Montag, 9. Dezember 2013

"Der 'NSU'-Prozess - 63. bis 65. Tag": Ein Verfassungschützer war kurz vor einem "NSU"-Mord am Tatort - Ein erneuter Befangenheitsantrag steht im Raum


(schwarz und szabo) -
Im Müncher Neonazi-Prozess gab es in dieser Woche weitere wichtige Zeugenaussagen zu den Morden des "NSU". Unter anderem sagte ein Verfassungschützer aus, der kurz vor dem neunten "NSU"-Mord am Tatort in Kassel war.

Der 63. Verhandlungstag am 03.12.2013:

Im Prozess ging es zum zweiten Mal um den früheren Mitarbeiter des Hessischen Verfassungsschutzes, Andreas T., der am 06.04.2006 beim Mord an Halit Yozgat in dessen Internetcafé in Kassel anwesend war. Er sagte vor Gericht erneut aus, er habe an diesem Tag mit verschiedenen Frauen gechattet, berief aich aber auch auf große Erinnerungslücken und will, wie er zu Richter Manfred Götz sagte, vom "NSU"-Mord nichts mitbekommen haben.

Streit gab es zeitweise um die Akten zu dem ehemaligen V-Mann, da einige Anwälte der Nebenklage dem Oberlandesgericht München mangelnden Aufklärungswillen vorwrfen, weil der Senat es bislang abgelehnt hatte, sämtliche Dokumente über T. in den Prozess aufzunehmen.

Dass das Gericht nur einen Teil der Akten bezüglich T. beigezogen habe, mache deutlich, "dass auch dieses Gericht eine vollständige Aufklärung der Tat nicht wünscht", wie es Opferanwalt Alexander Kienzle ausdrückte. Der Vorsitzende Richter Götzl argumentierte dagegen, dass die Akten nach Überzeugung des Gerichts nichts zur Klärung der Anklagevorwürfe beitragen könnten.

Neben zahlreichen Nebenklageanwälten hatten sich dem Antrag auch die Verteidiger von Beate Zschäpe und Ralf Wohlleben angeschlossen. Kienzle machte deutlich, dass der Senat aus seiner Sicht durch sein verhalten nicht nur eine Revision wegen mangelnder Aufklärung riskiere, sondern auch eine (Zitat) "Legendenbildung in der rechtsextremistischen Szene". Deshalb sei es notwendig, die Akten zu T. komplett beizuziehen.

Der 64. Verhandlungstag am 04.12.2013:

An Tag 64 sagte Benjamin G. aus, ein V-Mann mit Kontakten in die rechte Szene, der von Andreas T.  geführt worden war. Richter Manfred Götzl zitierte hierbei aus Andreas T.'s Handydaten, wonach dieser seinen V-Mann Benjamin G. mehrfach vor und nach dem Mord zu erreichen versucht hatte. Warum und weshalb, darauf konnte G. keine Antwort geben. Die Frage blieb daher im Gerichtssaal offen: Waren diese Anrufe purer Zufall bzw. was wusste der Geheimdienstmann wirklich über den Mord an dem türkischen Geschäftsmann?

Über die Tat, so V-Mann G. weiter, habe Andreas T. mit ihm zunächst nicht gesprochen. "Von ihm habe ich darüber nichts erfahren. Jedenfalls soweit ich mich erinnern kann", sagte Benjamin G. vor Gericht. Erst später im April 2006 sei der Mord bei einem Treffen zur Sprache gekommen. Dabei sei Andreas T. "sehr aufgeregt" gewirkt, sagte G. aus: "Ich habe ihn nach der Tat befragt, da wurde er nervös", berichtete der V-Mann vor Gericht.

T. habe zwar geredet, war dabei aber hektischer gewesen als normalerweise. Götzl fragte nach, iwe sich das geäußert habe. Benjamin G. sagte, T. habe sich an diesem Tag abdauernd umgeschaut. "Für mich hatte es den Anschein, dass er beobachtet wird." Benjamin G. weiter: "Er hat sich auch keine Notizen in seinem Block gemacht. Er sagte mir, dass es ihm nicht gut ging." Obwohl Richter Götzl den V-Mann mehrmals darauf hingewiesen hatte, sich möglichst genau zu erinnern und die Wahrheit zu sagen, blieben dessen Aussagen relativ unverbindlich.

Der 65. Verhandlungstag am 05.12.2013:

Am 05.12.2013 wurde die Aussage von Benjamin G. fortgesetzt. Mehrmals sagte er dabei: "Soweit ich mich erinnere, weiß ich davon nichts." Grundsätzlich schilderte G. "Alex" als ziemlich unzuverlässigen V-Mann-Führer, der immer wieder Termine vergaß - vor allem dann, wenn Benjamin G. sein Geld bekommen sollte.

Beate Zschäpe machte während der Befragung von G. erneut Konzentrationsschwierigkeiten geltend; ein Gerichtsarzt attestierte daraufhin zwar die Verhandlungsfähigkeit Zschäpes zumindest für rund eine halbe Stunde. Nach längeren Debatten der Verteidiger mit dem Arzt unterbrach der Vorsitzende Richter Manfred Götzl das Verfahren aber dann doch.

Zuvor hatten die Anwälte des Mitangeklagten Ralf Wohlleben die Befragung des Zeugen G. durch eine Nebenklagevertreterin kritisiert. Die angesprochene Anwältin hatte G. auf der Basis handschriftlicher Notizen Vorhalte aus Ermittlungsakten machen wollen. Diese sind zwar bei der Bundesanwaltschaft einsehbar, wurden vom Oberlandegericht aber nicht beigezogen. Eine solche Befragung sei nicht akzeptabel, weil den anderen Prozessbeteiligten diese Akten nicht vorlägen, sagte Wohllebens Verteidiger Olaf Klemke. Da Götzl aber die Befragung dennoch nicht unterbinden wollte, stellte Klemke einen Befangenheitsantrag gegen Götzl. Über den Befangenheitsantrag - es ist der erste in diesem Prozess seit fast drei Monaten - muss der Senat nun bis zum kommenden Dienstag entscheiden.

Der Prozess wird bereits am 09.12.2013 fortgesetzt.

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