Mittwoch, 3. Juli 2013

"NSU" - Der Prozess # 20: Der 18. Prozesstag (Teil 2) - Wie "zufällig" waren die Gespräche von BKA-Beamten mit Beate Zschäpe?



(tim schwarz) - Am Mittwoch, der 03.07.2013 bzw. Tag 18 im "NSU"-Prozess vor dem Münchner OLG gab es Aussagen mehrerer, mit der Person Beate Zschäpe befasster, Kriminalbeamter.

Der erste Zeuge des Tages ist Kriminalhauptkommissar B., der die Hauptangeklagte bei deren Besuch ihrer Familie begleitete. (Siehe hierzu Teil 1 des 18. Prozesstages!)

Wie am Tag zuvor bei einem anderen Zeugen, möchte Richter Götzl auch von B. wissen, ob Zschäpe während der Gespräche Dinge gesagt habe, die nicht protokolliert worden wären. B. antwortete ihm, dass ihm eigentlich nur die Sache mit "dem Moped" einfallen würde. Während der Fahrt. habe Zschäpe erzählt, wie man "ein Moped", eine Art Tauchsieder, baut: Die Zinken zweier Gabeln hält man in eine Steckdose, die beiden anderen Ende in ein Wasserglas. "Das wird ganz schnell heiß, bis dann die Sicherung rausfliegt", habe Zschäpe berichtet, sagte B. zu Götzl.

B. berichtete anschließend weiter über die damalige Unzufriedenheit Zschäpes mit ihren Verteidigern. Wegen der vielen Asservate aus dem Brandhaus, seien viele Beweise zu erwarten, habe er ihr gesagt und angefügt, dass es da auch Anwälte gebe, die ihrer Mandantin in so einer Situation raten würden, zu sprechen. Sie würde ihre ja "jetzt nicht mehr los", habe sie ihm geantwortet, und wolle daher einen dritten bestellen. Weiter, so B., habe die Angeklagte erzählt, dass RA Heer sie ermuntert hätte, ein Interview von Zschäpes Mutter mit dem Journalisten John Goetz von "Panorama" zuzustimmen. Warum sie dem zustimmen sollte, habe sie Heer gefragt und dieser habe ihr geantwortet, "das wäre von Vorteil" für sie. Über ihren anderen Verteidiger, Wolfgang Stahl, habe Zschäpe wenig erzählt, im Grunde nur, dass dieser "immer einer Meinung mit Heer" wäre, erinnerte sich der Beamte.

Sicherheitshalber fragte Richter Götzl nach, ob die beiden Beamten der Angeklagten völlig klar gemacht hatten, dass der Inhalt des Gesprächs in einem Vermerk landen würde. Ja, antwortete B. ihm, aber Zschäpe hätte geantwortet, dass das ja nichts mit der Anklage zu tun hätte. Nein, sagte B. zum Richter, sie hätten sich keinerlei Notizen gemacht, es habe kein Aufnahmegerät gegeben, keinen Laptop, "nur Frau Zschäpes Zigaretten lagen auf dem Tischchen zwischen ihr und uns." Und dann fügt er fröhlich an: "Sie raucht halt gerne und wird hatten kein Problem damit." - So machte man sich ganz offensichtlich gegenseitig sympathisch und der nicht protokollierte Vermerk bekam am Ende einen Umfang von etwa zwölf Seiten.

Weiter habe sich Beate Zschäpe darüber beklagt, dass alle um sie herum wollten etwas von ihr haben wollten. Entweder Geld, Informationen, Interviews oder Ermittlungsansätze. Sie frage sich deshalb mittlerweile, ob sie "an Paranoia" leide, habe Zschäpe geäußert. Deshalb hätte er, sagte B., während einer Fahrtpause das Buch "Die Zelle" des von Zschäpe angesprochenen Journalisten John Goetz gekauft, das die Geschichte des "NSU" beleuchte, und ihr gegeben. Darin habe Zschäpe etwa 30 Minuten lang gelesen, augenscheinlich im Kapitel ihrer Flucht, sagte B. zum Vorsitzenden Richter.

Die Riege der Nebenklage-Anwälte hatte wenig Fragen, so dass noch vor der Mittagspause die Zschäpe-Verteidigung Gelegenheit hatte, B. Fragen zu stellen. Es begann Wolfgang Stahl mit der Frage, wer entschieden habe, dass B. auf die Reise geschickt wird. Außerem zitiert er aus einen Schreiben seines Kollegens Heer an die Bundesanwaltschaft, in dem dieser ausdrücklich darum gebeten hatte, seine Mandantin auf dem Transport "weder zu vernehmen noch informatorisch zu befragen".

An das Schreiben kann B. sich erinnern, allerdings wisse er nicht, wer ihn für die Fahrt eingeteilt habe, sagte er. Allerdings würde er über viel Hintergrundwissen in der Angelegenheit verfügen und möglicherweise hätte man ihn deshalb ausgewählt. Trotzdem hätten weder er noch seine Kollegin Vernehmungsversuche unternommen, nur allgemeine Gespräche geführt und "Frau Zschäpe war froh, mal eine andere Meinung zu hören und war mit ihren Anwälten sehr unzufrieden", antwortete B. dem Anwalt. Dann sei wohl auch "die Fehmarn-Bemerkung" von B. im VW-Bus "rein zufällig" gefallen, fragte Stahl nach, was der Beamte bejahte.

