Mittwoch, 8. Januar 2014

"Wegfahrsperrenknacker gegen Revolver getauscht": Der STERN berichtet, dass ein polnischer Zeuge den im "NSU"-Prozess angeklagten Ralf Wohlleben belasten soll


(lsn / stern) - Krysztof Szymański* ist Pole, sitzt derzeit im Gefängnis und ist entweder ein Aufschneider oder könnte, wenn es die Wahrheit ist, die er der Bundesanwaltschaft mitgeteilt hat, zu einem wichtigen Zeugen werden, im weiteren Velauf des Münchner Prozesses gegen Ralf Wohlleben - so berichtet es jedenfalls das Nachrichtenmagazin STERN in seiner Online-Ausgabe von heute.

Zwischen November 2003 und Februar 2004 hätten er und sein Kumpel Wohlleben getroffen, sagt Szymański. Damals hätten beide Banküberfälle geplant und Waffen gebraucht. So habe man ihnen Wohlleben empfohlen, der so etwas besorgen könne, berichtete der Pole - nach Angaben des STERN - bereits im letzten Jahr. Ralf Wohlleben wiederum habe ein Gerät gesucht zum Überwinden von Wegfahrsperren für VW-Busse des Typs LT. Inzwischen hatte das Schicksal aber einen anderen Weg genommen und der Zeuge sitzt für insgesamt zwölf Jahre und sechs Monate hinter Gittern. Verurteilt wurde er, so das Nachrichtenmagazin, in Göttingen, doch weil in Polen noch eine andere Strafe gegen ihn offen gewesen sei, wurde Krysztof Szymański Anfang 2011 dorthin überstellt.

Dessen deutscher Anwalt habe bereits im November 2012 den "NSU"-Anklägern den Hinweis gegeben, dass sein Mandant Ralf Wohlleben wiedererkannt habe als den Waffenlieferanten von 2003 oder 2004. Die Ermittler wollten nun erwirken, dass der in Polen inhaftierte Zeuge zu einer Gegenüberstellung mit Ralf Wohlleben nach Deutschland kommen kann. Sie sollen sich, so der Bericht des Hamburger Nachrichtenmagazins, hiervon erhoffen, weitere Ansätze gegen den Angeklagten, der als "Waffenlogistiker des NSU" gilt und dem Terror-Trio im Jahr 2000 die Tatwaffe Ceska 83 organisiert haben soll, zu finden. 2003/2004 war Wohlleben stellvertretender Landesvorsitzender und Pressesprecher der NPD Thüringen sowie Vorsitzender des Kreisverbandes der NPD Jena.

Zumindest sei die Aussage des polischen Zeugen so glaubhaft, dass man die dortigen Behörden angeschrieben habe, um Krysztof Szymański nach Deutschland zu beordern, schreibt der STERN, dem nach eigenen Angaben ein entsprechendes Schreiben vorliegt. Besonders brisant sei die Tatsache, dass VW LT genau die Art von Mietwagen-Transportern gewesen sei, die Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos mehrfach für ihre Verbrechen ausliehen, wenn sie keine Wohnmobile nutzten - mindestens zehn Mal, wie der STERN schreibt. Ralf Wohlleben könnte Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe also viel länger als bisher bekannt im Untergrund unterstützt haben, so die Annahme der Generalbundesanwaltschaft.

Zum Zeitpunkt des Deals zwischen Szymański und Wohlleben (Wegfahrsperrenknacker gegen einen Revolver der spanischen Marke Astra) hatte der "NSU" schon vier Menschen ermordet, allerdings offenbar noch keine Wohnmobile für die Taten genutzt. Dass der Zeuge sich mit seinen Aussagen gegen Ralf Wohlleben auch selbst belastet, spräche für die Glaubwürdigkeit seiner Angaben, heißt es in dem Bericht. Laut Generalbundesanwalt  bestehe die Möglichkeit, dass das von Szymański behauptete Geschäft "mit dem gesondert Verfolgten Ralf Wohlleben im Zusammenhang mit beabsichtigten Aktivitäten der terroristischen Vereinigung 'NSU'stand", habe die Bundesanwaltschaft nach Polen geschrieben. Ob der Pole nach Deutschland überstellt wird, steht aber noch nicht fest, wie der STERN mitteilte.

* = Name geändert

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