung listet auch Details der geforderten Informationen auf, angefangen von Einschätzungen über Lehrkräfte, die Antragsteller auf ständige Ausreise aus der DDR waren, bis hin zum Verhalten von Lehrern im Vorfeld der Kommunalwahl 1989. Kramer hatte bislang öffentlich erklärt (Zitat) "zu keiner Zeit Informationen jeglicher Art über Personen oder Vorgänge an das MfS weitergegeben oder Berichte geschrieben zu haben.".

Wenn der Zeitungsbericht und die Recherchen der Geschichtswerkstatt stimmen sollten, dann kann dies zumindest durch einen Bericht, der bei einem Treffen zwischen
"Klaus Roßbach" und Leutnant Müller im April 1989 übergeben wurde, widerlegt werden, in dem es bezüglich der (Zitat) "Lage an der POS Grete Unrein in Vorbereitung der Kommunalwahl bzw. 1. und 8. Mai" die Information gab, dass es (Zitat) "im Pädagogenkollektiv keinen Hinweis auf Nichtwähler bzw. Missbrauch der Kommunalwahlen zur Durchsetzung negativer Zielstellungen" gebe. In einer Beurteilung Müllers vom Sommer 1989 heißt es, dass der GMS "Reserve-Kader" bleibe. - "Ich denke, die Unterlagen sprechen für sich", sagt Manfred Wagner hierzu, der als Vorstand der Geschichtswerkstatt die GMS-Akte einsehen konnte.

Frank Kramer, von der Zeitung am gestrigen Tag über die neuen Fakten informiert, blieb bei seiner Darstellung. An solch viele Treffen mit dem Führungsoffizier könne er sich nicht erinnern. Der amtierende Schulleiter der Grete-Unrein-Schule, Rüdiger Schütz, der bei dem gestrigen Treffen mit anwesend war, zeigte sich zunächst sichtlich geschockt und erklärte, es habe seit 1990 keine Hinweise aus dem Kollegenkreis darauf gegeben, dass Informationen über sie durch Kramer an das MfS gelangt seien. Als langjähriger Kollege könne er, Schütz, nur davon ausgehen, dass dieser sicher nicht der krasse Spitzeltyp gewesen sei. Für die Schule und den Verein Westsportplatz habe er viel getan, so die Zeitung in ihrer heutigen Ausgabe.

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