Anschließend ereiferte sich Stahl, dass er davon ausgehe, dass die beiden Beamten das Vertrauensverhältnis zwischen seiner Mandantin und ihren Verteidigern gezielt hätten untergraben wollten. "Das Vertrauensverhältnis zu den Anwälten hat zu diesem Zeitpunkt wohl nicht bestanden, das hat Frau Zschäpe klar zum Ausdruck gebracht", kommentierte der Kripo-Beamte die Ansage Stahls. Spätestens dieser Satz machte am 18. Prozesstag deutlich, dass es sich bei B. um keinen Durchschnittsbeamten gehandelt haben kann, sondern möglicherweise um einen der erfahrensten Kripologen des BKA, um jemanden, der genau wusste, wie und wann und an welchem Ort er bei Zschäpe welches Thema ansprechen musste. Und die Angeklagte hatte wohl - ohne es zu bemerken - zu vielen Dingen Auskunft gegeben, zu denen ihre Anwälte ihr wahrscheinlich zu reden abgeratren hätten. Auch Stahl erkannte das und übergab die Fragerunde dann an die Änwältin Zschäpes.

RAin Sturm wollte zuerst wissen, wann B. das letzte Man auf Fehmarn war. Dieser antwortete ihr, dass dies vor mehr als zehn Jahren gewesen sei. Sturm: "Da verwundert es mich schon, wie sie zufällig im Rahmen eines Gesprächs auf die Insel Fehmarn zu sprechen kamen?" B. blieb gelassen und antwortete, er habe gewusst, dass es entsprechende Ermittlungsergebnisse gab "und daher habe ich mal das Stichwort Fehmarn fallen gelassen", sagte er. Anja Sturm wollte anschließend von dem Beamten wissen, weshalb dieser das Buch "Die Zelle" gekauft und Zschäpe zu lesen gegeben habe und B. antwortete ihr, dass sich das "so ergeben" habe.

Abschließend wollte Sturm von B. noch einmal wissen, ob es Anweisungen gab, Zschäpe informatorisch zu befragen, was der Beamte jedoch bestritt. Überwiegend seien die Themen von Zschäpe selbst gekommen, sagte er. Nachdem die Anwälte von Beate Zschäpe mit ihren Fragen geendet hatten, befragte Richter Götzl B. noch einmal, wie Zschäpe das Familienverhältnis nach der Festnahme gesehen hätte. B. antwortete ihm, dass die Angeklagte geäußert hätte, sie wisse es zu schätzen, dass ihre Familie nach wie vor zu ihr stehe. Anschließend legte Götzl die Mittagspause ein.

Nach der Mittagspause kam dann der Antrag, der von Seiten Zschäpes Anwälten zu erwarten war: Ein Verwertungsverbot der Aussage von B., denn dieser habe im Juni 2012 eine unzulässige Vernehmung der Angeklagten durchgeführt, sagte Anwaltin Sturm. Er sie mit großer Wahrscheinlichkeit gezielt für eine Befragung ausgewählt worden, denn immer, wenn ein Thema erschöpft gewesen wäre, habe er von sich aus einen neuen Komplex angeschnitten. "Es ging eindeutig darum, Frau Zschäpe zu vernehmen", so Sturm zum Vorsitzenden Richter. Auch die Erwähnung der RAF-Terroristen habe nur dem Zweck gedient, sie zu einer Aussage zu bewegen. Hierzu erwiderte die Bundesanwaltschaft, dass es auf dieserFahrt keine unerlaubte Vernehmung gegeben habe.


Passend zum Thema wurde dann die Vernehmung des Zeugen L. vom 17. Verhandlungstag fortgesetzt. Der BKA-Beamte begleitete Zschäpe bei der Überführung von der JVA Köln nach Karlsruhe, wo ihr der erweiterte Haftbefehl eröffnet wurde. Er war es auch, der Zschäpe die gewünschte Brille persönlich überbracht hatte, obwohl man diese auch per Post hätte schicken können, wie RA Heer betonte. Ob er, L., Beate Zschäpe neben der Brille nocht "etwas mitgebracht" hätte, fragte Heer ihn, vielleicht eine Nachricht. Ja, sagte L., er habe Zschäpe von ihren Katzen berichtet, die im Tierheim gelandet waren. "Wollten sie weitere Informationen einholen?", fragte Heer ihn. "Nein", sagte der Beamte, "es ging um die Brille, die Katzen und dem Verbleib von Gegenständen im Keller des abgebrannten Hauses". - Gelächter im Saal, als L. anfügte: "Mein Interesse an Gesprächen mit Frau Zschäpe war ja weiterhin vorhanden". Danach wurde der Zeuge entlassen.

Daraufhin widersprach die Zschäpe-Verteidigung auch dieser Vernehmung, "weil hier ebenso gegen grundlegende strafprozessuale Vorschriften verstoßen wurde", wie man es begründete. Doch die Bundesanwaltschaft widersprach: Es gäbe kein generelles Kontaktaufnahmeverbot, zudem sei die Beschuldigte stets korrekt belehrt worden und habe freiwillig gesprochen, sagte Staatsanwältin Annett Greger und widersprach zugleich dem gestrigen Antrag, das Notizbuch des Zeugen P. zu beschlagnahmen, der als Polizist einer der ersten war, der mit Zschäpe nach ihrer Festnahme gesprochen hatte. Dies sei überflüssig, weil der Zeuge "zeitnah" einen Vermerk über den Gesprächsverlauf angefertigt habe, sagte sie.

Ohne über die Anträge zu entscheiden beendete der Vorsitzende Richter Martin Götzl danach den 18. Sitzungstag.
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